Köchin, Autorin und Aktivistin Sophia Hoffmann im Interview

Achtung, dieser Post ist bereits aus dem Jahr 2020. Einige Informationen könnten veraltet sein.
Bereits seit 2011 teilt die engagierte Köchin Sophia Hoffmann über alle Kanäle ihre großartigen veganen Rezepte. Sie setzt bei all ihrer Arbeit auf Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Feminismus und soziale Gerechtigkeit. Sie kocht nicht nur und schreibt Kochbücher, sondern hält Vorträge, berät Unternehmen und arbeitet mit NGOs zusammen. Und jetzt plant sie mit einer Geschäftspartnerin die Gründung eines eigenen Lokals in Berlin, wozu wir ihr viel Erfolg wünschen! Wir haben ihr ein paar Fragen gestellt, um mehr über sie und ihre Arbeit zu erfahren.

Sophia Hoffmann (Foto: © Annabell Sievert)

Warum sind Sie Köchin geworden?

Ich bin über Umwege in der Küche gelandet. Kochen und backen begleitet mich seit meiner Kindheit, schon als Teenager hatte ich erste Jobs in der Gastronomie. Aber in meinen 20ern habe ich ganz viele andere Berufe ausprobiert, ich habe zehn Jahre als DJ aufgelegt, Partys veranstaltet, in einer Band gesungen und als freie Journalistin gearbeitet. Die Leidenschaft für Kulinarik war im Hintergrund immer da, aber erst mit Anfang 30 landete ich dann vermehrt beim Kochen und darüber zu schreiben.

Heute, nach drei Büchern und diversen Gastro-Küchen bezeichne ich mich als Köchin und Autorin. Der rote Faden ist für mich die Kreativität. Mir fiel es schon immer leicht, kreativ schöpferisch tätig zu sein und mittlerweile sind Lebensmittel meine Werkzeuge.

Was fasziniert Sie an Ihrem Beruf und was nervt Sie an Ihrem Beruf?

Ich mag, dass man quasi nie aufhört zu lernen, dass es immer Neues zu entdecken und umzusetzen gibt. Ich habe das Gefühl, dass mir nicht so schnell langweilig werden kann in dieser Profession. Nerven tun mich vor allem hergebrachte Strukturen und Klischees wie Diskriminierung, Sexismus oder ein völlig überzogener, schier lächerlicher Arbeits-Ethos. Aber zum Glück kann ich mir aussuchen wo ich arbeiten möchte, bin mir aber auch dessen bewusst, dass dies ein Privileg ist, weshalb ich mich für einen Paradigmenwechsel in der Gastronomie einsetze. Außerdem ist der Beruf körperlich sehr anstrengend und man muss darauf achten, fit zu bleiben und genügend Regenerationsphasen zu haben. Wenn ich müde oder gestresst bin, verletze ich mich auch leichter und das nervt mich dann.

Welches Lieblingsgericht haben Sie?

Definitiv mehr als eines. Ein all time favorite ist Kartoffelbrei, aber auch frisch gebackenes Sauerteigbrot oder eine gute Suppe, ein knackiger Salat… ach, ich kann mich schwer festlegen. Als Kind war mein Lieblingsgericht Kärntner Kasnudeln, davon habe ich mittlerweile eine vegane Version kreiert, die auch ziemlich süchtig macht.

Was ist kulinarisch gesehen Ihre Lieblingsküche?

Auch hier kann ich mich nicht festlegen. Ich selbst koche möglichst saisonal und regional und besinne mich auch gerne auf traditionelle Kräuter, Zutaten und Gewürze, aber gerne auch mit einem modernen Twist. Aktuell mache ich ein Sauerkraut mit Meeresalgen und Sesam. Tahina (Sesampaste) und andere Nussmuse kommen auch gerne zum Einsatz sowie Misopaste und Shoyu. Aber auch Liebstöckel, Petersilie und wilde Rauke regen meine Fantasie an. Mein Ansatz ist es lokale Einflüsse pflanzlich und modern zu interpretieren, manchmal mit wenigen, simplen Zutaten.

Mein Partner kocht bei uns zuhause asiatische Gerichte aus der chinesischen, koreanischen oder Thai Küche, das ist ein Feld das ich gerne ihm überlasse – ich liebe es, koche es aber nicht selbst.

Was inspiriert zu ihren kulinarischen Kreationen?

Alles. Gute Produkte an sich, frisches Biogemüse, Kräuter, Getreide. Oft überlege ich mir was ich mit diesen Grundstoffen noch nie gemacht habe oder wie ich sie neu kombinieren oder verarbeiten könnte. Aber auch andere Dinge inspirieren mich: Bildende Kunst, Musik, Literatur oder Gespräche mit Menschen, die genauso kulinarisch verrückt sind wie ich. Ich habe einige Freunde mit denen ich mich stundenlang über Essen unterhalten kann. Und natürlich auch meine Kolleginnen bei „Isla Coffee“, einem Café mit Kreislauf-Konzept wo ich aktuell arbeite.

Haben Sie eine Köchin oder einen Koch, den Sie besonders bewundern?

Nein. Ich habe zwar viele Köchinnen und Köche getroffen und von allen etwas gelernt, aber wenn ich jemanden bewundere, sind es grundsätzlich eher Menschen, die ihr ganzes Leben aktivistisch sind, häufig feministisch. Die Wege gegangen sind und gehen, die keine vor ihnen betrat. Frauen wie Gloria Allred, Gloria Steinem, Jane Fonda, Tina Turner, Patti Smith…

Was bedeutet für Sie kochen?

Es stellt ein Grundbedürfnis dar, genauso wie essen. Wenn ich länger als eine Woche nicht selbst ein Messer in die Hand nehme, etwa weil ich auf Urlaub bin, werde ich nervös. Ich versuche in meiner Arbeit zu vermitteln, dass Kochen ein Privileg ist und nicht als Zwang empfunden werden sollte, so wie es uns die Vermarkter von Fertigprodukten gerne verkaufen. Es ist eine Tätigkeit, mit der wir uns und unseren Liebsten unmittelbar selbst etwas Gutes tun können, es sollte einen viel höheren Stellenwert in unserem Alltag haben. Und wenn Menschen sagen, dass sie zu erschöpft von der Arbeit sind oder zu spät heimkommen um zu kochen, finde ich müssen wir eher den Stellenwert und Umfang von Erwerbsarbeit überdenken als den des selbst Kochens. Aber das ist eine andere Geschichte…

Worauf legen Sie in der Küche am meisten Wert und worauf können Sie nicht verzichten?

Ich lege Wert auf Qualität. Bei Küchengeräten heißt das, dass ich lieber einmalig mehr investiere und am Ende länger etwas davon habe. Bei Lebensmitteln bedeutet das, dass ich auf Bioqualität, faire Erzeugung und fairen Handel achte. Ich gebe sicherlich etwas mehr aus für Lebensmittel, aber ich kaufe auch nur so viel ich benötige und verwerte alles, deshalb sind die Kosten absolut vertretbar.

Wie es in dem schönen Zitat von Modedesignerin und Klimaaktivistin Vivienne Westwood heißt: „Buy less, choose well, make it last!“ (Kaufe weniger, wähle sorgfältig und mache es haltbar/ behandle es pfleglich).

Seit wann leben Sie vegan und warum?

Ich lebe zu 95% vegan, ab und zu mache ich vegetarische Ausnahmen, etwa wenn ich auf Reisen bin oder die Hühner persönlich kenne, deren Ei ich dann esse. Aber wirklich nur selten und sehr bewusst, wenn ich die Erzeugung genau kenne.

Bei mir war das ein fließender Übergang vom Vegetarismus zum Veganismus, etwa um 2012 herum, also vor ca. acht Jahren. Ich achte aber auch in anderen Bereichen als der Küche auf vegane Inhalte: Kleidungsstücke, Kosmetik, Putzmittel etc. Ich glaube die Gründe muss ich 2020 nicht mehr ausführlich erläutern, da wir sie alle schon mal gehört haben: Klimaschutz, eigene Gesundheit, Tierschutz.

Ich finde konventionelle Tierhaltung und deren Auswirkungen gefährlich und zutiefst unethisch und möchte sie in keinster Weise unterstützen. Ich möchte nicht, dass andere Lebewesen für meine Mahlzeit oder meine Kleidung sterben müssen, wenn das einfach überhaupt nicht notwendig ist, auch wenn sie noch so „human“ gehalten werden. Ich fühle Empathie mit Tieren und mache keinen Unterschied zwischen einem Hund, einer Katze, einem Schwein, einer Kuh oder einem Huhn, die alle Schmerz spüren, intelligent, sozial und verschmust sind.

Können Sie uns ein paar Tipps bzw. Tricks für die nachhaltige Küche geben?

  • WENIGER EINKAUFEN
    Wir kaufen alle viel zu viel ein. Mein Tipp: Pro Person nur so viel, wie ihr alleine tragen könnt = eine gut gefüllte Stofftasche. Nach dem Einkauf darauf achten, was zuerst verzehrt werden muss. Beeren? Sofort waschen, sortieren und die angeschlagenen pürieren (im Kühlschrank haltbar für Müsli/Smoothies…). Salate? Leicht welkende Pflücksalate tagesfrisch verzehren , länger haltbare (Endiviensalat, Chinakohl, Römersalat) im Laufe der Woche.
  • KEINE RESTE
    Eine Reise steht bevor, doch der Kühlschrank ist voll? Verschenkt die Lebensmittel im Freundeskreis/ an Nachbarn oder über foodsharing.de, verwendet sie als Reiseproviant oder macht sie haltbar: Blanchiert & eingefroren habt ihr nach eurer Rückkehr Obst- und Gemüse-Vorräte, aus denen sich schnell eine Suppe/Nudelsauce oder ein süßes Frühstück bereiten lässt. Viele (pflanzliche) Milchprodukte, Tofu und tierische Produkte lassen sich super einfrieren.
  • INVENTUR
    Der Vorratsschrank ist voll mit Trockenprodukten? Mehl? Wie wärs mit Kuchen, Pfannkuchen,
    Fladenbrot, Pizza, Pasta, Strudel? Reispapier? Wie wärs mit Sommerrollen oder knusprigem Reispapier-Bacon?
    Versucht einmal im Jahr einen Monat keine Trockenprodukte zu kaufen und alles aufzubrauchen, was ihr zuhause habt!
  • IMPROVISATION
    Wer Lebensmittel als Werkstoff begreift, lernt, etwas daraus zu kreieren. Haltet euch nicht dogmatisch an Rezepte. Herzhafter Eintopf schmeckt mit Zwiebeln genauso gut wie mit Lauch. Pommes kann man aus Kartoffeln, Süßkartoffeln, Sellerie und Steckrübe selbst machen. Paprika lassen sich mit Reisresten genauso lecker füllen wie mit gekochter Hirse. Statt Zitronensaft funktioniert auch Apfelessig zum Abschmecken. Tauscht aus, experimentiert, traut euch!
  • ALLES VERWENDEN
    Leaf to root lautet das Schlagwort. Die Blätter vieler Gemüsearten lassen sich nicht nur hervorragend verzehren, sie sind sogar besonders nährstoffreich und lecker. Ob von Karotte, Bete, Kohlrabi oder Radieschen – als Pesto, Gemüse oder Salat – zu schade zum Wegschmeißen. Getriebene Zwiebeln? Besonders gesund und lecker. Das Grüne vom Lauch und Frühlingszwiebeln: Fein geschnitten herrlich auf der Stulle. Aber bitte in Pestizid-freier Bioqualität!

Sophia Hoffmanns Kochbücher

  • ZERO WASTE KÜCHE vermittelt unterhaltsam Wissen, Tipps und Tricks zu 40 Lebensmittelgruppen, Einkauf, Verwertung, Nachhaltigkeit und Lagerung. Gepaart mit rund 40 kreativen, vielseitig wandelbaren Rezepten für den Alltag stellt dieses Buch sicher, dass alles bis zum letzten Krümel verwendet wird. Das Basiswerk für jede Küche.
    Herausgeber: ZS Verlag

 

  • VEGAN QUEENS feiert die wahren Heldinnen einer neuen Food Bewegung: Tolle, starke und inspirierende Frauen, die als Unternehmerinnen, Köchinnen, Bäckerinnen und Erzeugerinnen, in einer immer noch männlich dominierten Industrie, auch ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht haben und den Leserinnen und Lesern ihre Erfolgsrezepte verraten!
    Eingebettet in köstlich vegane Themenmenüs wie das „Kräutermenü“, „Detox vs. Dessert“, „Pizza & Drinks“ oder das vegane „Weihnachtsmenü“ für die ganze Familie zeige ich euch auf kreative Weise, zahlreiche neue kunterbunte, unkonventionelle Rezepte. Vegan Queens ist ein Kochbuch voll mit Küchengeschichten, Rezepten, Menüs und Infos, das die unfassbare Bandbreite pflanzlichen Kochens zeigt.
    Ein bewusster Umgang mit Lebensmitteln und eine gesunde Ernährung gepaart mit einer ordentlichen Portion an Kreativität – und, natürlich jeder Menge Geschmack!

  • Mein erstes Buch SOPHIAS VEGANE WELT ist ein Buch so bunt, wie seine Zutaten: Liebevoll gestaltet und mit zahlreichen begleitenden Illustrationen. Auch für Nicht-Veganer und für Kinder geeignet! Über 50 vegane Rezepte gegen kulinarische Langeweile. Diese hier sorgen mit viel Spaß und Farbe für einen unkomplizierten, fröhlichen Umgang mit veganer Ernährung.
    Ob süße Leckereien wie „Der beschwipste Welpe, der in eine Maracuja gestolpert ist“ , Exotisches wie die „Möglichkeit einer Insel“ , die „Russische Suffgrundlage“ oder das legendäre „Rote Brot“. Vegane Grundlageninfos und kreative Küchengeschichten, verspielte Illustrationen und Anekdötchen. Farbenfroher Spass für kleine und große Veganer und Allesfresser!

https://www.sophiahoffmann.com/

Und hier ein paar Kostproben von Sophias Rezepten in unserem Blog:

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Ein Artikel von Ines
veröffentlicht am 21.04.2020
Wienerin mit einer Vorliebe für experimentelles Kochen (probiert immer neue Rezepte aus), Reisen, Yoga (seit 2019 Yogalehrerin) und gepflegtem Nichtstun. Beim Ethik.Guide zuständig für das Marketing, schreibt aber auch manchmal Blogbeiträge.
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