Kaninchen: Ab ins Freigehege!
Scheue Dauerfresser
Kaninchen sind standorttreue Sprinter, die als Wohn- und Zufluchtstätte selbst gegrabene Erdbaue (Länge bis 45 m, Tiefe bis 3 m) mit vielen Ausgängen haben. Die Hauptaktivitätszeiten dieser bewegungshungrigen Fluchttiere sind Morgen- und Abenddämmerung. Ihre bevorzugten Äsungsorte und Streifgebiete liegen in einem etwa 500m-Radius rund um die Wohnhöhlen.
Das ursprüngliche (voreiszeitliche) Verbreitungsgebiet der Kaninchen ist das karge Buschland Südwesteuropas (v.a. der Iberischen Halbinsel). Aber schon früh – seit der Antike – haben die Menschen damit begonnen, sie auch in anderen Teilen Europas und später auch der ganzen Welt (Australien, Neuseeland, Feuerland – wo sie mitunter als Schädlinge bekämpft werden) zu verbreiten. Seit dem sechzehnten Jahrhundert sind verschiedene Größen und Fellfärbungen nachgewiesen.
Alle Sinne der Kaninchen sind bestens entwickelt. Dazu gehört das sensible Gehör, ihre Schalltrichter können unabhängig voneinander gedreht werden. Durch die seitlich angebrachten Augen haben sie einen guten Rundumblick, sie nehmen vor allem Bewegung wahr. Ihr räumliches Sehvermögen ist dagegen gering. In der Dämmerung können sie viel besser als etwa wir Menschen sehen. Ihre Tasthaare dienen der Orientierung im Nahbereich und sind besonders in den unterirdischen Gänge unverzichtbar. Ihr Verdauuungssystem verfügt nur über wenig Muskulatur. Der Speisebrei wird durch die nachkommende Nahrung weitergeschoben – und nicht durch Darmperistaltik wie beim Menschen. Deswegen muss die Möglichkeit zur ständigen Nahrungsaufnahme gewährleistet sein.
Duftbotschaften und Schockstarre
Kaninchen verständigen sich untereinander mittels Duftbotschaften. Durch Markieren (mittels Duftdrüse), aber auch Urinverspritzen markieren sie ihr Revier. Sie interagieren untereinander, indem sie sich beschnuppern, mit der Nase anstupsen, sich gegenseitig putzen und natürlich auch berammeln. Die Sozialkontakte zwischen den Gruppen-Mitgliedern sind sehr intensiv und unterliegen einer strengen, geschlechtsspezifischen Hierarchie.
Ein typisches Verhalten, wenn ihnen keine Fluchtmöglichkeit bleibt, ist das völlige Erstarren. Wer Kaninchen hochnimmt, löst damit oft diese Reaktion aus. Die Schockstarre darf nicht dahingehend interpretiert werden, dass das Kaninchen das Hochnehmen und Streicheln als angenehm empfindet.
Rennen, Haken schlagen und sich aufstellen
Wie bei allen anderen Haus- und Heimtieren appellieren wir, keine Tiere in Zoohandlungen oder bei Züchtern zu kaufen, sondern wenn schon, diese aus dem Tierheim zu holen. Wer Kaninchen in der Wohnung hält, sollte ihnen zumindest ein Zimmer zur Verfügung stellen, denn sie sollten rennen, Haken schlagen und sich aufstellen können. Die im Handel erhältlichen Kaninchenverschläge oder -käfige sind zum überwiegenden Teil viel zu klein und deshalb strikt abzulehnen. Bei Kaninchenhaltern und -züchtern finden sich immer wieder diese völlig ungeeigneten und zu kleinen Behausungen.
Wirklich artgerecht ist es nur, wenn die Tiere zumindest zusätzlich in einem größeren Freigehege leben. Kaninchen sollten auch über eine Wiese hoppeln können. Das gut gesicherte Freigehege benötigt ein schützendes wetterfestes, nicht zugiges Haus, Aussichtsplätze, vielfältige Verstecke (Tunnel) und Hindernisse (Brücken) und Möglichkeiten zum Graben. Für die Einzäunung sollten Sie punktgeschweißten, rostfreien Kaninchendraht (viereckiger Volierendraht, kein sechseckiger Hühnerdraht!) verwenden. Der Gitterabstand sollte dabei nicht größer als 2 cm sein. Damit die Ausbruchskünstlern nicht über das Gitter springen oder sich unter der Erde in die Freiheit buddeln können, muss das Gehege von allen Seiten, auch von unten und oben, gesichert werden. (Das Gitter sollte am Rand mindestens 30 cm senkrecht in den Boden eingegraben werden.)
Sensible Gruppendynamik
Die Kaninchengruppe muss unbedingt einfühlsam zusammengestellt werden. Die Haltung von mindestens zwei Kaninchen (Rammler und Häsin) sollte selbstverständlich sein, da sie natürlicherweise in Familienverbänden leben. Kaninchen einzeln zu halten ist Tierquälerei und die Tiere entwickeln Verhaltensstörungen. Für die Gruppenzusammenstellung ist es empfehlenswert, sich Rat von Experten zu holen. Rammler sollten kastriert sein, eventuell auch Häsinnen mit hohem Östrogenspiegel (sie können sonst hormonell bedingte Aggressivität oder Scheinträchtigkeit zeigen). Von der gemeinsamen Haltung mit Meerschweinchen raten wir dringend ab, da beide Tierarten eine völlig andere Körpersprache haben.
Auf dem Futterplan von Kaninchen stehen Grünfutter und Wurzeln, Rauhfutter wie Heu, Pellets und Mischfutter. Das handelsübliche Futter ist oft ungeeignet, da es mitunter zu viele Körner enthält und damit zu nährstoffreich ist.
Sie sehen, die artgerechte Kaninchenhaltung stellt eine große Herausforderung dar. Wer sich dieser nicht stellen kann oder möchte, sollte besser keine Kaninchen zu sich nehmen. Pflegeleichte Haustiere sind sie sicher nicht.
Internet- und Buchtipps
- „Leben mit Kaninchen“ von Christline Wilde, ISBN: 3866590717
- „Artgerechte Haltung – ein Grundrecht auch für (Zwerg-) Kaninchen“ von Ruth Morgenegg, ISBN: 3952266116
- „Kaninchenverhalten“ von Regine Schineis, Verlag Oertel+Spörer, ISBN: 978-3-88627-764-3
- Rodentia – Kleinsäuger Fachmagazin
- www.kaninchen.at/haustier/index.html
- www.diebrain.de/k-tuv.html
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