Ab heute trage ich Pilz. Pilze in der Textilindustrie
Pilze sind faszinierende Wesen. Lange verkannt, bilden sie neben den Tieren und Pflanzen ein eigenes Reich eukaryotischer Lebewesen. Vielgestaltig in Form, Farbe und Lebensbereich bilden sie fadenförmige Geflechte, die meistens mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind. In ihrer Gesamtheit dicht zusammengelagert können diese Fäden, Mycel genannt, jedoch eine Größe von über einem Quadratkilometer und ein hohes Alter erreichen.
Warum ist das für die Textilherstellung interessant?
Der Verlust von Leben in der Tierindustrie an sich ist tragisch genug. Hinzu kommen auch noch der aufwendige Verarbeitungsprozess und die Verwendung toxischer Chemikalien, welche für Mensch und Umwelt schädlich sind. Die Viehhaltung produziert große Mengen an Treibhausgasen, die Gerbung der Tierhäute und deren Färbung sind energieaufwendig und es fällt viel Abfall an: Auf 1.000 Kilogramm Tierhaut sind dies etwa 600 Kilogramm!
„Es gibt regenerative Landwirtschaft, aber kein regeneratives Leder. Materialien zu ersetzen, wie etwa konventionelles Leder durch lokales, transparent hergestelltes Leder, bringt noch nicht den gewünschten Wandel.“ So Unternehmerin Nina Conrad, Nachhaltigkeitsberaterin in der Textil- und Lederindustrie, im Interview mit Fashion Changers.
Auch Kunstleder, welches oft als Alternative zu tierischem Leder angepriesen wird, schneidet in Sachen Nachhaltigkeit schlecht ab, da es normalerweise aus einem synthetischen Stoff und einer PVC-Beschichtung besteht, für welche erdölbasierte Rohstoffe verwendet werden müssen. Genau hier können die Pilze punkten.
Das Ausgangsmaterial (Myzel) ist bereits nach wenigen Tagen bis Wochen erntereif. Die Pilze können auf kostengünstigen land- und forstwirtschaftlichen Nebenprodukten wie Sägemehl genährt werden und nach der Ernte wird lediglich durch Pressen oder Trocknen behandelt. Das entstehende Material ist flexibel, wasserresistent und nach der Verwendung sogar biologisch abbaubar.
Keine Speisepilze an den Füßen…
Die Vorteile von Myzel basierten Textilien auf einen Blick
- Myzel kann überall angebaut und geerntet werden (lokal und global)
- Ist sowohl im Labor als auch in der Natur herstellbar
- Es werden keine Lebensmittel (Speisepilze) zur Herstellung verwendet
- Materialabfälle werden reduziert
- Weniger Verschnitt und ungewollte Formen
- Durch die Zucht im Labor kann die hergestellte Menge beeinflusst und geplant werden
- Keine Verwendung von toxischen Chemikalien notwendig
- Kostengünstige, sozial und umweltverträgliche Alternative zu Tier- und Kunstleder
Mehr als ein Nischenprodukt
Die wachsenden Bemühungen der Modewelt, nachhaltiger und umweltschonender zu produzieren, haben bereits dazu geführt, dass etwa das französische Luxushaus Hermès seine Shopper-Tasche Victoria in einer aus Myzel gezüchteten Lederalternative neu gestaltete. Auch Adidas, Stella McCartney, Lululemon und Guccis Muttergesellschaft Kering wollen in weitere myzelbasierte Alternativen investieren (Mylo).
Zu den derzeit größten Herstellern, die veganes Leder auf Basis von Pilzen produzieren, zählen MYLO, Ecovative und Myco Works.
Quellen:
fairlyfab – Vegane Leder-Alternative Mylo
Fashion Changers – Funghi everywhere: Wie Pilzleder gerade die Modewelt erobert
Fashion Changers – „Es gibt regenerative Landwirtschaft, aber kein regeneratives Leder”
Natur.de – Pilze als Lederalternative