Adorno und das Rieseneichhörnchen oder wie ich lernte, meine Guilty Pleasures zu akzeptieren
Nur mit dem Fahrrad und dem Zug
Ich wollte nicht nach Indien fliegen. Die herrlichen Landschaften, die Gewürze, Jahrtausende alte Kultur, fantastische Pflanzen und Tierwelt… Kann man da nicht auch mit dem Fahrrad hinfahren? Nun, wenn man ein Jahr Zeit hat, schon. Aber die habe ich nicht. Ich wollte doch nicht mehr fliegen, obwohl ich so vieles, was mich in meinem Blick auf die Welt und meinem Umweltbewusstsein geprägt hat, auf Reisen in entfernte Länder erfahren habe. Der Erlaufsee ist doch auch schön. Oder doch die Flugscham einmal – nur dieses eine Mal –hintanstellen? Es ist doch nur EIN Flug… Rund ums Jahr lebe ich so grün es geht, nur so viel konsumieren, wie unbedingt notwendig, anti-Auto (ich fahre nicht einmal Taxi), nur Biolebensmittel und regional (eigene Parzelle!), Klamotten gibts nur Second Hand. Schließlich ist das der Weg raus aus unseren globalen Krisen. Jeder kleinste Beitrag zählt, da bin ich streng. Ein Leben nach dem Motto “Es gibt kein richtiges Leben im falschen”, frei nach Th. W. Adorno!
Rieseneichhörnchen
Seit acht Jahren bin ich bewusst nicht mehr geflogen. Billigflüge zum Wochenendshoppen nach London oder zum Yoga-Retreat nach Bali belasten die Umwelt in globalem Ausmaß. Ich mache da nicht mit. Mittlerweile habe ich halb Europa mit dem Fahrrad bereist, die Familientreffen in der Schweiz mache ich mit dem Zug. Aber irgendwann kommt es dann doch, das Fernweh. Das unerfüllte Verlangen nach neuen Erfahrungen und Abenteuer macht mich unzufrieden. Der Wunsch, andere Welten zu erleben, etwas, das mir immer sehr wichtig war. Ich sage es nur ungern, aber ich bin nach Indien geflogen und es war wunderbar, spannend, genau was ich gebraucht habe. Bitte, ich habe im Wald ein Rieseneichhörnchen gesehen, so groß wie eine dicke Katze! Sowas erlebt man nicht im Mariazellerland.
Wir sind alle nicht perfekt
Aber sie sind da, die Schuldgefühle. Guilty Pleasure nennt man das dann, Vergnügen mit Gewissensbissen oder einfach heimliches Laster. Wie viel davon sollen wir uns erlauben? Die einen sind super-öko, fahren aber mit dem stinkigen uralt-Dieselbus in den Urlaub. Andere trinken ihren Bio-Kaffee to-go aus dem Plastikbecher und selbst der Chef der Grünen wird mal im McDonalds gesichtet. Was ist da los, kriegen wir es gar nicht hin, ein durchgehend ökologisches Leben zu leben?
Lebensfreude nicht verlieren
Die Antwort ist nein. Selbst wenn wir als selbstversorgende Einsiedler leben würden, kommen wir nicht mehr am globalen System vorbei. Irgendwo müssen die Gummistiefel ja auch herkommen. Alles ist vernetzt, verwoben und abhängig voneinander in dieser Welt. Wir können unseren Fußabdruck möglichst reduzieren. Auf 0 stellen wird nicht gehen, wenn wir uns am großen Ganzen beteiligen wollen. Jeder einzelne Click im Internet erzeugt Treibhausgase, auch für die Bahntrassen mussten Käfer und Bäume sterben. Wir können uns nur ganz individuell überlegen, wieviel wir mit unserem Tun – positiv und negativ – zur Entwicklung der Welt beitragen. Und vergessen wir dabei nicht unsere Lebensfreude! Kaffee und Tee sind nicht regional, trotzdem möchte ich darauf nicht verzichten. Internet ist auch wichtig, um uns über Umwelt und Natur zu informieren (Ethik Guide Blog!). Und ich wollte schon immer mal Lemuren in freier Wildbahn sehen…