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Zwischen Realität und Selbsttäuschung – Wie wir die Klimakrise (mental) gelöst haben

Höchstpersönlich – unsere Rubrik für Meinungen, persönliche Alltagserfahrungen und -erkenntnisse. Diesmal erzählt Teresa über ihren mentalen und emotionalen Umgang mit der Klimakrise. Von kollektiven Verdrängungsmechanismen, von Klimaangst und Wut.

Ich beschäftige mich erneut mit der Klimakrise und spüre den vertrauten Druck, der sich in meiner Brust aufbaut. Doch dieses Mal lerne ich nichts Neues, außer dass die Situation sich verschlimmert hat. Das Ziel von 1,5 Grad ist mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr erreichbar. Was zu erwarten war, leider. 2023 war das heißeste Jahr seit Aufzeichnung. Oder das kälteste des verbleibenden Jahrhunderts. Galgenhumor ist ein Bewältigungsmechanismus, den ich mir nicht nehmen lasse.

Mein Professor erzählt, wie die sich anbahnende Katastrophe viele Teile der Erde unbewohnbar machen wird. Er zeigt eine bearbeitete Weltkarte, und ich male mir aus, wo ich eventuell 2070 noch leben könnte. Denn Österreich erwärmt sich schneller und stärker als andere Länder.

Die „Bewohnbare-Zonen Weltkarte“ sagt, dass in Russland das Klima dann 2050 wahrscheinlich noch gut wäre, dorthin könnte man ziehen. Oder eben auch nicht. Ich stelle mir die Folgen der Klimakatastrophe vor meinem inneren Auge vor, mein Puls steigt. Diese Gedanken und das damit einhergehende Unbehagen erinnern mich daran, warum ich mich lange Zeit nicht mit dem Klima beschäftigt habe, um mich einfach nicht so zu fühlen. Die Erkenntnis passt nur zu gut zu der Prüfung, für die ich gerade lerne: „Verleugnung und Heuchelei in der Klimakrise“ von Reinhard Steurer. So bitter das Thema auch ist, die Vorlesung ist sehr spannend, und auch Externen ist das Zuhören erlaubt.

Wie das Klima in die Krise getrieben wurde und immer noch wird

Als ich zum ersten Mal erfuhr, dass Erdölkonzerne wie EXXON schon 1982 von den katastrophalen Konsequenzen des CO2-Ausstoßes wussten, war ich empört. Es war vielleicht naiv von mir, darüber schockiert zu sein, dass EXXON anstatt weniger Öl zu produzieren, Ablenkungskampagnen gestartet hat. Immerhin pumpen fossile Energieträger in den Adern unserer industrialisierten Gesellschaften. Allein die fossilen Energien, die wir nicht mehr verbrennen dürfen, um noch eine Chance zu haben, die Erwärmung unter 2 Grad zu halten, sind Billionen von Dollar wert.

Diesen Profit will sich die Erdölindustrie natürlich nicht entgehen lassen und investiert deswegen global Millionenbeträge in Greenwashing. Das hierbei wohl bekannteste Werkzeug ist der CO2-Fußabdruck, der von Erdölkonzern BP popularisiert wurde. Durch diese gekonnte Schuldzuweisung lenken die Großkonzerne von sich ab und schieben die Verantwortung auf Individuen. Ein Masterstreich wirklich, so können Personen, die versuchen durch individuellen Lebensstilwandel, oder gar durch Klimaaktivismus, entkräftet und angeprangert werden. Nach dem Motto „Du hast mir nichts über meinen Fleischkonsum zu sagen, weil du fliegst ja selbst mit dem Flugzeug“. Leute, die „authentisch ignorant“ sind, werden hier sogar belohnt mit dem Argument „Wenigstens ist er kein Hypokrit und steht zu seinem Lifestyle“.

Was wir brauchen, ist nicht nur ein System-, sondern auch einen Wertewandel. Aktuell wird individueller Klimaschutz zu oft erschwert und unattraktiv gemacht, während klimaschädliches Verhalten einfach ist und gesellschaftlich leider noch immer belohnt wird. SUVs als Statussymbol, das Idolisieren der Superreichen.

Im globalen Norden leben wir auf Kosten des globalen Südens und das oberflächlich betrachtet noch relativ komfortabel. Die Konsequenzen unseres Lebensstils zeigen sich zwar bereits vor unserer Haustür, aber können derzeit noch wegrationalisiert werden. Unsere Lebensgewohnheiten produzieren das Problem, vor dem sich viele von uns fürchten, also was machen wir?

Wie sich unser Geist von Klimaangst befreit

Wenn wir mit Weltuntergangsszenarien aufgrund der Klimakrise konfrontiert sind, ist unsere Psyche oft überfordert und unbewusste Abwehrmechanismen setzen ein. G. Vaillant sagt, dass „Abwehrmechanismen für den Geist das sind, was das Immunsystem für den Körper ist.“ Sie sind mehr oder weniger automatisch, unbewusst und üblicherweise eine mental gesunde Reaktion auf Angstgefühle. Sie sollen uns schützen, indem sie das Gehörte entkräften, rationalisieren und relativieren. In Sachen Klimakrise führt das jedoch leider dazu, dass die Gefahr kollektiv verdrängt wird. Eben auch, weil wir das Problem, das unsere Lebensgrundlage gefährdet, nicht allein oder sofort lösen können, wird es in unserem Kopf gelöst, um so die unangenehmen Gefühle zu beseitigen. Das Konzept nennt sich Kognitive Dissonanz und wurde von Leon Festinger erstmals beschrieben. Bei der Klimakrise ist die Selbsttäuschung sogar noch leichter möglich. Denn sie wird von einer großen Anzahl von Personen, die sich in derselben Situation befinden, dementsprechend dieselbe Diskrepanz empfinden, unterstützt und dadurch auf dieselbe Weise reduziert. Sprich unser kollektiver Selbstbetrug wurde Normalität und deswegen werden nicht alle Weichen gestellt, um die Katastrophe abzuwenden.

So etwas lerne ich an meiner Uni – der BOKU. Das stärkt mein Verständnis, aber ebenso meine Hilflosigkeit. Diese schlägt häufig in Wut um, weil ich mit dieser leichter umgehen kann. Es sind Tage wie diese, an denen ich Streit mit meinem Partner beginne, weil er den Ernst der Lage, meines Empfindens nach, nicht so wahrnimmt und versteht wie ich. Zwar bemüht er sich und ändert sein Verhalten ein bisschen, aber sein Gottgegebener Optimismus ist sich sicher „so schlimm kann es nicht werden“. Heute fühle ich mich besonders masochistisch, also öffne ich die Kommentarspalte von einem Klimaposting der ZiB und scrolle durch. Wie so oft lese ich dort gefühlt kilometerlange Schwurbelei. Alle Ausreden und Leugnertaktiken sind dabei. Wissenschaftlich betrachtet finde ich es ja sogar ein bisschen witzig, weil ich nun die Aussagen den verwendeten Abwehrmechanismen zuordnen kann. Die mentale Werkzeugkiste um Klimadissonanzen zu reduzieren hat nämlich vier Pfade: Verleugnung und Verdrängung, Rationalisierung (etwa: andere Leute fliegen mehr) und kleine Handlungen setzen (zum Beispiel auf meinem Tropenurlaub habe ich nur lokalen Fisch gegessen).

Wie ich mit Klimaangst umgehe

Ich muss ehrlich zugeben, dass ich mich manchmal der genannten Abwehrmechanismen bediene, wenn mich die Angst überwältigt. Dann baue ich rabiat Vogelhäuser, sammle Müll auf meiner Straße auf, poste aufklärende Inhalte auf Instagram, unterschreibe Petitionen, gehe auf Demos, spende Geld an Umweltschutzorganisationen und versuche bewusster einzukaufen. Seit Kurzem lese ich ein Buch über den Klimahandabdruck, das mir Mut macht, mein Geld nachhaltig anzulegen und noch häufiger über die Klimakrise zu sprechen (mehr dazu unter anderem im Buch: „Hoch die Hände Klimawende“ von Gabriel Baunach). Meine Freunde und Familie kennen meine Position zu Umweltthemen bereits und ihr Verhalten reflektiert das. Meine Eltern sind jetzt vegetarisch und wenn mir Freundinnen von ihrem schnellen Tunfischgericht erzählen, sagt sie „Tut mir leid, ja ich weiß Tunfisch ist schlecht“. Ich möchte denken, dass meine Betroffenheit sich nicht nur in temporärer Scham äußert, sondern auch das Bewusstsein in meinem Umfeld schärft.

Und wenn mein (wenn genau betrachtet, etwas egozentrischer) Hand- oder Fußabdruck nicht ausreicht um mich zu beruhigen, gehe ich in den Prater, beobachte die Vögel, die ich gerade gefüttert habe, atme die relativ frische Luft und bin dankbar für mein Leben. Denn Menschen die sich fühlen wie ich, können ihren Beitrag für eine lebenswerte Zukunft nur leisten, wenn sie nicht von Angst und Scham gelähmt sind.

Fakt ist und bleibt: Wir befinden uns in einem Klimanotstand, und wir als Gesellschaft und unsere PolitikerInnen müssen jetzt handeln. Denn this is NOT fine.

Comic von K.C. Green (2013/2016)

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Ein Artikel von Resl
veröffentlicht am 23.02.2024
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