Der Wald: Lebensraum oder Holzfabrik?

Der Wald ist Naturraum und gleichzeitig Wirtschaftsfaktor, ein Ökosystem, welches durch die Klimakrise stark unter Druck gerät. Für viele Menschen ist der Wald in Österreich eine Selbstverständlichkeit und beliebtes Ausflugsziel. Doch was wissen wir darüber eigentlich? Und was sagen die Menschen, die ihn bewirtschaften, dazu?
Fichtenwald

Grüne Lunge, Holzlieferant, Heimat für eine Vielzahl von Arten, Erholungsraum und vieles mehr ist der Wald (Foto: Pexels, Jakkel)

Grünes Erbe

Der Wienerwald ist die grüne Lunge, eine riesige bewaldete Fläche in unmittelbarer Nähe zu unserer Millionenstadt und eine in Europa einzigartige Konstellation. Und dennoch sollte er um das Jahr 1870 eigentlich zu einem großen Teil gerodet werden. An seiner Stelle würden jetzt Äcker und Gemeinden stehen, hätte Josef Schöffel, damals Bürgermeister von Mödling, nicht mit einer groß angelegten medialen Aktion dafür gesorgt, dass der Verkauf eines Großteils des Waldes an Holzfirmen verhindert werden konnte. Heute ist Österreich mit einem Waldanteil von über 46 Prozent ganz vorne mit dabei, nur die skandinavischen Länder und Slowenien übertreffen uns noch. Und der Wald wächst weiter. Eigentlich gute Nachrichten.

Holzverbrauch steigt

Wenn wir an die globale Bedeutung des Waldes denken, dann haben wir den Amazonas-Regenwald vor Augen oder die dichten Tropen auf Sumatra. Diese riesigen Ökosysteme möchten wir am liebsten unberührt lassen und setzen uns für deren Schutz ein. Gleichzeitig steigt der Holzverbrauch: Er wird als ökologisch, weil nachwachsend angepriesen. Stylische Möbel, Holzöfen, Amazon-Papierkartons – Holz wird überall gebraucht. Dies führt zu einer verstärkten Bewirtschaftung der Flächen. Kann man verhindern, dass der Wald zu einer “Holzfabrik” wird?

Naturraum und Bewirtschaftung

Reicht es aus, dass es “viel Wald” in Österreich gibt? Der Wald in Österreich ist vor allem ein Wirtschaftswald. Nur etwa ein Viertel der Fläche kann als naturnah bezeichnet werden, was aber nicht unbewirtschaftet heißt. Insgesamt sind nur 1-2 Prozent wirklich unberührt, in der Regel Wälder im Steilhang in den Bergen. Und nur dieses Viertel eignet sich gut als Ökostabilisator und Klimaschutz. Der Rest ist mehr oder weniger stark wirtschaftlich genutzt und oft naturfremde Monokultur. Neue Wälder werden entsprechend der Nachfrage nach bestimmten Holz und nach aktuellen gesetzlichen Vorgaben gepflanzt.

Wie wir sehen, kann mit Wald sehr unterschiedlich umgegangen werden. Es geht darum, naturnahen Wald zu erhalten und den Wirtschaftswald nachhaltig zu betreiben. Dazu kommt, dass 82 Prozent der Wälder in Privatbesitz sind und daher auch die Vorstellung, was mit einem Wald geschehen soll, stark von den einzelnen Eigentümern abhängt. Wie steht es um den Wald in Österreich, wie wird er gepflanzt, gerodet und gepflegt? Stellvertretend haben wir Waldeigentümer und Eigentümerinnen aus dem Waldviertel interviewt, um ein aktuelles Stimmungsbild zu erhalten. 

Wald zu bewirtschaften ist wichtig

“Wald ist Generationendenken”, sagen Beate und Walter Brenner, Landwirte und Waldbesitzer in Schönfeld an der Wild, Bezirk Waidhofen an der Thaya. “Die Wild ist übrigens ein Forst, kein Fluss. 20 Quadratkilometer groß ist er und recht stark bewirtschaftet.” Walter prüft mit strengem Blick die kleinen Birkensetzlinge auf seinem momentan noch etwas kahl wirkenden Waldstück. Man könnte auf den ersten Blick meinen, hier wurde gerodet und es steht nur mehr eine Wiese da. Doch sind hier bereits Tausende Setzlinge eingegraben worden. Die Familie Brenner pflanzt hier einen Wald auf etwa 0,8 Hektar. 1.800 Löcher und ebenso viele Bäumchen, welche von Hand und im Familienverband in Schwerstarbeit eingesetzt wurden. Er und seine Frau Beate pflanzen nicht für sich selbst, sondern für die nächste Generation, sagen sie. Braucht es doch Jahrzehnte, bis an diesem Flecken wieder ein Wald stehen wird. Ihre Anteile sind etwas verteilt in der Gegend, durch Zukauf und Erbschaft gleichen die Besitzverhältnisse im Wald einem Flickenteppich.

Natürlich leben die Brenners nicht nur vom Wald. Sie bauen Getreide an, alte Sorten in Bio-Qualität. Beate verkauft in ihrem Hofladen Mehl und Getreide, darunter Einkorn, Waldstaudenkorn und viele andere, auch Linsen und Kümmel gibt es, alles aus einer Hand. Am Wochenende bäckt sie Brot und Süßwaren, welche sie bis nach Wien verkauft, sogar Bier gibt es mit Brenner´s Getreide. Beide investieren viel Arbeit in die Landwirtschaft und versuchen dabei, so schonend und nachhaltig wie möglich vorzugehen. Ihr Wald wächst meist vor sich hin und Walter muss nur hin und wieder eingreifen.

“Wir setzen eine Mischung aus Weisstanne, Fichte und Eiche.“ erzählt Land- und Forstwirt Walter Brenner (Foto: levente koltai)

Kritisch wird es, wenn der Borkenkäfer zuschlägt, so wie 2016. Diese Schädlinge lieben Fichten und befallen kranke und vom Wind gefällte Bäume und breiten sich dann aus. Durch den Klimawandel wird dieses Problem immer häufiger und stärker. Je wärmer die Winter, je trockener die Böden und die Bäume somit anfälliger, desto mehr Chancen haben die Borkenkäfer und andere Schädlinge und richten weitläufiges Unheil an. “Es gibt mehr Wind als früher, die Fichten können dem oft nicht standhalten und kommen zum Liegen und sind kurz darauf befallen. Diese Wälder müssen komplett ausgeräumt und später neu gepflanzt werden. Sägewerke nutzen den Befall aus und zahlen oft schlechte Preise.“ Einen wesentlichen Anteil am Problem haben die Monokulturen und eine für den Standort unpassende Art, denn die Industrie will viel Fichte, ein Holz, das schnell wächst und gut zu verarbeiten ist.

“Aber wir brauchen mehr Mischkulturen, um resistentere Wälder zu erhalten”, sagt Walter. Ein neuer Wald muss gut geplant werden, mit Eichen am Rand als Windschutz, ein Hag um die Setzlinge. “Wir setzen eine Mischung aus Weisstanne, Fichte und Eiche. Später wird der Wald durchforstet, also ausgelichtet, um den stärkeren Bäumen mehr Licht und Nährstoffe zu verschaffen. Einige Sorten verschwinden wieder und in zwei, drei Generationen wird hier dann ein Eichenwald stehen.” Auch Eiche wird viel genutzt, vor allem als Brennholz.

Um genug CO2 zu binden und den Klimawandel zu stoppen, bräuchte es aus seiner Sicht mehr Waldfläche. Die Bäume und das Holz, wenn daraus neue Häuser oder Möbel werden, binden viel Kohlendioxid auf lange Zeit. Der Wald muss genutzt werden, wenn er ein Wirtschaftswald ist, auch um ihn zu erhalten, sagt Walter. Das Land Niederösterreich tue schon etwas für die Aufforstung. Denn es werden die richtigen Sorten gefördert: Fichten-Monokulturen sind zwar möglich, bekommen aber keine finanzielle Unterstützung mehr. Die Entnahme von Holz ist gesetzlich streng reglementiert und muss innerhalb weniger Jahre wieder aufgeforstet werden. Trotzdem wird auch viel Holz aus Polen und Tschechien importiert und das macht es den Waldbesitzern schwer, wirtschaftlich zu agieren. “Hier bräuchte es eine Bremse von der Politik”, fordert Walter. “Es ist schon schwer genug. Ein Wald ist ein fragiles System und die Angst vor dem Borkenkäfer ist immer da.”

Der Wald als Natursymbol

Ein paar Hundert Meter weiter betreibt Monika Heinisch einen seit 28 Jahren Bio-zertifizierten Hof mit Weidewirtschaft. Damals war die Missbilligung groß im Dorf, als sie mit dieser Vision ihren Hof neu ausrichtete. Sie hat einige Hektar Wald geerbt, westlich des Dorfes am Sieghartsberg. Auch hier wird der Forst stark bewirtschaftet. Monika hat einen sehr starken Bezug zum Wald als Teil unserer Lebenswelt: “Der Wald ist ein Organismus, er ist wichtig für uns alle. Es kann nicht sein, dass wir ihn nur als Wirtschaftsfaktor wahrnehmen, wo Fichte an Fichte steht. Ich mag es voll Leben und kunterbunt, was die Sorten angeht. Hasel, Kirsche, Ahorn, Stieleichen habe ich gepflanzt, nachdem der Borkenkäfer die Bäume vernichtet hat.” Und sie nahm diese Krise als Chance wahr und hat den Wald nach ihren Vorstellungen neu bepflanzt. “Als die Leute hier gesehen haben, wie ich das mache, haben sie nur gesagt: Um Gottes willen! Ich habe meine Flecken dreigeteilt. Einen habe ich wachsen lassen, wie er war. Den anderen nach Absprache mit dem Bezirksförster angelegt und den letzten nach meinem Gefühl. Vor allem die Alten haben sich schwer getan zu verstehen, was ich da mache.” Wie schon mit dem Bio-Hof eckt Monika auch hier an. “Ich war schon immer anders. Die Natur ist meine und unser aller Heimat. Ich möchte anderen darin ein Vorbild sein, auch wenn man es sich dabei oft schwer macht. Aber es gibt im Dorf auch Verständnis und irgendwann wird es wieder besser werden.“

Für Monika Heinisch gehört zum Pflanzen heimischer Baumarten auch die Aufklärungsarbeit im Dorf (Foto: Pexels Jplenio)

Monika sieht eine wichtige Aufgabe darin, Aufklärungsarbeit zu leisten. Wir Menschen hätten viel vom Wissen verloren über die Natur. “Selbst die Kinder hier im Dorf wissen nicht mehr, wie das alles hier funktioniert mit dem Wald und den Äckern. Und wenn wir nichts darüber wissen, können wir es auch nicht wertschätzen. Ich sehe daher auch für die Landwirtschaft die Aufgabe, die Menschen einzubinden und Einblicke in die Abläufe zu gewähren. Dann wissen sie mehr und können sich auch dafür einsetzen. Mir ist Dankbarkeit dafür, was wir hier bekommen, sehr wichtig. Wir leben in der Fülle, wenn wir es wollen. Die nächsten Generationen werden über unseren Umgang mit den Wäldern urteilen.” 

Fazit

Unsere Aufgabe ist es, uns für die Natur einzusetzen. Doch leben wir auch von den Produkten aus der Natur. Ein Naturwald soll erhalten bleiben, wenn möglich sich sogar ausbreiten. Ein Wirtschaftswald gibt uns das Holz, das wir als Produkt so wertschätzen. Doch noch immer wird Wald einfach “verbraucht” und nicht nachhaltig nachgepflanzt. Es ist wichtig, dass wir uns für die entsprechenden Gesetze starkmachen. Wie Monika im Interview sagte: “Ich habe schon einiges für die Natur erreicht und bin dann immer stolz auf mich. Allein ist es schwer, aber wenn wir gemeinsam aufstehen und die Meinung sagen, dann wird es besser werden.”

Tipp

waldsetzen.jetzt bietet nachhaltige Teambuilding-Aktivitäten an: Mit Forstwirt*innen heimische Bäume pflanzen und so Lebensraum Wald schaffen.

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Ein Artikel von Levente
veröffentlicht am 15.12.2024
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