Was wir von Science-Fiktion über die Klimakrise und globale Probleme lernen können


Um die Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen, braucht es eine positive Vision der Zukunft (Foto: Pexels, Galerieb)
Ob Klimakrise, Pandemie oder Wirtschaftskrise, die Herausforderungen unserer Zeit sind so allgegenwärtig, wie sie unlösbar erscheinen. Gemeinsam ist diesen Problemen, dass sie zu komplex sind, um von einzelnen Staaten mithilfe einzelner Maßnahmen gelöst zu werden. Vielmehr handelt es sich um globale Probleme auf ökonomischer, ökologischer und sozialer Ebene. Lösungsansätze nationaler, internationaler und wirtschaftlicher Akteure existieren zwar, stellen aber meist nur Teillösungen dar und setzen globale Handlungs- und Sanktionsmöglichkeit voraus. Globale Probleme können nicht lokal gelöst werden.
Letztlich bräuchte also es eine geeinte Menschheit, die ihre technologischen, wissenschaftlichen und sozialen Ressourcen zur gemeinsamen Problemlösung einsetzt. Allein die Vorstellung einer solchen Welt erscheint angesichts der politischen Realität geradezu utopisch. So als würde man Ovids goldenes Zeitalter oder das biblische Paradies herbeiwünschen. Im Unterschied zu mythologischen Fluchtpunkten ist die Perspektive einer geeinten Menschheit jedoch grundsätzlich plausibel.
Ebenso wie es in unserer Macht stand, komplexe Gesellschaftssysteme in knapp zweihundert Nationalstaaten zu organisieren, können wir uns kosmopolitisch als geeinter Planet begreifen. Eine Entwicklung, die wenngleich derzeit noch unwahrscheinlich, in der Zukunft möglich wäre. Was es hierzu vor allem braucht, ist eine positive Vision der Zukunft. Wenn es darum geht, das Mögliche weiterzudenken und Visionen des noch-nicht-Möglichen zu entwerfen, betritt man den Raum des Fiktionalen. Romane, Filme oder Serien können neben spannender Unterhaltung auch alternative Welten anschaulich vor Augen führen. Sie können aus den Fesseln des Faktischen befreien und als Gedankenexperimente zu neuen Lebens- und Gesellschaftsentwürfen inspirieren. Kein Genre verkörpert diese Idee so sehr wie jenes der Science-Fiction.

Von Sprachassistenten, Tablets und E-Books bis hin zum humanoiden Roboter und künstlicher Intelligenz finden wir vieles in der Fiktion dargestellt, was zum Entstehungszeitpunkt noch reine Fantasie war. Dabei schließt die visionäre Kraft der Science-Fiction auch soziale Entwicklungen mit ein. (Foto: Pexels, agk42)
Science-Fiction als Spiegel der Gesellschaft
Fremde Planeten, Raumschiffe und Außerirdische mit Laserwaffen. Diese und andere typischen Motive der Science-Fiction Literatur sind längst in das kollektive Gedächtnis eingeschrieben. Selbst Verweigerer des Genres kennen oft die spitzohrigen Vulkanier aus „Star Trek“, die strahlenden Lichtschwerter aus „Star Wars“ oder die grün leuchtenden Codezeilen der „Matrix“-Filme. Es ist verlockend, in solchen populären Filmen und Serien bloße Unterhaltungsprodukte der US-Filmindustrie zu sehen. Tatsächlich korrespondieren fiktionale Werke oft mit aktuellen technischen und sozialen Entwicklungen ihrer Zeit. Am Beginn des 19. Jahrhunderts, als die beginnende Elektrifizierung bis dahin ungeahnte Möglichkeiten eröffnete, überwindet Elektrizität etwa in Mary Shelleys Roman „Frankenstein“ sogar den Tod und haucht leblosen Körpern neue Lebensenergie ein. Zugleich kann der Roman als ethische Reflexion auf das technisch Machbare und die Verantwortung von Forschenden gelesen werden.
Science-Fiction reagiert nicht nur auf aktuelle Entwicklungen, sondern nimmt diese oft um Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte vorweg. Von Sprachassistenten, Tablets und E-Books bis hin zum humanoiden Roboter und künstlicher Intelligenz finden wir vieles in der Fiktion dargestellt, was zum Entstehungszeitpunkt noch reine Fantasie war. In jüngerer Zeit wird das gleiche Motiv in Kinofilmen wie „Her“ (2013) oder „Ex Machina“ (2015) aufgegriffen, um die Gefahren und Potenziale künstlicher Intelligenz und menschenähnlicher Roboter aufzuzeigen. Auch zeitgenössische Werke wie die HBO-Serie „Westworld“ oder die Netflix-Serie „Black Mirror“ bedienen sich älterer mythologischer Stoffe und schaffen zugleich einen Reflexionsraum für das gerade Gegenwärtige.
Science-Fiction ist dabei sowohl Unterhaltung, Literatur und Populärkultur als auch Kommentar auf die Gegenwart, Vision des Möglichen und Gedankenexperiment. Dabei schließt die visionäre Kraft der Science-Fiction auch soziale Entwicklungen mit ein. Von politischer Teilhabe marginalisierter Gruppen, über weibliche Emanzipation bis hin zu nicht-binären Geschlechtsidentitäten finden sich Vieles in populären Science-Fiction Werken vorweggenommen.

Konsumverhalten und Wirtschaftssysteme werden im „Star Trek“-Universum radikal anders gedacht (Foto: Pixabay, AdisResic)
„Star Trek“ als humanistisches Ideal
Als „Star Trek“ (damals noch unter dem deutschen Namen „Raumschiff Enterprise“) in den 1960er-Jahren über die heimischen Bildschirme flimmerte, waren Mobil- und Videotelefonie ebenso utopisch wie eine multinationale und multiethnische Brückencrew bestehend aus russischen, japanischen und schottischen Mannschaftsmitgliedern und einer afroamerikanischen Frau als Kommunikationsoffizierin. In einer Zeit, in der die Supermächte des Kalten Krieges sich gegenseitig mit atomarer Auslöschung drohten, entwarf „Star Trek“-Schöpfer Gene Roddenberry eine Zukunft, in der sich die Menschheit friedlich geeint forschend dem Weltraum zuwendet.
Auch Konsumverhalten und Wirtschaftssysteme werden im „Star Trek“-Universum radikal anders gedacht. Ressourcenknappheit wurde technologisch gelöst. Die sogenannten „Replikatoren“ stellen Spießen, Alltagsgegenstände oder Rohstoffe in Sekunden aus atomaren Verbindungen zusammen und führen diese nach Gebrauch wieder in den Ressourcen-Kreislauf zurück. Arbeit wird nicht als ökonomische Notwendigkeit, sondern als persönliche und kollektive Sinnstiftung erlebt. Die damals beschriebene Fiktion findet bereits erste Anknüpfungspunkte in der Realität. Von der Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens über Kreislaufwirtschaft bis hin zu neuen Arbeitsformen und einem zunehmend kritischeren Blick auf die Konsumkultur. Dabei ist die Utopie in ihrer Gesamtheit heute graduell realistischer als noch in den 1960er-Jahren, zugleich wird sie durch die künstlerische Inszenierung greifbarer. Über den Umweg der Unterhaltung werden so neue Perspektiven sichtbar und erlebbar.

Fiktionle Vision kann zu realen Lösungen inspirieren (Foto: Unsplash, Rahul Bhosale)
Zukunft als Möglichkeitsraum für innovative Lösungen
Quer durch alle Kulturen zieht sich der Wunsch, das Unverfügbare der Zukunft magisch oder technisch verfügbar zu machen. Wer möchte nicht wissen, was die Zukunft bringt? Dass die Zukunft eben nicht vorhersehbar, bestenfalls in Teilen nach Wahrscheinlichkeit prognostizierbar ist, wissen Wahl- und Wirtschaftsforschungsinstitute sehr genau. Zugleich haben positive und negative Zukunftsvisionen auf gesellschaftlicher und persönlicher Ebene einen performativen Charakter. Utopische Science-Fiction mit starken humanistischen Werten wie „Star Trek“ schaffen ein grundlegend positives Bild der Zukunft. Diese fiktionale Vision kann zu realen Lösungen inspirieren. Gleichzeitig können dystopische Zukunftsszenarien falsche Entwicklungen und deren langfristige Auswirkungen illustrieren.
Gemeinsam liefert das Fiktionale dabei einen Anknüpfungspunkt zum Weiterdenken und wird so zum Innovationstreiber. Die menschliche Imagination und Fähigkeit, fiktionale Welten zu entwerfen, sind letztlich die größten Ressourcen im Umgang mit komplexen Problemen wie Klimakrise, Pandemie oder Wirtschaftskrise. Nur wenn die Perspektive einer global handlungsfähigen Menschheit denkbar ist, kann sie auch realisierbar sein. Serien wie „Star Trek“ verdienen daher Aufmerksamkeit abseits Ihres künstlerischen- und Unterhaltungswerts als Inkubatoren einer möglichen Zukunft.
Zum Gastautor
Wolfgang Damoser ist Ethiker und selbstständiger Philosophischer Praktiker. Nach seinem Bachelor- und Masterstudium der Philosophie und dem Bachelorstudium Public Management arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Wien und der FH Wien der WKW im Forschungsbereich angewandte Ethik. Seit 2022 ist er Leiter von „Vielosophie – Die Philosophische Praxis“ in Wien. Kontakt: office@vielosophie.at