Alle Jahre wieder – Silvesterstress für Tiere

Feuerwerk
Achtung, dieser Post ist bereits aus dem Jahr 2017. Einige Informationen könnten veraltet sein.
Jahreswechsel werden von Menschen gefeiert und von Tieren gefürchtet. Unsere tierlichen Mitbewohner, Hund, Katze und Co., erleiden meist schon Tage bis Wochen vor der Silvesternacht durch „Probeschießen“ eine große Stressbelastung und Angst. Das Gehör von Hunden und Katzen ist deutlich empfindlicher als das von Menschen, dazu kommt noch, dass sie sich – im Gegensatz zu uns Menschen – diesen ohrenbetäubenden Lärm nicht erklären können.
Feuerwerk

Feuerwerke: Von vielen Menschen geliebt, von vielen Tieren gefürchtet. (Foto: Pixabay, SD-Pictures)

Angst als natürliche Reaktion

Auch können wir Menschen es ihnen nicht verständlich machen, dass es keinen Grund gibt Angst zu haben. Zudem gibt es einfach evolutionsbiologische Grundlagen, die eine Angstreaktion auf laute Geräusche hervorgebracht haben: Das Gehör dient als „Frühwarnsystem“ und hilft Lebewesen, schon auf Distanzen auf Gefahren adäquat reagieren zu können. Diese Reaktionen können ganz grob eingeteilt werden:

  • Freeze/Faint: Erstarren vor Angst/Innerlich aufgeben
  • Fiddle about/Flirt: Übersprungshandlungen/Hektisch werden/vermeintlich in Spiellaune sein
  • Flight: Flüchten, Weglaufen, Verstecken
  • Fight: Angreifen, Attackieren, Stellen, Verbellen

Im weiteren Text wird meist die Rede von Hunden sein, jedoch ähneln sich die Hilfestellungen bei anderen Tieren sehr. (Foto: Pixabay, lizzyliz)

Das bedeutet, dass ein Hund, der vermeintlich „lustig“ bellend herumläuft, das Geballere eben alles andere als toll findet. Diese Reaktion ist einfach seine Strategie, mit dieser außergewöhnlichen Stresssituation umzugehen. Jeder Hund ist anders und so auch sein Verhalten zu Silvester. Reaktionen auf Lärm bzw. laute Umweltgeräusche können sich nach einer (oder der ersten, zweiten, dritten,…) Jahreswechselerfahrung dramatisch verschlimmern. Dies umso wahrscheinlicher, wenn man beispielsweise neben einer Baustelle wohnt oder vielen Gewittern ausgesetzt ist, die den Hund an die furchteinflößende Erfahrung erinnern. Er fürchtet sich dann wieder, seine Angst wird also generalisiert auf andere Umweltgeräusche. Auch gibt es Hunderassen, die eher dafür bekannt sind, geräuschempfindlich zu sein (Hütehunde beispielsweise), aber grundsätzlich kann jeder Hund Geräuschangst entwickeln.

„Social Support“ ist wichtig bei Unsicherheit und Angst. (Foto: Ursula Aigner)

1. Weg vom Trubel

Wenn ihr irgendwie die Möglichkeit habt, fahrt mit eurem Hund aufs Land bzw. dorthin, wo man möglichst weit weg ist von der Knallerei. So braucht ihr weder andere Vorkehrungen zu treffen, noch besteht die Gefahr, dass euer Hund noch mehr Angst vor Geräuschen bekommt. Weg vom Trubel kann aber auch ein Zimmer in der Wohnung/im Haus sein, das besonders wenige Fenster hat (Badezimmer, Keller,…), also am besten abgeschirmt ist.

Foto: Ursula Aigner

2. Abdunkeln – Musik – TV

Simpel aber effektiv: Bitte schließt die Vorhänge, lasst die Rollos runter, sodass die Hunde möglichst wenige Lichtblitze sehen können. Manche fürchten sich nämlich besonders davor. Schaltet auch (laute) Musik bzw. TV ein, damit die Lärmkulisse von draußen übertönt wird.

3. Zufluchtsort

Meistens haben Hunde einen bestimmten Ort (Korb, Box, unterm Tisch,…), an dem sie sich gerne zurückziehen bzw. den sie gerne aufsuchen. Gebt eurem Hund bevorzugt dort Kauartikel, damit er diesen noch mehr mit Entspannung und Wohlbefinden verknüpft. Versucht eventuell auch, den Ort der Wahl noch attraktiver zu gestalten, beispielsweise mit einer bequemen Unterlage.

4. Füreinander da sein!

Seid für euren Hund da und überhört gut gemeinte Ratschläge von selbst ernannten „HundeexpertInnen“, einen Hund zu ignorieren oder dass man den Hund auf keinen Fall trösten, ihm keine Aufmerksamkeit schenken soll, wenn er Angst hat. Das ist für ein hochsoziales Lebewesen jedoch die schlimmste Strafe und verstärkt die Furcht/Hilflosigkeit! Steht eurem Hund auf alle Fälle bei, lasst ihn sich an euch drücken, redet mit beruhigender (nicht hektisch-hysterischer!!!) Stimme mit ihm und streichelt ihn sanft mit langsamen Bewegungen, wenn er das mag. Verhaltet euch ansonsten aber ganz normal, führt ein Gespräch mit FreundInnen oder Ähnliches. Das ist „Social Support“, der dem Hund Sicherheit vermittelt und eben nicht die Angst verstärkt! Schließlich bekommt ihr als Mensch auch nicht mehr Angst, wenn euch eine Vertrauensperson den Arm um die Schulter legt und euch beruhigend versichert, dass ihr beispielsweise die Prüfung bestehen werdet.

Verständnis, Ruhe und körperliche Nähe sind wichtig in Stresssituationen – nicht nur für uns Menschen. (Foto: Ursula Aigner)

5. Futtersuchspiele gegen Stressbelastung oder das Stimmungs-Barometer

Auch wenn euer Hund bisher wenig an Futter interessiert war, wenn er Angst hatte – Übung macht den/die MeisterIn. Der große Vorteil bei der Arbeit mit Futter und Leckerlis: Die Fähigkeit Futter (in unterschiedlichen Wertigkeiten) nehmen zu können, zeigt euch wie ein Stimmungs-Barometer, wie es eurem Hund tatsächlich geht. Nutzt diese Möglichkeit, euren Hund zu „fragen“. Natürlich seht ihr eurem Hund auch an, dass er gestresst ist, aber die feinen Abstufungen im Inneren sind nach außen nicht immer deutlich wahrnehmbar. So kann es sein, dass ein untrainierter Hund bei lauten Geräuschen nicht an Leckerlis interessiert ist. Nach ein bisschen Leckerli-Such-Training in ruhigen Situationen kann es aber sein, dass er das Suchen bei Lärm dankbar annimmt und damit seine Aufmerksamkeit zumindest nur teilweise auf die Schreckreize legen muss – obwohl er noch immer aufgeregt/gestresst ist. Das zeigt euch, dass ihr mit eurem Hund auf einem guten Weg seid, bei Lärm mit weniger Angst und Stress zu reagieren.

Besorgt euch also einen Kong und/oder Schnüffelteppich. Alternativ könnt ihr auch leere Klopapierrollen oder alte Schachteln dazu verwenden, Leckereien darin zu verstecken, die euer Hund dann selbstständig suchen soll. Bitte fangt rechtzeitig damit an, dem Hund so etwas anzubieten, denn er muss erst lernen, wie er ans Futter kommt. Mit dem Kong zum ersten Mal am Silvesterabend daherzukommen, ist zu spät.

Spielen kann von der Angst ablenken. (Foto: Ursula Aigner)

Ihr könnt auch allerhand andere Tricks mit eurem Hund üben, um ihn auf andere Gedanken zu bringen, das alles muss aber zu Silvester bereits „sitzen“! Die Wertigkeit der Belohnung spielt hier eine große Rolle, der Jahreswechsel ist eine extreme Belastung, daher muss auch das Futter eine Besonderheit sein. Seid aber nicht enttäuscht, wenn euer Hund an Silvester kein Futter mehr nehmen mag, bietet es dennoch immer wieder an. Erwartet keine Wunder, Stress durch Training zu mindern, ist auch schon die halbe Miete!!! Wendet euch an eineN HundetrainerIn eures Vertrauens, der/die euch rechtzeitig (schon Monate davor!!!) zeigt, wie ihr eurem Hund am besten beistehen könnt.

6. Cool down!

Trotz aller Maßnahmen kann es sein, dass euer Hund große Angst hat. Vor allem, wenn ihr ein bisschen spät dran seid, ihn auf den Jahreswechsel vorzubereiten. Lasst euch von der Angst nicht anstecken, verbreitet gute Laune und Sicherheit! Sagt und meint (!!!) beruhigende Worte wie „Wauzi, es passiert nichts, ich bin für dich da“. Vermeidet, dass ihr euch selbst über den ohrenbetäubenden Lärm (verständlicherweise) aufregt, euer Hund bemerkt das und fühlt sich in seiner Aufregung bestätigt. Über die unnötige Knallerei könnt ihr später auch noch schimpfen, das Wohl eures Hundes hat in dem Moment Vorrang. Seid ein Vorbild – souverän, ruhig und gelassen.

Vorsicht: Medikamente zur „Ruhigstellung“ alleine sind zu wenig. (Foto: Ursula Aigner)

7. Wenn alle Stricke reißen…

… können Nahrungsergänzungsmittel oder Medikamente eurem panischen Hund helfen, die Nacht (und die Zeit davor und danach) zu überstehen. Bitte wendet euch rechtzeitig an den/die TierärztIn UND an den/die HundetrainerIn Ihres Vertrauens. Denn Nahrungsergänzungsmittel oder Medikamente können nur ein Zusatz sein, bei Panikverhalten müssen auch verhaltenstherapeutische Maßnahmen getroffen werden!!!

Mit diesen Maßnahmen (oder einem Teil davon) solltet ihr eurem Hund also etwas helfen können, zumindest, dass es nicht noch schlimmer wird. Viel Erfolg!

Ursula Aigner ist Zoologin, allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige für Hunde und Katzen, tierschutzqualifizierte Hundetrainerin, Ausbildung und Prüfung Hundeführschein Wien, Ausbildung und Prüfung NÖ-Sachkundenachweis.

Ursula Aigner ist als selbstständige Hundetrainerin vor allem mit unerwünschtem Verhalten von Hunden konfrontiert, sei es Aggressionsverhalten oder auch Jagdverhalten. In ihrer Arbeit ist ihr ein gewaltfreier und respektvoller Umgang mit Mensch und Hund wichtig, um langfristig positive Veränderungen zu erreichen – und vor allem zum gegenseitigen Verständnis zwischen Mensch und Hund beizutragen. Vor allem Umgang und Training von Langzeitsitzern oder gefährlichen Hunden (in Tierheimen) sind ihr ein Anliegen. Ursula Aigner ist aktives Mitglied verschiedener Netzwerke im Bereich Hundetraining und Tierschutz und ist immer offen für neue Herangehensweisen oder Lösungsmöglichkeiten. Daher sind Fortbildungen für sie selbstverständlich, um das Beste erreichen zu können – für Mensch und Tier.

www.canis-sapiens.at

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Ein Artikel von Ursula Aigner
veröffentlicht am 28.11.2017
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