Auf der Suche nach Britanniens wilden Flecken (Teil 1)
Teil I: Vom Sherwood Forest nach Holy Island
Im Spätsommer 2016 machte ich mich auf die Suche nach Britanniens wilden Flecken. Im Hinterkopf das lesenswerte Buch “The Wild Places“ (2007) von Robert McFarlane. Darin beschreibt der Literaturwissenschafter und passionierte Wanderer dreizehn Trips über Stock und Stein, durch Wälder und Felder, Sand und Strand, von den Salzmarschen von Sussex im Süden bis zum schottischen Rannoch Moor hoch im Norden. Sein Ausgangspunkt war jedes Mal das heimatliche Cambridge. Meine Wildnissuche nahm ihren Anfang in Nottingham.
Sherwood Forest: Im Wald von Robin Hood
Das mittelenglische Nottingham erlangte in der Legende um Robin Hood durch seinen ruchlosen Sheriff Bekanntheit. Heute erstreckt sich 20 Meilen nördlich der Stadt der ebenso legendäre Sherwood Forest, in dem Robin und seine Merry Men ihren Unterschlupf gehabt haben sollen. Was im Hochmittelalter ein weitläufiges, größtenteils naturbelassenes Waldgebiet war, ist mittlerweile ein gezähmter Landschaftspark, der als Naherholungsgebiet dient. Touristisch stark frequentiert und kommerzialisiert kann der Sherwood Forest den Genius loci vergangener Zeiten nicht mehr evozieren. Wer hier Wildnis im eigentlichen Sinne erwartet, wird enttäuscht sein. Einzig die fast tausendjährige Major Oak, die ebenfalls tief mit den Erzählungen um Robin Hood verwurzelt ist, zeugt von der einstigen Majestät des Waldes. Als Daumenregel gilt: Eichen wachsen 300 Jahre, leben 300 Jahre und sterben 300 Jahre. Eine hochbetagte Dame also.
Auf zur Heiligen Insel!
Nach einem kulturellen Zwischenstopp im wunderschönen York, das neben Ruinen aus der Römerzeit über eine augengefällige mittelalterliche Bausubstanz verfügt, ging die Wildnissuche weiter an die englische Ostküste. Etwa eine Autostunde südlich der schottischen Grenze liegt Holy Island, eine Gezeiteninsel, die nur bei Ebbe per Wagen erreichbar ist.
Bekannt wurde das kleine Eiland vor allem wegen eines Vorfalls aus dem Jahre 793. Damals brandschatzten Nordmänner die Abtei von Lindisfarne. In der Geschichtsschreibung gilt dies als Startschuss des Wikinger-Zeitalters. Die imposanten Reste der von wechselnden Angreifern zerstörten und immer wieder aufgebauten Priory stehen bis heute. Eine Burg aus dem 16. Jahrhundert thront weithin sichtbar am Horizont.
Für Freunde der Wildnis ist das Naturreservat Holy Island eine wahre Freude. Robben nutzen das Eiland als Rastplatz. Die mal steinige, mal sandige Küste hat ihren eigenen rauen Reiz. Hohe Gräser bieten seltenen Vogelarten Unterschlupf. 330 verschiedene gefiederte Arten gibt es dort. Ein Tschirpen, Pfeifen und Krächzen, aber auch viel Ruhe, nur vom leisen Windhauch durchzogen.
Das Herumstreifen auf Holy Island ist ein seelischer Genuss. Ein Gefühl von innerem Heimatempfinden kommt auf. Hier hat die Wildnis ein Plätzchen behalten können – trotz touristischer Nutzung.
Die Begegnung mit einem Hund namens Blake war für mich eine Epiphanie. Er glich meinem verstorbenen Freund Potter nicht nur äußerlich fast aufs Haar, sondern auch im Wesen. Eine unerwartete Begegnung würdig für Holy Island.
Wildnissuche macht hungrig
Damit der Magen nicht rebelliert, Lokaltipps für reisende VeganerInnen:
- Nottingham
Las Iguanas: Karte mit schmackhaften veganen Optionen.
www.iguanas.co.uk/restaurants/nottingham - York
El Piano: Herrlicher veganer Käse.
www.el-piano.com
Zum Weiterlesen:
- Teil II: Von den Delfinen zum zauberhaften Dampfross
- „Karte der Wildnis“, Robert McFarlane, Dt. Ausgabe 2017, ISBN: 978-3-548-37698-1