Das Leben ist kein Ponyhof – Teil 2: Vom Traum, ein eigenes Pferd zu haben
Was erwartet mich?
Bei einem (Mitleids-)Kauf beziehungsweise der Übernahme älterer Pferde oder Pferde aus dem „Sport“ oder von der Rennbahn muss man davon ausgehen, dass diese körperliche Probleme haben und damit hohe Kosten für Tierarzt, Ostheopath etc. sowie für Spezialfutter verbunden sind. In manchen Fällen sind auch Verhaltensprobleme der (oftmals verschwiegene) Verkaufsgrund. Bis diese Pferde normal zu „händeln“ sind, braucht es einiges an professionellem Training. Ob man sie je reiten kann, ist ungewiss.
Ein süßes Fohlen, das „sonst zum Schlachter kommt“, zu retten, ist sicher nobel, doch wer noch keine Ahnung von Fohlen hat, ist meist völlig überfordert: Es bedarf regelmäßiger, täglicher Arbeit, bis sich das Tier die unbedingt nötigen Pflegemaßnahmen (angreifen lassen, am Führstrick mitgehen, sich anbinden lassen, Hufe geben, auskratzen und korrigieren) gefallen lässt. Und einen guten Aufzuchtplatz mit fohlengerechter (Gruppen) Haltung zu finden, der nah genug für regelmäßige „Arbeitsbesuche“ ist, ist zumindest in der Nähe von Großstädten eine Herausforderung. Darüber hinaus entsprechen „ausgemusterte“ Fohlen meist nicht dem „Zuchtziel“, was oft gravierende Fehlstellungen bzw. körperliche Mängel bedeutet – das heißt, der Tierarzt wird zum Dauergast. Zudem muss man sich natürlich auch im Klaren sein, dass jeder Kauf solch eines Fohlens die weitere Vermehrung von Tieren fördert, bei denen gesundheitliche Probleme wissentlich in Kauf genommen werden.
Kauft man stattdessen ein Fohlen, Pony oder Pferd zum Reiten, so stellt sich die Frage, was man sich erwartet: vielleicht ein schöneres oder ein gelasseneres Tier oder eine andere, bessere Ausbildung als beim bisherigen Mitreit- oder Schulpferd? Viele frischgebackene Pferdebesitzer meinen auch, mit einem gut ausgebildeten Pferd könne man sich zukünftige Reitstunden ersparen. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass sich beim Reiten allzu leicht unbemerkt Fehler einschleichen, die beim Pferd auf Dauer zu Verspannungen, gesundheitlichen Problemen oder sogar zu Verhaltensproblemen führen können, vor allem, wenn man das Problem nicht frühzeitig erkennt.
Verantwortung für ein eigenes Pferd
Um nicht selbst ernannten Experten ausgeliefert zu sein, ist Basiswissen über artgerechte Haltung und Fütterung (siehe roter Absatz am Ende dieses Artikels) unumgänglich. Dazu gehören: Hufpflege, Ausrüstung, Umgang sowie das Erkennen von Krankheiten wie Lahmheit und Kolik – immer ein lebensbedrohlicher (!) Notfall. Hier sollte man sich vorab selbst schlau machen. Zu den einzelnen Themen finden Interessierte viele gute Bücher und Fachvorträge an Pferdekliniken.
Prof. van den Hoven, Leiter der Internen Medizin der Veterinärmedizinischen Universität Wien und Spezialist für Koliken, appelliert an alle PferdehalterInnen, möglichst „ganztägig freie Bewegung zu bieten und keine Futterkarenzen (Hungerphasen) von mehr als drei Stunden zu dulden: Durch Hungern nehmen Magen und Darm schnell Schaden, die notwendige Bewegung des Darmes vermindert sich, was in weiterer Folge sogar zu tödlichen (Gas- und Anschoppungs-) Koliken führen kann.“
In diese Kerbe schlägt auch der Pathologe Ass. Prof. Dr. Martin Reifinger von der Veterinärmedizinischen Universität Wien: „Eine pferdegerechte Haltung ist jedenfalls die beste und billigste Vorbeugung gegen viele Krankheiten und Probleme.“
Die Realität sieht jedoch traurig aus …
Freie Einstellplätze, die die oben genannten (Basis-)Bedürfnisse der Pferde erfüllen, sind zumindest in der Nähe von Ballungszentren kaum zu finden oder nicht leistbar.
Oft kostet schon die Box über 500 € im Monat. Dazu kommen dann Extrazahlungen, etwa damit das Pferd eine Koppel benützen darf, für das Führen auf die Koppel, für die Medikamentengabe, extra Heu, Eindecken, zusätzliche Bewegung etc. In diesen Ställen ist dafür der zeitliche Aufwand kalkulierbar, man zahlt ja dafür, dass das Pferd versorgt wird und muss daher nicht täglich vor Ort sein (außer um das Pferd zu bewegen). Wie die Erfahrung zeigt, sollte man jedenfalls auch hier regelmäßig sein Pferd und dessen Wohlergehen kontrollieren. Denn niemand kann dies besser einschätzen als der Pferdehalter/die Pferdehalterin selbst!
Werden Abstriche gemacht – etwa bei Reitplatz, Halle, Anreise oder Bequemlichkeiten für den Menschen – so sind kleinere Ställe oder sogar „Selbstversorger-Ställe“ oft die pferdefreundlichere und günstigere Lösung. Doch hier ist die eigene Verantwortung und damit auch der tägliche (!) zeitliche Faktor umso größer: Das geht von der Kontrolle von Futter (Qualität und Menge) sowie Gesundheit über die Medikamentengabe (das kann bis zu 3 x täglich nötig sein), Ausmisten bis hin zu Instandhalten von Gebäuden und Zäunen sowie das Einholen von erforderlichen Genehmigungen.
Moderne, pferdegerechte Haltungssysteme wie Aktiv- oder Laufställe, wo sich die Pferde selbst entscheiden können, ob sie im Regen stehen oder in der Liegehalle dösen, sich auf die Wanderung zum Wälzplatz oder zur Heustation machen, sind leider bisher Ausnahmefälle in Österreich.
Zusatzkosten entstehen unweigerlich
Egal wie günstig das Pferd eingestellt ist: Zu den Einstellkosten kommen unweigerlich regelmäßig Kosten für die Hufpflege (ca. 80-160€ alle sechs Wochen), für den Tierarzt (regelmäßige Impfungen und Wurmkuren, Versorgung kleinerer Wunden, ca. 30-100€ monatlich), Haftpflichtversicherung, Decken und Halfter – ganz gleich, ob man das Tier reitet oder ob es ein Gnadenbrotpferd ist. Bei Unfällen oder gesundheitlichen Problemen können die Kosten für Tierarzt, Klinikaufenthalt, Kolikoperation, Ostheopath oder Chiropraktiker schnell explodieren. Es empfiehlt sich daher immer, etwas Geld auf die Seite zu legen, damit man es im Fall des Falles zur Verfügung hat.
Zusätzlich fallen dann noch für Trainer/Reitlehrer (ab ca. 20-90€ pro Einheit), Ausrüstung (Sattel 700-5.000€; unbedingt anpassen und regelmäßige Kontrolle durch Sattler!), Zusatzfutter, Outdoor/Reitkleidung etc. noch Kosten an.
Ein eigenes Pferd zu haben, bedeutet also nicht nur hohe monatliche Fixkosten für die nächsten 20-30 Jahre, sondern auch, sich jeden Tag zumindest 1-2 Stunden Zeit zu nehmen. Und zwar egal wie das Wetter ist, man Bronchitis hat oder einen der Job gerade sehr fordert. Unter der alltäglichen zeitlichen Belastung leiden meist auch der Partner oder die Familie, wenn nicht alle gleichermaßen vom „Pferdevirus“ infiziert sind.
Auch tolle Urlaubreisen verlieren an Reiz, da man als besorgter Pferdebesitzer immer erreichbar sein will: gefühlsmäßig passieren Unfälle oder Koliken immer dann, wenn die Besitzer gerade auf der anderen Erdhalbkugel bzw. nicht erreichbar sind.
Will man sein Leben nicht für die nächsten Jahrzehnte auf ein Pferd einstellen und dennoch nicht auf eine enge Beziehung zum Pferd verzichten, so bietet sich an, ein Pflege- oder Mitreitpferd zu übernehmen. Hier sind die Kosten normalerweise fix vereinbart und vergleichsweise gering. Nach Absprache darf man es wie sein eigenes Pferd behandeln bzw. versorgen und wächst so in ein Leben mit „eigenem“ Pferd hinein. Damit vermeidet man außerdem, dass Pferde, die als Herdentiere trotzdem eine starke Bindung zu „ihrem Menschen“ aufbauen, wie Wanderpokale ihre Besitzer wechseln müssen und damit immer wieder ihre Bezugspersonen verlieren.
Übersicht der Bedürfnisse für gesunde Pferde – im Zweifel mit einem Pferdetierarzt abzuklären
- tägliche Gesundheitskontrolle (ACHTUNG: für Menschen ist es oft schwierig zu erkennen, ob Pferde Schmerzen leiden!)
- Möglichst ganztägige, freie Bewegung mit anderen Pferden auf Weiden oder Koppeln (mit Unterstand, Wasser und Heu) und wenig Zeit in der Box
- permanenter Zugang zu Trinkwasser
- ausreichend Raufutter (Heu, Stroh: mind. 2kg/100kg Körpergewicht/Tag) von bester Qualität und so über den Tag verteilt, dass keine Hungerzeiten von mehr als 3 Stunden entstehen – auch nicht nachts!