Vor Kurzem hat unsere Blogautorin Susanne ein Posting beeindruckt, das einfach sagte: „Don’t ask if animals have feelings. Ask if humans do.“ Frag nicht, ob Tiere Gefühle haben, frag, ob Menschen welche haben. Das klingt vielleicht simpel. Ist es aber nicht. Daher ist Susanne der Frage nachgegangen.
Weißes Axolotel vor schwarzem, steinigen Hintergrund, das scheinbar in die Kamera lacht.

Meist lautet die Frage: Fühlen Tiere? Wir drehen sie heute um: Fühlen Menschen? (Foto: Pexels, Artem Lysenko)

Wenn es um die Verfügbarkeit von Tieren für menschlichen Nutzen geht, wird meist mit den Unterschieden zwischen Menschen und Tieren argumentiert. Der Vergleich fällt – wenig überraschend – fast immer zugunsten der Menschen aus. Sie sind ganz einfach die komplexeren Wesen, so die Ansicht vieler Menschen. Und für dieses vermeintlich so überlegene Wesen können Tiere ruhig geopfert werden. Die Intensität der Lebenserfahrung von Tieren wird von vornherein abgewertet. Diese Einstellung geht davon aus, dass im Vergleich mit menschlichen Erfahrungen Tiere einfach nicht mithalten können. Denn, so eine beliebte Begründung, sie können ja nicht einmal menschlich kommunizieren. Dann kann man sich fragen: Haben Tiere überhaupt Gefühle? Haben sie Angst? Haben sie eine Vorstellung vom Tod? Lieben sie ihre Kinder?

Diese Fragen zeigen selbstverständlich in eine wichtige Richtung. Es ist wichtig, zu überlegen, was andere, nicht menschliche Lebewesen empfinden.

Menschen mögen Tiere

Heute möchte ich aber, im Sinne des oben genannten Postings, die Sache umdrehen. Welche Art von Gefühlen haben Menschen? Nehmen sie ihre Gefühle wahr? Im Zusammenhang mit dem Umgang mit den vermeintlichen „Nutztieren“ scheint dies oft nicht der Fall zu sein, sonst würden viel mehr Menschen auf Lebensmittel aus tierlicher Ausbeutung verzichten. Eine kürzlich in der internationalen Forschungszeitschrift „Appetite“ veröffentlichte Studie hat sich mit dieser Problematik beschäftigt. Darin zeigt sich, dass Menschen Tiere sehr gerne mögen und deswegen oft ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie tierliche Lebensmittel verwenden. Denn die meisten – laut Studie 70 Prozent – haben Mitleid, wenn sie sich vorstellen, dass Tiere gequält und getötet werden, nur damit Menschen ein paar Minuten Genuss haben. Warum sie trotzdem weitermachen? Viele reden sich selbst ein, das Verhalten sei normal. Außerdem ist es gesellschaftlich und traditionell anerkannt.

weiß-schwarz-geflecktes Schweinchen

Liebenswert? Tötbar? Klingt wie ein Widerspruch, ist jedoch allgegenwärtig in unserer Gesellschaft. (Foto: Pexels, Julia Clooten)

Die eigentliche Frage

Ich habe über diese Zusammenhänge schon oft nachgedacht. Mit vielen GesprächspartnerInnen versucht herauszufinden, was dahinter steckt. Meine Ergebnisse decken sich mit denen der Studie: Vielen Menschen ist die Schieflage von eigenen Gefühlen und Handlungen bewusst. Sie rechtfertigen sich vor sich selbst, zum Beispiel so: „Ich esse nur sehr wenig Fleisch – und wenn, dann nur bio“. Oder verschieben die Verantwortung: „Die Produktion muss sich umstellen, die KonsumentInnen haben keinen Einfluss“. Besonders absurd ist die gar nicht so selten geäußerte Meinung, Kühe seien Tiere, die von sich aus Milch produzieren. „Kühe müssen gemolken werden, sonst leiden sie.“ Der Zusammenhang von erzwungener Schwangerschaft, Geburt und Milchproduktion wird einfach ausgeblendet. Diese Argumentationen führen dazu, dass die eigentliche Frage immer vermieden werden kann. Die eigentliche Frage ist: Wie geht es dir wenn du an Tiere denkst? Wenn du mit ihnen zusammen bist? Was fühlst du, wenn sie schlecht behandelt oder getötet werden?

junge weiße Ziege schaut über die Schulter ihres Trägers in die Kamera

Was fühlst du, wenn du diese Ziege siehst? (Foto: Pexels, Frágil y Fugaz)

Mut zum eigenen Gefühl

Der springende Punkt ist, hier dranzubleiben. Bei den eigenen Gefühlen. Den Mut dazu aufzubringen, und dann, in diesem Bewusstsein, in diesem Gefühl, eine Entscheidung zu treffen. Die New Yorker Psychologin Angela Crawford forscht gerade für ihr Buch über die Zusammenhänge von Ernährung und Wohlbefinden. Viele ihrer InterviewpartnerInnen beschreiben eine innere Transformation von Geist, Körper und Seele, wenn sie ihre Lebens- und Ernährungsweise in Übereinstimmung mit den eigenen Gefühlen bewusst verändern. Es geht also um eine eigene Entscheidung, für die man dann auch verantwortlich ist. Verantwortung kann man aktiv übernehmen. Wenn man nicht nur beim Desaster zuschaut und darüber jammert, was alles passiert, sondern selbst handelt. Das kann ganz schön viel bewirken und gibt das Gefühl, lebendig zu sein. Einfach ausprobieren!

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Ein Artikel von Susanne Karr
veröffentlicht am 20.09.2022
Als Philosophin und Journalistin beschäftige ich mich mit der Verbundenheit von menschlichen und nichtmenschlichen Lebewesen. Darum geht es auch in meinem Blog www.aureliapangolini.com
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