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Konflikte vermeiden – Begegnungen mit Hunden in der Öffentlichkeit

Hund Kind
Achtung, dieser Post ist bereits aus dem Jahr 2018. Einige Informationen könnten veraltet sein.
In den letzten Wochen passierten tragische Unfälle zwischen Hund und Mensch, ein Kleinkind starb sogar an den Folgen der Attacke. Der Wunsch nach größtmöglicher Sicherheit wird laut und die Forderungen nach gesetzlichen Verschärfungen wie Maulkorbpflicht werden medial intensiv diskutiert. Welche Maßnahmen tatsächlich nötig sind, um Beißvorfälle im öffentlichen Raum möglichst zu verhindern, beschreibt unsere Hundeexpertin im Team und tierschutzqualifizierte Hundetrainerin Ursula Aigner.
Hund Kind

Auch wenn sich Hund und Kind gut verstehen und beaufsichtigt sind – zu viel Nähe ohne der Möglichkeit für den Hund auszuweichen macht es unmöglich, rechtzeitig einzugreifen. (Foto: Pixabay, Mondisso)

Maulkorbpflicht als Lösung?

Jeder Beißvorfall ist einer zuviel. Vor allem Nicht-HundebesitzerInnen erleben derzeit eine starke Verunsicherung beim Aufeinandertreffen mit Hunden in der Öffentlichkeit. Eine generelle Maulkorbpflicht ist weder aus Sicht des Tierschutzes noch der Sicherheit die beste Lösung. Schließlich sind die allermeisten Hunde in ihren Familien positiv integriert und stellen auch in der Öffentlichkeit keine Gefahr dar. Der Maulkorb würde vielmehr zu vermehrter Fahrlässigkeit führen, denn „er kann ja eh nix tun“ – eine Attacke mit Maulkorb stellt allerdings auch eine große Gefahr dar und aufgrund der massiven Einschränkung des Hundes in seinem natürlichen Verhalten werden durch eine Maulkorbpflicht höchstwahrscheinlich mehr Hunde auffällig – wenn der Maulkorb unten ist, entlädt sich eventuell diese Spannung.

Strengere Bestimmungen oder gar eine Ausweitung der Rasseliste?

Die Rasseliste der „gefährlichen Hunde“ birgt eine große Gefahrenquelle: Vor allem Laien meinen dann, dass andere Hunde demnach nicht beißen, was ein jüngster Vorfall mit schwerer Verletzung eines Kindes mit einem Nicht-Listenhund aufzeigt – sowohl Eltern als auch Kindern wird eine „einfache“ aber falsche Gefahreneinschätzung vermittelt, mit dem Ergebnis, dass Nicht-Listenhunde als „die tun nichts und sind lieb“ pauschal eingestuft werden. Eine Ausweitung der Liste mit Rassen, die auffällig werden, ist fernab jeglicher Sinnhaftigkeit. Die Gefährlichkeit von Hunden ist nicht an der Rasse festzumachen, auffällig wird das Individuum (häufig weil der Mensch am anderen Ende der Leine fahrlässig handelt).

Doch weder Rasseliste noch Maulkorbpflicht würden die meisten Bisse verhindern, die geschehen nämlich im familiären Umfeld. Erwachsene sollten ihren Kindern daher einen respektvollen, harmonischen und damit sicheren Umgang mit Hunden vermitteln. Einige Grundlagen zum Ausdrucks- und Lernverhalten von Hunden sind absolut nötig: Wissen schafft Sicherheit! Es gibt inzwischen verschiedene Bücher die das Thema Kind und Hund altersgerecht thematisieren.

Hund und Kind miteinander, sodass genügend Möglichkeiten bestehen einander auszuweichen. (Foto: © Nadja Weltzien)

Aufklärung sowie verpflichtende Schulungen für alle HundebesitzerInnen?

Es gibt viele bundesweite Kampagnen, die wichtige Verhaltensregeln thematisieren, wie beispielsweise Tempolimit beim Autofahren. Es wäre sehr wünschenswert, Ähnliches auch betreffend eines sicheren und tierschutzkonformen Umgangs zwischen Mensch und Hund durchzuführen. Mögliche Themen (beliebig erweiterbar) wären:

  • LäuferIn/Hund/… trifft Hund – sicheres Verhalten der LäuferIn und HundebesitzerIn oder zwischen HundebesitzerInnen
  • Eltern mit Kind treffen Hund – sicheres Verhalten der Eltern mit ihrem Kind und der BesitzerIn mit ihrem Hund
  • Wichtigste Grundregeln im Zusammenleben mit Hunden (und Kindern)

Wünschenswert wären auch verpflichtende Schulungen für zukünftige HundehalterInnen, um die Anschaffung eines Hundes aus falschen Motiven zu verhindern und wichtige Grundlagen bzgl. des tierschutzkonformen und sicheren Umgangs zu lehren. Ein Hundeführschein für alle Rassen, wenn der Hund bereits eingezogen ist, wäre ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung Bissprävention. Wichtig ist hier, es kann nicht oft genug betont werden, dass ein tierschutzkonformer Umgang gelehrt wird, abseits von „Sitz/Platz/Fuss/Aus“ am Hundeplatz, denn nur dies verschafft tatsächlich Sicherheit. Schließlich geht es hier nicht um militärischen Gehorsam sondern um ein sicheres Miteinander im Alltag: Dies bedeutet auch, dass der Hund lieber einmal zuviel als einmal zu selten eine Belohnung bekommt. Spaß vermindert Angst und Aggression! Tierschutzkonform arbeitende TrainerInnen sind beispielsweise hier zu finden: www.vetmeduni.ac.at, www.voeht.at, www.trainieren-statt-dominieren.de.

Hier ein paar Regeln für Begegnungen im öffentlichen Raum:

Was HundebesitzerInnen erfüllen müssen

  • Wissen um Grundlagen: Kein Hund beißt ohne dass nicht bereits im Vorfeld Warnsignale (siehe Grafik Eskalationsstufen) ausgesendet wurden. Es ist wichtig, dass man als BesitzerIn das Ausdrucksverhalten von Hunden kennt und dem eigenen Hund aus Situationen, die er bedrohlich wahrnimmt, heraushilft.

Eskalationsstufen von Aggressionsverhalten. Abstand bewirkt Deeskalation. (Grafik: https://teamschuleblog.wordpress.com)

  • Die Vor- und Abneigungen des eigenen Hundes kennen.
  • Den Hund nicht durch Situationen, die ihn ängstigen oder aufregen, zwingen.
  • Ausdrucksverhalten wie Knurren nicht bestrafen, sondern die Situation (vor allem für die Zukunft) so verändern, dass sich der Hund nicht mehr bedroht fühlt. Dies erhöht zudem das Vertrauen des Hundes in seine Menschen.
  • Vorausschauend Spazierengehen: Wird der Hund beim Anblick von anderen Hunden/Radfahrern/Kindern hektisch, zieht vermehrt an der Leine oder bellt, so sollte der Hund in ausreichend großem Abstand vorbeigeführt (Straßenseite wechseln) und mit einem Lieblings-Leckerchen belohnt werden. Am Besten ist es, in einem Moment auszuweichen, in dem der Hund noch möglichst ruhig ist. Hunde lernen über Assoziationen und erleben diese Situationen so von Mal zu Mal positiver, was Angst und Aggression vorbeugt.
  • Strafmaßnahmen wie Schimpfen, Leinenruck, Kneifen, Kicken usw. sind tierschutzrelevant und machen die Situation (vor allem für zukünftige Begegnungen) nur noch gefährlicher.
  • Tierschutzkonformer, gewaltfreier und belohnungsbasierter Umgang garantieren größtmögliche Sicherheit – dem Hund wird ein positives Gefühl vermittelt und deeskalierendes Verhalten wie Weggehen wird positiv verstärkt – mit Belohnungen in Form von Leckerchen.

Wie Nicht-HundebesitzerInnen handeln können

  • Ruhig bleiben, wenn sich ein Hund freilaufend nähert, stehen bleiben und seitlich drehen. Die Arme vor der Brust verschränken, um Schreckreaktionen zu vermeiden. Blick geradeaus, den Hund nicht direkt anschauen. „Zur Säule erstarren“!
  • Nicht im Vorbeigehen anfassen und damit den Hund erschrecken.
  • Als RadfahrerIn/LäuferIn/… darauf achten, nicht knapp und schnell an einem Hund vorbeizuflitzen, sondern das Tempo reduzieren und eventuell im Vorfeld den/die BesitzerIn auf sich aufmerksam machen, um ein Erschrecken zu vermeiden.
  • Hunde nicht einfach streicheln oder anfassen und auch Kinder darauf hinweisen. Hunde sind Lebewesen mit Bedürfnissen und keine Plüschtiere zum Streicheln oder Spielzeug.

 

Das sichere und konfliktfreie Miteinander funktioniert am besten, wenn gegenseitiger Respekt gezeigt wird. Bittet eine HundebesitzerIn eineN RadfahrerIn kurz langsamer zu werden, damit sie ihren Hund abrufen und ausweichen kann, so sollte dieser Bitte Folge geleistet werden. Zeigt umgekehrt eine LäuferIn Angst und bittet darum, den freilaufenden Hund anzuleinen, dann sollte der/die BesitzerIn dies respektieren und entsprechend handeln.

Ursula Aigner ist Zoologin, allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige für Hunde und Katzen, tierschutzqualifizierte Hundetrainerin, Ausbildung und Prüfung Hundeführschein Wien, Ausbildung und Prüfung NÖ-Sachkundenachweis.

Ursula Aigner ist als selbstständige Hundetrainerin vor allem mit unerwünschtem Verhalten von Hunden konfrontiert, sei es Aggressionsverhalten oder auch Jagdverhalten. In ihrer Arbeit ist ihr ein gewaltfreier und respektvoller Umgang mit Mensch und Hund wichtig, um langfristig positive Veränderungen zu erreichen – und vor allem zum gegenseitigen Verständnis zwischen Mensch und Hund beizutragen. Vor allem Umgang und Training von Langzeitsitzern oder gefährlichen Hunden (in Tierheimen) sind ihr ein Anliegen. Als Biologin ist sie zudem im Bereich Tierschutz für das Bundesministerium für Gesundheit tätig. Ursula Aigner ist aktives Mitglied verschiedener Netzwerke im Bereich Hundetraining und Tierschutz und ist immer offen für neue Herangehensweisen oder Lösungsmöglichkeiten. Daher sind Fortbildungen für sie selbstverständlich, um das Beste erreichen zu können – für Mensch und Tier.

www.canis-sapiens.at

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Ein Artikel von Ursula Aigner
veröffentlicht am 9.10.2018
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