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Von Tierfabriken zu Feldern: Pflanzen retten Klima und Tiere

Die Umstellung von agroindustrieller Tierindustrie auf pflanzenbasierte Landwirtschaft ist ein wichtiger Faktor im Kampf gegen die Klimakrise. Außerdem sorgt sie für ein lebenswertes Leben für die sogenannten “Nutztiere”. Wir haben mit DDr. Doris Schneeberger von Transfarmation Austria dazu ein Interview geführt.

Felder mit Mohnblumen und Weizen statt Futtermittelanbau für Tiermast (Foto: Pexels)

Was kann man sich unter Transfarmation vorstellen?

Transfarmation ist die Umstellung von einem wirtschaftlichen Betrieb, der Tiere hält zu einem landwirtschaftlichen Betrieb, der pflanzliche Produkte herstellt oder zu einem Lebenshof.

Und wie bringt man Landwirt*innen, die diese Höfe traditionellerweise betreiben, dazu, sich auf das Experiment einzulassen?

Transfarmation im europäischen Raum stammt aus der Schweiz, dort wird es seit Jahren erfolgreich umgesetzt. Transfarmation Austria ist aus einem meiner Forschungsprojekte zum Thema Lebenshöfe entstanden; dafür habe ich viele Leute interviewt und Feldforschung durchgeführt, auch bei den Kolleg*innen beim Hof Narr in Zürich. Dieses Forschungsprojekt hat gezeigt, dass das Wichtigste für eine Transfarmation die intrinsische Motivation der Landwirt*innen selbst ist. Somit motivieren nicht wir von Transfarmation Austria die Landwirt*innen, sondern die Landwirt*innen nehmen gegebenenfalls Transfarmationsberatung in Anspruch, wenn sie bereits die Motivation für eine Veränderung mitbringen. Oft ist das der Fall, wenn Landwirt*innen merken, dass diese bisher gewohnte Art, ihren Betrieb zu führen, für sie nicht mehr stimmig ist. Sie machen also zuerst einen individuellen Transformationsprozess durch, bevor sie ihren Betrieb verändern.

Zum Beispiel überwiegt die Empathie, wenn es darum geht, dass eines der Tiere geschlachtet werden soll, mit dem sie eine besonders enge Bindung haben. Sie tun sich dann schwer, dieses zum Schlachter zu schicken, und überlegen, welche Alternativen es gäbe. Öfters ist es auch der Fall, dass ein Landwirt eine Frau heiratet, die am Hof einzieht und den Anstoß für die Veränderung gibt, weil das Leid der Tiere schwer erträglich ist. Ein weiterer Fall, der gehäuft auftritt, bezüglich Transfarmation ist, wenn die junge Generation den Hof übernehmen soll, und die sich überlegt, wie sie einen Hof führen könnte, sodass dies mit ihren Werten übereinstimmt.

Und in diesem Moment können sie auf euch zugehen und euch bitten, diesen Prozess mitzugestalten und sie dabei zu begleiten.

Genau. Das Forschungsprojekt hat gezeigt, dass es in der Schweiz eine große Nachfrage nach Transfarmation gibt. Die Kolleg*innen dort haben bereits über 130 Höfe erfolgreich umgestellt. Das hat mich auf die Idee gebracht, dass es eigentlich auch eine Transfarmationsberatung in Österreich geben sollte.  Die Transfarmationsberater*innen in der Schweiz überprüfen, ob eine entsprechende ethische Motivation für die Veränderung gegeben ist, bevor sie den Beratungsprozess durchführen. Auch wir möchten mit jenen arbeiten, die diese individuelle Motivation haben und auf uns zukommen. Daher ist es wichtig, für unsere Zielgruppe sichtbar zu werden, damit unser Angebot überhaupt bekannt wird.

Schafe die aus der Milch-, Fleisch- und Wollproduktion gerettet wurden. © Rick Barrett, Ambitious Studio, Unsplash

Schafe die aus der Milch-, Fleisch- und Wollproduktion gerettet wurden (Foto: Unsplash, Rick Barrett, Ambitious Studio)

Ihr veranstaltet auch unabhängig davon, dass jemand konkret an euch herantritt, Reaching-out-Projekte, mit denen ihr Informationen in die landwirtschaftliche Öffentlichkeit streut.

Ja, wir werden auf verschiedene Weisen sichtbar. Etwa durch Medienarbeit, wie bei diesem Interview, das dann Leute lesen, die vielleicht selbst Landwirt*innen sind oder welche kennen. Auch auf Social Media sind wir aktiv oder waren auch schon mal im Fernsehen. Außerdem versuchen wir direkt bei den landwirtschaftlich tätigen Menschen präsent zu sein. So planen wir zum Beispiel Workshops in landwirtschaftlichen Hochschulen, mit denen wir die jungen zukünftigen Landwirt*innen erreichen, die einen Betrieb übernehmen werden. Wir leisten Bildungsarbeit in den Bereichen Ernährungswende, Agrarwende, pflanzliche Proteine, und Proteinwende. Mit diesen Themen regen wir den Diskurs in der Bevölkerung an und thematisieren, warum es aus vielen Gründen wichtig ist, mehr in Richtung pflanzliche Produkte zu gehen.

Felder mit Mohnblumen und Weizen statt Futtermittelanbau für Tiermast. © Pexels

Die Fakten gibt es, aber oft sind sie schwer zu vermitteln, ohne gleich als moralisierend hingestellt zu werden oder als Besserwisser*in. Wie schafft ihr es, mit dieser Hürde umzugehen?

Wir sind überzeugt, dass die Arbeit der Landwirt*innen zentral ist, weil sie die Menschen ernähren – uns ist die Wertschätzung gegenüber der Landwirtschaft sehr wichtig. Wir streben einen Diskurs auf Augenhöhe an und interessieren uns persönlich für die individuelle Lebensrealität der Menschen, die wir beraten. Landwirtschaftlich tätige Menschen haben erhebliches Fachwissen und leisten wichtige Arbeit für das Funktionieren einer Gesellschaft. Wenn wir keine Lebensmittel mehr hätten, hätten wir schnell ein relativ großes Problem. Wir haben es mit riesengroßen Herausforderungen wie zum Beispiel dem Klimawandel zu tun, die wir nur gemeinsam angehen können. Wir brauchen alle verfügbaren Kräfte, um gemeinsam an einem Strang zu ziehen.

Es geht also auch um kommunikatives Geschick. Nun noch zur Frage der Finanzierung. In der Schweiz und in Deutschland gibt es Förderungen für diese Art von Umstellung. Wie schaut das in Österreich aus?

In der Schweiz steht eine finanzkräftige Stiftung im Hintergrund. Ein Hof, der umstellt, erhält dadurch finanzielle Unterstützung. Die Forschung zum Thema Transfarmation hat aber gezeigt, dass der Faktor Finanzen oft gar nicht das größte Problem bei einer Umstellung sein muss. Über Lebenshöfe in Österreich habe ich erfahren, dass teils 75 Prozent der Einnahmen eines Hofs Flächensubventionen sind. Wenn man einen Lebenshof hat und die Flächen weiter bewirtschaftet, weil etwa Heu gemacht und das Gras gemäht wird, bleiben die Subventionen bestehen. Viele sehen das als schönen Weg, dass ihre Tiere bei ihnen bleiben und leben, und sie haben andere Einkommensströme, die dann zum Beispiel die weggefallenen Schlachtgelder ersetzen. Unser Ziel ist es, dass es nach einer Umstellung nicht nur den Tieren, sondern auch den Landwirt*innen besser geht und letztere auch wirtschaftlich ihre Situation verbessern konnten.

Wie viele Höfe dieser Art gibt es schon und seit wann gibt es diese Idee?

Es ist schwer zu sagen, wie viele transfarmierte Höfe es genau gibt. Die Idee gibt es schon länger als den Begriff. Auch früher gab es Leute, die gesagt haben: “Ja, ich übernehme den Hof, aber ich mache es anders. Ich baue etwa lieber direkt pflanzliche Proteine für den Menschen an, statt Tierfutter.“

Sojabohnen liefern hochwertige pflanzliche Proteine – direkt für Menschen zum Verzehr (Foto: Pixabay)

In den USA gibt es eine Organisation, Mercy for Animals, mit einer Unterorganisation Transfarmation USA speziell für die Transfarmationsberatung, ebenso in Deutschland, Australien oder Schottland. Das Thema poppt mehr und mehr auch in verschiedenen Ländern Europas auf.

In der Tierrechtsszene ist Transfarmation ebenso ein gewisser Trend, denn das Konzept der Transfarmation hat etwas Konstruktives und Verbindendes. In Großbritannien gibt es die Transfarmationsorganisation Vegan Supporting Farmers, die darauf setzt, dass vegane Menschen Landwirt*innen unterstützen. Dies überwindet gesellschaftliche Spaltungen.

Das hat etwas sehr Schönes, weil es gegen die Polarisierung ist und das Gemeinsame betont. Wie ist es in Österreich?

Es gibt einige Lebenshöfe mit toller Öffentlichkeitsarbeit, die vor allem auch online und auf Social Media stattfindet. Sie haben informative Websites, machen Videos und Podcasts. Es gibt Tage der offenen Tür, oft auch mit leckerem veganen Essen und Erklärungen über die Tiere. Man kann die Tiere kennenlernen, Patenschaften abschließen, mit den Leuten reden.

Ich empfehle allen, Lebenshöfe selber zu besuchen oder vielleicht sogar ein Tier als Patentier zu übernehmen. Das ist eine tolle Erfahrung, ein Teil dieser Vision einer friedvollen Zukunft zwischen Mensch und Tier zu werden. Es gibt verschiedene Höfe mit verschiedenen Tieren in Österreich, und wir hoffen natürlich, dass es immer mehr werden und dass diese Bewegung wächst. Alternativ kann man auch direkt Transfarmation Austria unterstützen, entweder durch ehrenamtliche Mitarbeit oder Spenden. Als NGO sind wir natürlich auf Spendengelder angewiesen.

Was sind die besten Argumente, um neue Leute auf dieses Thema aufmerksam zu machen, sodass sie sich ein bisschen damit beschäftigen?

Man braucht Empathie für das Gegenüber: Wer ist dieser Mensch und was ist dem vielleicht wichtig? Wenn ich mit einer fitnessorientierten Person spreche, die großen Wert auf die eigene Gesundheit legt, kann ich über gesunde Ernährung reden, Studien zu pflanzenbasierter Ernährung nennen und Gesundheitsargumente diskutieren. Bei einer Person, die philosophisch aufgeschlossener ist, kann ich mit tierethischen Überlegungen argumentieren. Oder ich spreche mit einer Person, die einfach kulinarisch interessiert ist: die lade ich ein, mit mir einen veganen Kuchen zu essen. Die Vorteile einer pflanzlichen Ernährung sind so vielfältig, dass man für jede*n einen passenden Ansatz für ein Gespräch darüber findet.

Vielen Dank für das Gespräch!

Doris Schneeberger hat Philosophie sowie Amerikanistik und Anglistik an der Universität Salzburg studiert und dort auch ihre philosophische Dissertation über mögliche zukünftige UN-Tierrechtskonventionen verfasst. Aktuell ist sie als Universitätsassistentin an der Wirtschaftsuniversität Wien tätig und forscht dort zum Thema nichtmenschliche Tiere in Organisationen. Neben ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit ist Doris Schneeberger als Psychotherapeutin in freier Praxis tätig und möchte mit Transfarmation Austria die Agrar- und Ernährungswende voranbringen.

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Ein Artikel von Susanne Karr
veröffentlicht am 4.09.2024
Als Philosophin und Journalistin beschäftige ich mich mit der Verbundenheit von menschlichen und nichtmenschlichen Lebewesen. Darum geht es auch in meinem Blog www.aureliapangolini.com

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