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Wie umweltfreundlich sind Naturtextilien? Interview mit Romana Massong

RomanaMassongBiostoffe
Auf eine ressourcenschonende Herstellung von Textilien zu achten ist vielen KonsumentInnen wichtig. Daher greifen einige zu Naturtextilien. Aber wie umweltfreundlich sind diese wirklich? Dazu haben wir Romana Massong befragt. Sie ist Geschäftsführerin des Stoffgeschäfts biostoffe.at in Wien.
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Fair und ökologisch Nähen ist bei Romana Massong bei Biostoffe.at möglich. (Foto: © Sabine Ivankovits)

Der Ethik.Guide listet in der Kategorie Heimtextilien und Möbel Anbieter von tierleidfreien Biotextilien für Schlaf- und Wohnraum, Küche und Bad sowie von nachhaltigen Stoffen und Strickgarnen.

Welche Naturtextilien sind aus veganer und umweltfreundlicher Sicht problematisch?

Aus veganer Sicht sind natürlich zunächst alle Materialien problematisch, die aus tierischen Rohstoffen hergestellt werden: Tierwolle bzw. -haare, Leder, Seide, Bienenwachsbeschichtungen.

Naturtextilien, die aus nicht-tierischen Rohstoffen hergestellt werden (Baumwolle, Hanf, Leinen usw.) gelten gemeinhin als vegan. Streng genommen können aber auch diese im Produktionsprozess mit tierischen Produkten in Kontakt kommen.

Baumwolle ist der am häufigsten verwendete nicht-tierische Rohstoff für Textilien, leider aber auch einer der größten Umweltsünder. Biologisch angepflanzte Baumwolle, die im besten Fall auch noch unter fairen Bedingungen geerntet und fair und schadstofffrei weiterverarbeitet wird, schneidet besser ab als konventionelle. Ein sehr hoher Wasserverbrauch und lange Transportwege werden aber auch damit nicht verhindert. Aus umweltfreundlicher Sicht sind daher alternative Materialien wie Leinen und Hanf zu bevorzugen. Aktuell machen diese aber noch einen sehr geringen Anteil aus. Sie sind allerdings im Vormarsch, was wir auch deutlich am Angebot unserer Lieferanten merken.

Sind Textilien überhaupt vegan?

Stoffe, die keine Rohstoffe tierischen Ursprungs beinhalten, werden sehr gerne als „vegan“ beworben. Ich habe das Thema vor ein paar Jahren recherchiert und herausgefunden, dass auch bei Stoffen aus Naturfasern während des Produktionsprozesses oft tierische Hilfsmittel zum Einsatz kommen. Mit absoluter Sicherheit kann das aber kaum ein Hersteller bestätigen oder ausschließen, weil viele Hilfsstoffe diesbezüglich nicht bis in Detail deklariert werden.

Wo werden in der Produktion eventuell tierische Inhaltsstoffe verwendet?

Ich habe viele unserer Lieferanten über die Verwendung tierischer Inhaltsstoffe befragt. Leider kann diese niemand mit absoluter Sicherheit ausschließen. Tierische Fette kommen zum Beispiel in der sogenannten Schlichterei zum Einsatz. Dort werden die Garne vor der Weiterverarbeitung eingefettet. Bei gewebten Stoffen wird das häufiger gemacht, bei Strickstoffen (Jersey usw.) ist es unwahrscheinlicher. Theoretisch können tierische Bestandteile auch beim Färben zum Einsatz kommen, meist werden aber synthetische Farben verwendet.

Viele KonsumentInnen glauben, dass Bambus-Viskose umweltfreundlich ist – stimmt das?

Nein, Bambus-Viskose ist nicht per se umweltfreundlich. Sie kann es sein, ist es in den meisten Fällen aber nicht. In den letzten Jahren sind viele neue Viskose- und viskoseähnliche Materialien, so genannte Regeneratfasern, auf den Markt gekommen. Sie alle haben gemeinsam, dass natürliche Rohstoffe wie zum Beispiel Buchenholz oder eben Bambus, chemisch so aufbereitet werden, dass daraus eine textile Faser gewonnen werden kann. Im Unterschied zu Baumwolle, Flachs oder tierischer Wolle liefern Bäume ja nicht unmittelbar spinnbare Fasern. Sie sind daher auch nicht den Naturtextilien zuzuordnen. Oft werden sie als „natürliche Kunstfaser“ bezeichnet.

Aufgrund der natürlichen und oft sehr ressourcenarm wachsenden Rohstoffe (Bambus wächst ja sehr schnell und einfach) klingt das zunächst sehr nachhaltig. Wesentlich ist jedoch, wie der chemische Prozess abläuft, mit dem dann die Zellulose gewonnen wird, die zur Faserproduktion benötigt wird. Dieser ist per se nicht umweltfreundlich, im Gegenteil. Es kommen sehr viele schädliche Chemikalien zum Einsatz, die am Ende entsorgt werden müssen.

Die österreichische Firma Lenzing hat ein Verfahren entwickelt, bei dem die verwendeten Chemikalien rückgeführt werden und so ein geschlossener Kreislauf entsteht. Die so gewonnenen Fasern sind zum Beispiel unter den Namen „Lenzing Modal“, „Tencel“ oder „Ecovero Viscose“ am Markt erhältlich.

Bambus wird von Lenzing nicht verarbeitet. Bambusviskose stammt meines Wissens überwiegend aus Asien. Uns ist leider kein Hersteller bekannt, der Bambusviskose auf umweltschonende Weise herstellt. Wir haben diese daher nicht in unserem Sortiment.

Die Produktion von Viskose ist nicht sehr umweltfreundlich, im Gegenteil. Es kommen sehr viele schädliche Chemikalien zum Einsatz, die am Ende entsorgt werden müssen. (Foto: pixabay, Engin_Akyurt)

Hanf wird gerne als „nachhaltiger Rohstoff der Zukunft“ angepriesen. Ist die Pflanze wirklich so gut wie ihr Ruf?

Der gute Ruf von Hanfstoffen beruht vor allem darauf, dass Hanf eine Pflanze ist, die unter geringem Ressourcenverbrauch gut gedeiht und ein Einsatz von Pestiziden kaum oder gar nicht nötig ist. Zudem kann Hanf – im wesentlichen Unterschied zu Baumwolle – auch in Europa bzw. kühleren Gebieten gepflanzt werden. Insofern ist der gute Ruf von Hanfstoffen durchaus berechtigt.

Ein Punkt, den man aber im Auge behalten sollte, ist die Tatsache, dass ein sehr hoher Anteil an Hanftextilien aus Asien, insbesondere China, stammt. Aufgrund dort herrschender Standards kann dies zum Beispiel hinsichtlich Schadstoffen in Färbemitteln oder Arbeitsbedingungen in den Fabriken problematisch sein. In jedem Fall sind mit Textilien aus Asien weite Transportwege verbunden. Wir empfehlen daher bei Hanfstoffen auf europäische Herkunft oder zumindest nachweislich faire Produktion, wenn sie aus Asien stammen, achten.

Welche Tipps haben Sie für KonsumentInnen, die möglichst umweltfreundliche Textilien tragen/verwenden möchten?

Betreffend Umweltschutz muss man ganz ehrlich sagen, dass die umweltfreundlichsten Textilien die sind, die gar nicht erst hergestellt werden. Kleidung so lange wie möglich zu tragen, nicht jeden Modetrend mitzumachen und auf Second Hand zurückzugreifen, schützt die Umwelt am meisten. Hier besteht leider mitunter auch ein kleiner Widerspruch zwischen vegan und umweltfreundlich. Gerade tierische Materialien stechen mit sehr langer Haltbarkeit und geringer Pflegebedürftigkeit hervor, sodass eine solide Jacke aus Wolle aus kontrolliert biologischer Tierhaltung ökologisch wahrscheinlich besser abschneidet als ein Produkt aus Baumwolle oder Synthetikfaser.

 

Vielen Dank Frau Massong für das interessante Gespräch!

Über die Interviewte

Romana Massong ist Gründerin und Inhaberin des ersten Einzelhandelsbetriebes mit Biostoffen in Österreich. Ihre Vision eines Stoffgeschäftes, dass ausschließlich fair und ökologisch produzierte Stoffe und Nähzubehör anbietet, hat sie 2013 ins Leben gerufen. Die Pionierin hat so nicht nur sich selbst, sondern auch vielen KundInnen einen Traum erfüllt.

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Ein Artikel von Katharina Geschray
veröffentlicht am 26.10.2021
Blogautorin und Publizistik-Studentin mit Leidenschaft für Umweltbewusstsein
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