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Die innere Dimension der Nachhaltigkeit – Interview mit Julia Buchebner

Dipl.-Ing. Julia Buchebner ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich globaler Wandel und Nachhaltigkeit an der Universität für Bodenkultur in Wien. Als Bloggerin und Meditationslehrerin lehrt und forscht sie an der Schnittstelle zwischen Achtsamkeit und Nachhaltigkeit. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, die Menschen zum inneren Wachsen und äußeren Wirken zu inspirieren, um ein Leben im Einklang von Mensch, Tier und Natur ermöglichen. Wir haben ihr ein paar Fragen gestellt, um mehr über sie und ihre Arbeit zu erfahren.

Julia Buchebner lehrt und forscht an der Schnittstelle zwischen Achtsamkeit und Nachhaltigkeit (Foto: ©ninaromana – fine design)

Im Ethik.Guide, dem Einkaufsführer für fairen und nachhaltigen Konsum, findest du in der Kategorie Dienstleister & Sonstiges jede Menge Anbieter in den Bereichen Veggie-Kochkurse und Ernährungsberatung, nachhaltige Reisen, Merchandising und Hotellerie sowie ökologische Druckereien.

In deinem erst kürzlich gemeinsam mit Stefan Stockinger veröffentlichen Buch „Innen wachsen. Außen wirken“ beschreibt ihr eine neue Art von Lösung für die Gestaltung einer nachhaltigen Welt. Wie sieht diese Lösung aus?

Unser Buch handelt von der inneren Dimension der Nachhaltigkeit. Im Unterschied zu klassischen Nachhaltigkeitsbüchern, in denen meist äußere Maßnahmen wie politische Gesetze oder technologische Innovationen gefordert werden, handelt unser Buch von einem tieferen Bewusstseinswandel, der in uns selbst stattfinden muss. Wir beschreiben innere Mechanismen wie Werte, Emotionen oder Weltbilder, die unser Verhalten maßgeblich beeinflussen, sowie mentale, emotionale und spirituelle Aspekte, die am Weg in eine nachhaltige Zukunft entscheidend sind. Wir sind davon überzeugt, dass wir durch mehr Innenschau, mehr Bewusstsein, mehr Achtsamkeit eine nachhaltige Kehrtwende schaffen können. Denn unserer Ansicht nach ist die Welt im Außen lediglich ein Spiegel für den Zustand unserer inneren Welt. Die Betrachtung der Innenwelt, das Verbinden von Wissen und Weisheit, von Kopf und Herz, das ist unser Ansatz.

Wie bist du zu diesem Ansatz gekommen? Wie war dein Weg zur Nachhaltigkeit und Achtsamkeit?

Ich bin seit über 10 Jahren beruflich im Nachhaltigkeitsbereich tätig, unter anderem an der Universität für Bodenkultur Wien. Gleichzeitig bin ich seit früher Jugend an spirituellen Themen interessiert und habe auch eine Ausbildung zur Meditationslehrerin gemacht. Ich spürte schon immer, dass Nachhaltigkeit und Achtsamkeit zusammengehören und dass in unserem Inneren ein wahrer Schlüssel für eine zukunftsfähige Gesellschaft liegt. Vor einigen Jahren habe ich mich dann theoretisch wie praktisch in das Thema vertieft.

Welche Verbindung siehst du zwischen innerer Achtsamkeit und nachhaltigem Verhalten? Wie kann Achtsamkeit unsere Konsummuster beeinflussen?

In der wissenschaftlichen Literatur werden mehrere Zusammenhänge zwischen Achtsamkeit und Nachhaltigkeit beschrieben. Zum einen sind achtsame Menschen weniger gefährdet, ihr Glück im Konsum, in materiellen Dingen zu suchen, weil sie eine Quelle des Glücks in sich selbst gefunden haben und dadurch weniger auf eine Kompensation im außen angewiesen sind. Zum anderen festigt Achtsamkeit die eigenen Werte, was bedeutet, dass wir weniger beeinflussbar sind z.B. durch Werbung und dadurch viel selbstbestimmter unseren eigenen Weg gehen können. Auch prosoziales Verhalten sowie Gefühle von Mitgefühl und Verbundenheit werden durch Achtsamkeitspraktiken gefördert. Das alles kommt natürlich dem Nachhaltigkeitsverhalten zu Gute.

Wie kann auch das Tierwohl von diesem Ansatz profitieren? Siehst du einen Zusammenhang zwischen Achtsamkeit und dem Verhalten gegenüber Tieren?

Ich bin schon lange der Meinung, dass wir eine „Ethik des Herzens“ brauchen, wenn wir uns zukunftsfähig entwickeln wollen. Die Ethik des Herzens ist jener Teil in uns, der versteht, dass alles Leben heilig und wertvoll ist, dass jedes Lebewesen eine Würde, einen unantastbaren Wert hat. Und sie ist auch jener Teil in uns, der genau nach diesen Prinzipien handelt. Ich bin davon überzeugt, dass uns Innenschau und Achtsamkeit helfen können, die Ethik des Herzens zu erwecken.

Was empfiehlst du unseren LeserInnen, um sich ethisch gegenüber Mensch, Tier und Natur zu verhalten?

Mach dir bewusst, wie innig du mit der Natur verwoben bist. Wie abhängig du bist vom Sauerstoff der Bäume, von frischem Wasser, von der Sonne, von den Böden, die unsere Nahrung hervorbringen. Du bist ein Kind der Erde und zutiefst abhängig von dem, was sie uns tagtäglich bereitstellt. Wenn wir das verinnerlichen, dann entstehen Dankbarkeit und Demut. Und aus dieser Haltung heraus agieren wir ganz natürlich und selbstverständlich zum Wohle des großen Ganzen.

Viele sagen ja, Meditation und Achtsamkeit, das ist nichts für mich. Wie können diese Personen eine innere Transformation in Richtung Nachhaltigkeit erfahren?

Ein altes Sprichwort sagt: „Es gibt so viele Wege zu Gott, wie es Menschen gibt“. Für mich heißt das, jeder Mensch ist eingeladen, seinen ganz eigenen Weg nach innen zu finden. Für manche ist es die Meditation, für andere ist es der Anblick eines Berggipfels, der sie ins Staunen versetzt. Für andere ist es das tiefgehende Gespräch mit Freunden, wo sie neue Facetten ihres Selbst entdecken. Und wieder anderen fällt ein Buch in die Hand, das sie inspiriert und innerlich verändert. Kein Weg ist besser oder schlechter. Letztlich geht es darum, wieder bei sich selbst anzukommen. Wie man das erreicht, ist jedem selbst überlassen.

Konntest du bei dir persönlich eine Veränderung in Konsummustern, nachhaltigem Verhalten, Lebens- und Ernährungsstil beobachten, seit du dich mit achtsamen Praktiken beschäftigst? Wenn ja, welche?

Nachdem ich mich schon seit meiner Jugend mit Achtsamkeit und Nachhaltigkeit beschäftige, kann ich das nicht wirklich beurteilen. Aber ja, bestimmt bin ich bewusster geworden über die Zeit, und heute würde ich mein Verhalten größtenteils als nachhaltig bezeichnen. Aufgefallen ist mir in letzter Zeit, dass ich selbst Insekten gegenüber eine gewisse Empathie empfinden kann, das war früher nicht so. Ich bringe sie also lieber nach draußen, anstatt sie in der Wohnung verenden zu lassen. Wie sagte es Albert Schweitzer einst so schön: „Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will“.

Wie schaut dein Alltag aus? Wie bindest du Achtsamkeitsübungen in dein Leben ein?

Meine Achtsamkeitspraxis ändert sich immer wieder. Es gibt Zeiten, da meditiere ich täglich, weil ich das innerlich brauche. Dann gibt es Zeiten, wo das weniger stark ausgeprägt ist. Momentan arbeite ich sehr viel, weil wir ein Buch veröffentlicht haben und das mit vielen Aufgaben verbunden ist. Ich meditiere derzeit also nur etwa einmal pro Woche, dafür dann aber 1 Stunde oder länger.

Veranstaltest du auch Workshops, wo man sich selbst mal in diese ganz neue Lösung für ein nachhaltiges Leben hineinfühlen kann?

Ja, gemeinsam mit meinem Partner Stefan haben wir „die Zukunftsalchemisten“ gegründet, wo wir Vorträge, Retreats, Seminare und Workshops zu innerer Transformation und zur inneren Dimension der Nachhaltigkeit anbieten. Dabei geht es uns darum, Menschen zu ermutigen, in ihre wahre Wirkmacht zu kommen und selbst Teil der Lösung zu werden. Wir sind gerade im Aufbau, aber die ersten Formate stehen bereits. Einfach auf die Website schauen, wir würden uns freuen!

Gibt es eine kleine Übung für zuhause, um sich selbst dem Thema Achtsamkeit anzunähern und es gleich mal bei sich auszuprobieren?

Viele AchtsamkeitslehrerInnen empfehlen, mit der einfachen „Atembeobachtung“ zu beginnen, also etwa 5 Minuten lang zu versuchen, die Aufmerksamkeit ganz bei der Atmung zu lassen und den Atemfluss einfach nur wahrzunehmen. Ich persönlich kann geführte Meditationen sehr empfehlen, weil man sich gerade als Neuling mit einer Anleitung womöglich leichter tut. Auf Youtube gibt es unzählige geführte Meditationen, da wird man bestimmt fündig. Auch ich habe dort auf dem Kanal „Lia – Love in Action“ einige Meditationen hochgeladen.

 

Vielen Dank an Julia Buchebner für das Interview!

Zur Interviewten

Julias Leben ist stark von den Themen  Spiritualität und nachhaltige Entwicklung geprägt.

Über die 10-jährige Tätigkeit im Bereich globaler Wandel, CSR und Nachhaltigkeit und die 8 Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin an einer Wiener Universität konnte sie sich intensiv mit der Nachhaltigkeitscommunity auseinandersetzen.

Mit 16 begann sie sich für das Thema Spiritualität zu interessieren und besuchte zahlreiche Bewusstseinsseminare. Dabei entwickelte sich die eigene Innenschau als große Leidenschaft von Julia. Bis heute spielt Meditation eine wichtige Rolle in ihrem Leben. Sie verbrachte viel Zeit in verschiedensten Klöstern und Ashrams in Indien und Europa. 2015 absolvierte sie die Ausbildung zur Meditationslehrerin bei Dr. Eckhart Wunderle.

Auf ihrem gesamten Weg leitete sie stets der Wunsch und das Ziel, Menschen zu inspirieren, damit sie die Schönheit der Welt erkennen und die Liebe zu ihr in sich selbst entdecken.

(Foto: ©ninaromana – fine design)

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Ein Artikel von Denise
veröffentlicht am 14.10.2021
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