Kunst als Weckruf
Ohne Sauerstoff kein Leben! Ohne Wälder, ohne Pflanzen und Tiere sind Menschen dem Untergang geweiht. Das ist keine Übertreibung. Wie wichtig eine – einigermaßen – intakte Umgebung für das Überleben ist, möchte die Klimabiennale ins Bewusstsein bringen. Dazu dienen Ausstellungen, Workshops und Diskussionsveranstaltungen. Ebenso gibt es Exkursionen und Meditationen, ein Aktivismuscamp, ein Kurzfilmfestival und Design with a Purpose.
Kunst als Zugang
Vor allem Kunst kann überraschende neue Wahrnehmungen anregen. Die beiden Ausstellungen Songs for the Changing Seasons im Festivalareal Nordwestbahnhof und „Into the Woods“ im Kunst Haus Wien zeigen Positionen internationaler Künstler*innen. Es werden vielfältige Perspektiven deutlich – etwa in Bezug auf unterschiedliche Gegenden.
So zeigt Thao Nguyen Phan in ihrem Video Becoming Alluvium über den Mekong Fluss eine philosophisch-mythische Hommage an die lebendige Kraft des Wassers und die Veränderungen, die mit der Übernutzung von Flüssen einhergehen.
Welche Perspektivveränderungen sich ergeben, wenn man die Artengrenze überschreitet, zeigt das Rotterdamer Studio Ossidiana. Es konstruiert aus Sicht von Vögeln und hat zahlreiche kunstvolle Konstruktionen für Vögel entwickelt. Z.B. Posten, wo sie landen können auf dem Durchzug oder Schutz finden. Mit Werken wie dem Taubenturm, der schon bei der Biennale in Venedig ausgestellt war, fordern die Künstler*innen uns zu einer ganz neuen Sichtweise auf. Lin May Saeed stellt in ihren feinteiligen Bild-Skulpturen Sea Dragon Relief und Bee Relief/The Liberation of Animals from their Cages VII die Unterwerfung von Tieren infrage. Zugleich inspiriert sie zu deren Befreiung und eine neue Art des Zusammenlebens mit den Menschen.
Beeindruckend ist auch die Visualisierung der biochemischen Prozesse im Wald. Die Künstler*innen Rasa Šmite & Raitis Šmits aus Riga veranschaulichen diese mittels ausgewerteter Scans und Datenanalysen zu Temperatur, Humidität und Emissionen. Zusätzlich kann man im Atmospheric Forest mit einer VR-Brille durch den Wald schweben, zwischen Zweigen und geheimnisvollen Lichtpunkten, die aus der Visualisierung der umherfliegenden Botenstoffe stammen.
Die hier genannten Werke sind hier nur exemplarisch herausgegriffen, es gibt zahlreiche weitere eindrucksvolle und berührende künstlerische Statements zu erkunden.
Mensch ist nicht zentral
Kunst hat die Kraft, Wissen fühlbar zu machen und uns aufzurütteln. Viele Werke verdeutlichen, dass ein Wandel in unserem Verhalten unerlässlich ist. Die Präsentationen betonen, dass wir uns unserer Abhängigkeit von der Umwelt bewusster werden müssen. So wird die anthropozentrische Sichtweise hinterfragt, also die Ansicht, die alles nur aus der Perspektive des Menschen beurteilt und optimieren will uns die Natur lediglich als Rohstofflager betrachtet.
Emotionale Betroffenheit
Die Fakten sind uns bekannt – sei es die massenhafte Abholzung im Amazonasgebiet oder die Bedrohung des Lobau-Gebiets durch Straßenpläne. Oder die Zerstörungen im Hambacher Forst I Deutschland zugunsten einer umweltschädlichen Industrie. Und obwohl dies bekannt ist, werden Menschen meist erst aktiv, wenn sie emotional angesprochen werden. Das gelingt oft besser durch Kunst und Literatur als durch wissenschaftliche Beschreibungen. Um eine Botschaft zu vermitteln, müssen Gefühle angesprochen werden. Genau darauf zielen die Ausstellungen ab, und sie sind erfolgreich damit. Ein Kritikpunkt ist allerdings, dass das Catering so tut, als könne alles so bleiben, wie es ist. Ein Blick in die Speisekarte lässt nicht vermuten, dass man sich auf einem Event befindet, das Umdenken für Umwelt, Agrarindustrie und mehr Bewusstsein fordert.
Faktenbasierte Ansätze
Doch auch datenbasierte Vermittlung kommt im Gesamtprogramm der Klimabiennale nicht zu kurz. Etwa im Klimapuzzle im Volkskundemuseum. Praktisches Wissen vermitteln auch die Fragestellungen der Schau Critical Consumption im Museum für Angewandte Kunst. Ausgehend von Fast Fashion wird hier reflektiert: „Welchen Wert hat unsere Kleidung?“ oder „Wer kann sich Konsumverweigerung überhaupt leisten?“ Der Umgang mit Mode als Konsumgut dient als Beispiel für viele andere Bereiche.
Mensch gehört zur Natur
Fazit: Es wird ohne ein radikales Umdenken nicht funktionieren. Was müssen wir machen, damit es anders wird? Die Klimabiennale bietet Zugänge, die aktuellen Probleme zu formulieren, zu interpretieren und zu verkleinern. Aus den verschiedenen Veranstaltungen geht klar hervor, dass jede und jeder Verantwortung für den Umgang mit der Welt, ihren Lebewesen und letztlich sich selbst trägt. Schließlich bezieht sich das Bestreben nach mehr, schneller, höher, weiter auch auf die eigene Selbstoptimierung. Dieses mechanistische Denkmodell passt aber nicht zu lebenden Systemen. Weder zur sogenannten “Natur”, zu der Menschen sich meist als Gegensatz oder Ausnahme sehen. Noch zum menschlichen Dasein selbst, dass tief innerlich – naturgemäß – eine Verbindung zum gesamten Sein hat. Menschen sind Teil der Natur. Das ist nicht esoterisch, sondern logisch.
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