Liebe auf das erste „Sitz“ – Unterwegs mit Bodie
Belinda Jones (Jahrgang 1967) hatte das heimatliche England verlassen, um an der sonnigen Küste Kaliforniens als Journalistin und Autorin durchzustarten. Nebenbei half sie ehrenamtlich in einem Katzenheim beim Pflegen der dankbaren Samtpfoten mit. Zentral in ihrem Leben war allerdings die Beziehung zu Nathan, einem US-Militär. Wie das Schicksal so spielte, wurde der Geliebte ans andere Ende der USA abkommandiert. Für Belinda hieß das einsame, unerfüllte Stunden, Tage, Wochen, Monate.
„Chewbacca auf allen vieren“ gesucht
Um das durch die Fernbeziehung entstandene emotionale Vakuum mit greifbaren positiven Gefühlen aufzufüllen, beschloss Belinda es mit einem Hund als dauerhaften Begleiter zu versuchen. Völlig unerfahren auf diesem Gebiet, surfte sie durchs Internet mit dem Wunsch nach einem Chow-Chow. Am besten wäre ein „Chewbacca auf allen vieren“. Doch das Glück kam in anderer Gestalt und hörte auf den unprätentiösen Namen Bodie, seines Zeichens Mischling durch und durch. Bodie war durch die Straßen von South Central L.A. gestreunt – eine Gegend, die für Armut und Gewalt bekannt ist.
60% der aufgegriffenen Streuner reihen sich in Los Angeles in die Euthanasiestatistik ein, und Bodie entkam diesem traurigen Los nur um Haaresbreite, da er von Pflegefamilie zu Pflegefamilie weitergegeben worden war. Auf St. Patrick’s, am 17. März, fiel sein Glückstag. Da nahm ihn Belinda bei sich auf. Der unaufdringliche, charmante Kerl hatte es der Schreiberin angetan. Liebe auf das erste „Sitz“.
Mehr noch. Bald schon fand Bodie bei Winnie, der Hündin von Belindas Freundin, seine Traumfähe, mit der er bis zur freudigen Erschöpfung herumtollte. Der körperliche Unterschied spielte dabei keine Rolle: Winnie wog als Mastiff gut 35 kg mehr. Bodie war verzückt von der großen Freundin. Als Winnie nach Portland umzog, hatte er ebenso Liebeskummer wie Belinda. Das Band der beiden auf emotionaler Ebene wurde noch fester, denn die jeweiligen Herzallerliebsten waren weit weg.
Roadtrip zum Glück
Belinda fasste sich ein Herz und einen Plan, machte ein paar Reservierungen, packte Bodie in den Leihwagen – und ab ging’s von L.A. gegen Norden. Immer den Pacific Coast Highway entlang; von einer hundefreundlichen Destination zur anderen. Schnell fühlte sich Belinda „im Flow“, als „Wundersucherin“. Auch Bodie genoss das Ganze, von ein paar Irritationen abgesehen, immer mehr. Er stieg in Luxushotels mit Hundekomfortangeboten ab, lief am Meeresstrand, buddelte im Sand und genoss die Zweisamkeit mit Belinda ebenso wie neue Kontakte zu Artgenossen.
In Carmel, der vielleicht hundefreundlichsten Stadt der USA, ließ Belinda extra für ihn eine biologische Duftnote kreieren, Kennel Nr. 5. Bei anderen Stopps wurde ihm eine Masseurin oder ein Tiermedium zuteil. Allerlei Wundersames und auch Wunderliches fand statt. Belinda hatte ebenso ihren Spaß, etwa im Snoopy-Museum von Santa Rosa. Als LeserIn erfährt man zudem viele amüsante Anekdoten. Mir gefiel besonders jene aus Sunol. In dieser kalifornischen Stadt amtierte von 1981-1994 ein gewisser Bosco Ramos als Bürgermeister. Na und, werden Sie fragen. Worauf ich antworte: Bosco war ein schwarzer Labrador-Rottweiler-Mix, der seine weißen zweibeinigen Herausforderer bei der Wahl besiegt hatte. Liebenswert schräg!
Ebenfalls toll: In San Francisco gibt es semantisch gesehen keine Hundebesitzer, sondern nur „Erziehungsberechtigte“ für Hunde.
Für all jene, die Bodie bis hierher die Daumen gedrückt haben, kommt jetzt die Erleichterung. Sie dürfen durchatmen. Natürlich sah er seine geliebte Winnie wieder, doch erst nachdem er in Portland in einem Fünf-Sterne-Hotel logiert hatte.
Auch der Rückweg von Oregon nach L.A. war voller interessanter Stationen. Salinas z.B., der Geburtsort des Literaturnobelpreisträgers John Steinbeck. Der Schriftsteller war ein großer Hundefreund und reiste im alten Wohnmobil mit seinem Pudel von Ost nach West, Süd bis Nord, 16.000 km durch die Vereinigten Staaten. 1962 veröffentlichte er diesen monumentalen Roadtrip als „Die Reise mit Charley“. Danke für diesen Lesetipp, Bodie.
Liebeserklärung an Bodie
Nicht alles, was Belinda Jones mit ihrem vierbeinigen Reise- und Lebensbegleiter unternahm, finde ich gut oder hundegerecht. Sie probierte vieles und griff auch mal daneben. Was bei Weitem überwiegt: Das Buch ist sehr einfühlsam und witzig geschrieben, und die Idee des Roadtrips zu neuen Erfahrungen, zu neuem Glück wunderbar.
„Dieser pelzige Kerl ist alles, von dem ich nicht wusste, dass ich es wollte oder brauchte. Und so viel mehr.“, sinniert Belinda nach über 3.000 km Tour mit Bodie. Worte, die man gerne öfters liest, um sie in ihrer Schönheit wirken zu lassen.
Mittlerweile hat das dynamische Duo nicht nur Kalifornien und Oregon, sondern insgesamt 30 US-Staaten bereist. „Schöne Momente umarmen, und sie im Inneren mitnehmen“, ist das Ziel der beiden. Auf der Website www.bodieontheroad.com kann man daran Anteil haben.
Mein innerer Nomade wurde geweckt
„Unterwegs mit Bodie“ nimmt ab nun einen besonderen Status in meiner Bibliothek ein, führt das Buch doch vor Augen, wie schön, abwechslungsreich und erfüllend eine Mensch-Tier-Beziehung sein kann, eine Win-Win-Situation für beide Seiten. Und es macht die Reiselust noch stärker in mir, der innere Nomade wurde geweckt.
Unterwegs mit Bodie
Eine Frau, ein Hund, eine Reise, ein neues Leben
Belinda Jones
Benevento Verlag (2018)
312 Seiten
16,00 €
ISBN: 978-3710900358