Österreich – Wiege des Sojaanbaus im Westen
Schon Marco Polo speiste Soja
Die Sojapflanze ist im ostasiatischen Raum beheimatet und eine alte Lady unter den Kulturpflanzen: Bereits um 2800 v.d.Z. gibt es eine Erwähnung in einer chinesisch-kaiserlichen Schrift.
Der Venezianer Marco Polo gehörte wohl zu den wenigen Europäern, der auf seiner großen Handelsreise durch Asien Mitte des 13. Jahrhunderts Sojagerichte gegessen hat. Wirklich bekannter wurde die eiweißreiche Hülsenfrucht in unseren Breiten erst im 18. und 19. Jahrhundert: Der deutsche Stabsarzt und Mediziner Engelbert Kaempfer (1651-1716) war der erste Europäer, der die Bedeutung der Sojabohne für die menschliche Ernährung beschrieb und die erste veröffentlichte Zeichnung anfertigte. Der Botaniker Carl von Linnée fügte die Sojapflanze einige Jahrzehnte später in sein Pflanzenklassifikationssystem ein und gab ihr den lateinischen Namen Glycine Max.
Das erste Sojaprodukt, das vor etwa 200 Jahren in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie im Delikatess- und Kolonialwarenhandel erhältlich war, war Soja-Sauce. Ab 1840 begannen vereinzelte Anbauversuche in der Ukraine, Frankreich, Oberitalien, Deutschland und der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (Eggler 2010: 27f).
Kaiserlich königliche Sojaforschung
Friedrich Haberlandt, Professor für Pflanzenbau an der „k. k. Hochschule für Bodencultur in Wien“ erstand im Jahr 1873 auf der Wiener Weltausstellung Sojabohnen aus verschiedensten asiatischen Ländern. Er pflanzte sie an und führte ausführliche „Studien und Versuche über die Anbauwürdigkeit dieser neu einzuführenden Kulturpflanze“ durch und war davon überzeugt, dass sie der „besseren Ernährung“ der Menschen und der „allgemeinen Volkswohlfahrt“ dienen würde. Nach seinem unerwarteten Tod wurden die Pläne zur groß angelegten Ausweitung der Versuche nicht fortgeführt (Eggler 2010: 33f), dennoch haben sich ein Großteil der folgenden durchaus erfolgreichen Bemühungen um den Sojaanbau in Europa und Amerika auf Forschungen des Visionärs Haberlandt gestützt.
Im ersten Weltkrieg kam Soja als Fleischersatz zum Einsatz. In Dresden wurden die Bohnen in der Bevölkerung verteilt, jedoch ohne Kochanleitungen und mit dementsprechenden Misserfolgen, bis das Städtische Ernährungsamt Untersuchungen zur richtigen Zubereitung durchführte. Um Bekömmlichkeit und Auswirkungen zu erforschen wurden in Kriegsgefangenenlagern sogar Ernährungsexperimente durchgeführt (Drews 2004: 36).
Die Sojabohne im 20. Jahrhundert
Die zwei kochaffinen Autorinnen Friedl Brillmayer und Henriette Cornides schufen ein Kochbuch mit dem Titel „Wiener Soja-Küche“, in dem sie zahlreiche Sojarezepte beschreiben. Im Vorwort stellen die Autorinnen fest: „Wir hatten in Europa vom Vorhandensein der Soja schon lange Kenntnis, aber erst seit einigen Jahrzehnten ist ihr überragender Wert als Spender von biologisch vollwertigem Eiweiß erkannt worden. … Wie es möglich ist, sie so in unsere Speisen zu bringen, … darüber soll dieses Kochbuch berichten und hierzu Anleitung bringen.“ (Wiener Soja-Küche, 1948).
Im Vergleich zu heute, wurde Sojamehl oder Soja-Trockenei als eiweißreiches Zusatzprodukt angepriesen, das in Kombination mit Milch und Ei in Rezepten für Semmelknödeln, Soja-Kakao oder Gugelhupf verwendet wurde.
Soja aktuell
Heute ist Soja ein wesentlicher Bestandteil der vegetarischen und veganen Ernährung. In einigen Bundesländern Österreichs hat sich der Sojaanbau als fixer Bestandteil der heimischen Landwirtschaft etabliert – österreichweit wird Soja auf etwa 2,5 % der Gesamtackerfläche angebaut. Im Jahr 2014 wurde mengenmäßig mehr Soja (118.132 t) als Dinkel (32.763 t), Hafer (105.907 t) oder Ackerbohnen (21.459 t) angebaut.
So einiges gäbe es noch zu erzählen über die schöne Ranke, aber belassen wir es heute bei dieser kurzen Geschichtskunde und der Erkenntnis, dass jede Zeit ihre Vorlieben hat, dass nicht nur die Bohnen jedes Jahr aufs neue Reifen müssen, sondern auch die Ideen und Innovationen. Die Sojapflanze ist eine wunderbare Pflanze – wie und wofür die Menschen sie kultivieren, ist eine andere Geschichte.
Weiterführende Informationen über den globalen Sojaanbau und dessen Auswirkungen findet ihr außerdem hier.
Quellen
- Drews, Joachim (2004): Die „Nazi-Bohne“: Anbau, Verwandung und Auswirkung der Sojabohne im Deutschen Reich und Südosteuropa (1933-1945). Münster: LIT Verlag
- Eggler, Sabine (2010): „Wunderpflanze Sojabohne“. Die Sojabohne in Österreich. Auswirkungen einer botanischen Innovation auf die Landwirtschafts- und Nahrungskultur. Graz: Karl-Franzens-Universität, Magisterarbeit
- ö1 Radiokolleg – Wundermittel Soja, 10. Okt. 2013