Vom Winde verweht – Pestizide belasten unseren Lebensraum
Wir erwarten uns, dass auf einem Bio-Apfel keine Pestizide sind. Und das zu Recht! Ist doch eine der Grundfesten der ökologischen Landwirtschaft, dass keine Insektizide, Herbizide oder Fungizide verwendet werden. Schädlinge und Pflanzenkrankheiten können mit angepassten Fruchtsorten, dem Einsatz von Nützlingen und mechanischer Regulierung auch ohne diese Gifte verhindert werden. Aber trotzdem gelangen Spritzmittel manchmal auf Bio-Produkte, weil konventionell bestellte Felder häufig in direkter Nachbarschaft zu ökologisch bearbeiteten Äckern stehen. Die ausgebrachten chemischen Mittel werden dann per Abdrift durch den Wind auf die benachbarten Felder geweht, was für die Bio-Bauern, wenn sie dies nicht frühzeitig merken, zu hohen Kosten und sogar zu Strafen und Rückzahlung von Förderungen führen kann. Als Bio kann man die Äpfel dann jedenfalls nicht mehr verkaufen.
Aber Tatsache ist, dass diese chemischen Keulen nicht beim benachbarten Acker halt machen. Es gibt immer mehr aktuelle Studien, die darauf hinweisen, dass Pestizide vom Wind über viel größere Strecken als bisher gedacht transportiert werden. Und dass sie nicht nur den ökologischen Anbau sabotieren und Gewässer verseuchen, sondern in unseren alltäglichen Lebensraum eindringen und zur gesundheitlichen Bedrohung für Mensch und Tier werden. Arten sterben aus, Böden werden zerstört, die Nahrungskette und somit Natur und Klima geraten aus der Balance. Die Kosten dafür zahlen wir in der Zukunft, und zwar alle gemeinsam.
Es werden durch Pestizide nicht nur Ziel-Organismen, also Schädlinge und Krankheitserreger auf Ernte-Pflanzen, zerstört, sondern ebenso Böden, andere Nutz- und Wildpflanzen und ganze Tierpopulationen. Die Gifte machen die Böden kaputt, indem sie Kleinstlebewesen, die für Humusbildung zuständig sind, schwächen oder abtöten; sie schaden also mehr, als dass sie helfen. Insekten werden dezimiert durch den Einsatz, besonders an den Rändern der Äcker. Das Bienensterben ist nachweislich direkt vom Einsatz der Chemikalien verursacht, die Nahrungskette und damit das Ökosystem ist dadurch bedroht.
Pendimethalin, Glyphosat, Prosulfocarb, Terbuthylazin, Metolachlor, Thiamethoxam – Bienensterben auf Latein
Die Wirkstoffe mit den unaussprechlichen Namen werden von LandwirtInnen mit großem Gerät auf die Felder ausgebracht. Bei falscher Handhabung geraten Sprühnebel auf Nachbarfelder und verpesten Pflanzen und Böden. Wenn es warm ist, verdunsten die Stoffe und es kommt zur Abdrift, sie werden also mit dem Feinstaub vom Wind weggetragen.
Meistens ist die unmittelbare Umgebung der Felder betroffen. Ein brisantes aktuelles Beispiel: In Deutschland ist das hochgiftige Pestizid Thiamethoxam auf 126.ooo Hektar Land ausgebracht worden, eine Chemikalie, welche in der EU eigentlich verboten ist. Doch die Agrarministerin hat eine kurzfristige Zulassung erwirkt. Das Gift, welches hier auf Zuckerrüben gegen Blattläuse eingesetzt wurde, schädigt vor allem Bienen und zahlreiche andere Insekten. Diese werden erst gelähmt und sterben dann. Untersuchungen haben ergeben, dass nicht nur die Felder selbst, sondern im weitem Umfeld Land und Gewässer hoch konzentriert verseucht wurden. Die Pestizide erreichen dann auch vor allem durch die Abdrift weit entfernte Gegenden. Wie man heute weiß, fliegen sie richtig weit: Global2000 hat in einer Studie in 21 EU-Ländern Pestizide im Hausstaub in Schlafzimmern nachweisen können. Wobei die untersuchten Schlafzimmer weit weg von landwirtschaftlich genutzten Feldern gelegen sind. Im Durchschnitt wurden acht unterschiedliche Pestizide pro Schlafzimmer gefunden, in manchen bis zu 23. Stoffe, welche Krebs erregen oder die Fortpflanzung hemmen können. In einer anderen Studie aus Südtirol wurde festgestellt, dass zwischen Mitte März und Ende August durchgehend hohe Belastungen nachweisbar waren, auch an nicht-landwirtschaftsnahen Orten. Pestizide werden also weit weg und bis in die Städte und unsere privatesten Orte getragen, an denen wir uns viele Stunden täglich aufhalten und die Giftstoffe einatmen und aufnehmen.
Landwirtschaft geht auch anders!
Bio-Bauern auf der ganzen Welt zeigen vor, dass es auch ohne Gift geht: Angepasste Sorten, längere Fruchtfolgen und der Einsatz von Nützlingen sind nur einige Maßnahmen der ökologischen, nachhaltigen Landwirtschaft. Es ist an der Zeit, den Einsatz von chemisch-synthetischen Spritzmitteln neu zu regeln, um Natur, Mensch und Tier zu schützen. Die Agrar-Lobbys sind gut aufgestellt, wie das Beispiel aus Deutschland zeigt, und die politischen Vorstöße zu einem strengen Pestizidverbot in Europa und in Österreich noch weit entfernt von sinnvollen Lösungen.
Die Agrar-Lobbys, Bauernverbände und manche Politiker behaupten bis heute, dass die meisten Pestizide unschädlich sind. So wird Glyphosat, eine der meist verwendeten Pestizide in Europa, oft mit Kochsalz verglichen. Die Gesundheitsschädlichkeit ist jedoch von Naturschützern schon seit Langem gut dokumentiert: Menschen leiden regelmäßig an Lungenfunktionsstörungen und Atemwegsbeschwerden, wenn sie in der Nähe von behandelten Äckern leben.
Glyphosat wurde in Österreich Anfang 2021 verboten. Jedoch nur im privaten Bereich und öffentlich verwendeten Plätzen. Das heißt, dass es weiterhin in der Landwirtschaft angewendet werden darf. Der Kampf um das Verbot von hochgiftigen und für Mensch, Tier und Natur zerstörerischen chemischen Keulen ist lang und beschwerlich. Es bedarf eines generellen Umdenkens in der Landwirtschaft. Die Stärkung des öffentlichen Bewusstseins, dass Landwirtschaft schonend betrieben werden kann und wir Böden und Umwelt schützen müssen, wird mittlerweile von vielen NGOs unermüdlich vorangetrieben. Maximaler Ertrag und billige Preise am Markt auf Kosten der Natur können wir uns nicht leisten. Denn für die fatalen Konsequenzen, welche das mit sich bringt, werden wir und zukünftige Generationen zahlen müssen.