Wie nachhaltig und veganfreundlich sind Lieferdienste?
Essen bestellen boomt
Zugegeben, ich bin wohl einer der wenigen in Wien, der sich noch nie etwas nach Hause bestellt hat. Jedenfalls keine Lebensmittel. Keine Pizza, kein Sushi und auch keine einzige Frühlingsrolle. Ich bin gerne unter Menschen, im Geschäft, im Hofladen oder im Restaurant, besorge meine Lebensmittel möglichst verpackungsfrei und koche selber, denn dass jemand mein Essen für mich nach Hause trägt, kommt mir eigenartig vor. Trotzdem kann ich nicht daran vorbei, denn die Mitarbeiter der Lieferdienste sind überall unterwegs, zu Tausenden, wie es scheint. Tatsächlich ist die Zustellung mit dem Rad ein boomendes Geschäft und alleine die Eigentümerfirma von Lieferando macht weltweit über 4 Milliarden Euro Umsatz im Jahr. Und diese ist ja nur eine von vielen.
Die Bandbreite an Produkten ist sehr breit. Sie können grundsätzlich aus konventioneller Herstellung oder biologisch sein. Sogar Restaurants, die glutenfrei kochen, kann man sich anzeigen lassen. Mittlerweile gibt es in Wien auch ein üppiges Angebot an veganen Speisen.
Vegan und nachhaltig?
So weit, so gut, das Abendessen ist nur noch einen Bezahlvorgang und eine (hoffentlich) kurze Wartezeit entfernt. Doch weiß man immer, was man bekommt? Man kann aus Restaurants bestellen, die man aus eigener Erkundung kennt und mag. Doch haben die Lieferdienste auch einige Tricks auf Lager, zum Beispiel sogenannte Ghost Kitchen. Die Unternehmen schauen sich sehr genau an, was bei den Kundinnen und Kunden im Trend ist. Vegane Burger und Poke Bowls etc. sind in aller Munde. In Stadtteilen, in denen es kein gastronomisches Angebot dieser Art besteht, soll aber auch geliefert werden können. Daher werden Lokale, die zum Beispiel eigentlich Kebab zubereiten oder österreichische Küche mit einem modernen, trendy Online-Auftritt ausgestattet und heißen plötzlich Burrito Sisters oder Ähnliches. Von den Lieferfirmen bekommen sie Rezepte und die Rohzutaten und verarbeiten diese, wenn eine Bestellung reinkommt. Aber dies ist nur ein Nebenerwerb und daher kann nicht garantiert werden, ob die Küchenhygiene zum Beispiel auch auf Verarbeitung nach veganen Richtlinien ausgerichtet ist oder überhaupt einen Bezug zu dieser Art der Lebensweise besteht. Man muss daher genau recherchieren und Bewertungen lesen, um nicht aus „fake“-Küchen zu bestellen, und zur Not an der Adresse vorbeischauen, ob das Lokal überhaupt existiert.
Ein weiteres Problem ist die Nachhaltigkeit. Natürlich, gekochtes Essen wird meist per Fahrrad geliefert. Das ist klimaneutral. Doch ein noch oft ungelöstes Problem stellt die Verpackung dar. Die Speise soll warm bleiben und nicht in der Tasche beim Transport durcheinander geraten. Sie soll auch nicht zu schnell durchfeuchten. Mittlerweile gibt es viele unterschiedliche Versuche, Verpackung für Take-away aus abbaubaren Rohstoffen herzustellen. Doch bis es gelingt, Gebinde anzubieten, welche man im Biomüll entsorgen kann, muss noch einiges geforscht werden. Nach wie vor sind viele Verpackungen mit Plastik beschichtet.
Lebensmittellieferung statt Supermarkt
Seit den Lockdowns mit lange Zeit geschlossenen Lokalen und überfüllten Supermärkten hat sich die Nachfrage nach Lieferdiensten vervielfacht. Nicht nur warmes Essen, auch sonstige Lebensmittel können bestellt werden. Man spart sich den Einkauf und bekommt alles vor die Tür gestellt. Aber wollen wir das wirklich? Eine automatisierte, anonyme Lieferung unserer Lebensmittel führt dazu, dass wir noch mehr den Bezug dazu verlieren, was wir essen. Vielleicht sollten wir uns doch eher darum bemühen, zu wissen, wer hinter den Produkten steckt, wie diese hergestellt werden und wer sie verkauft. Gerade in einer Stadt wie Wien gibt es genug Angebot, welches öffentlich erreichbar ist. Wir sollten es entsprechend nutzen.
Dass sich für die Firmen die Lieferung preislich so günstig ausgeht, hat auch mit den Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter zu tun. Darüber kannst du demnächst mehr lesen.