Winterfütterung und Jagd – ein beständiger Kreislauf?

Achtung, dieser Post ist bereits aus dem Jahr 2021. Einige Informationen könnten veraltet sein.
Die Winterfütterung soll helfen, ein ausgewogenes Wald-Wild-Verhältnis und damit stabile Wälder und gesunde Wildpopulationen zu erhalten. Steigen die Wildzahlen im jeweiligen Revier dann zu stark an, greift die Jagd als regulierender Faktor, um das künstlich geschaffene Gleichgewicht zu erhalten. Ein scheinbar beständiger und lang erprobter Kreislauf. Doch was passiert, wenn man die Fütterung aussetzt?

Wildtiere im Siedlungsraum – mögliche Folge der ausgesetzten Winterfütterung? (Foto: pixabay, manfredrichter)

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In Österreich gibt es 130.000 Jäger*innen (Jagdjahr 2017/2018) – das entspricht rund 1,5 Prozent der  Bevölkerung. Im Jagdjahr 2016/17 wurden belegterweise 762.000 Tiere erlegt – denn die meisten Wildarten werden hierzulande als jagdbar eingestuft. Dies gilt etwa für Rotwild und Rehwild, Schwarzwild, außerdem Gamswild, Steinwild und Muffelwild.

Gemäß den Erkenntnissen von Ökologie, Evolutions-, Kognitions- und Verhaltensbiologie wäre eine zukunftsfähige Jagd als nachhaltige Naturnutzung zu verstehen und ist bestimmten Regeln unterworfen: Die Bejagung hat sich auf diejenigen Wildtierarten zu beschränken, die in der Kulturlandschaft im Interesse der Wahrung der Biodiversität sowie als Leistung eines Beitrags zum Interessenausgleich in der Kulturlandschaft reguliert werden müssen und bei größtmöglicher Angst-, Schmerz- und Leidensvermeidung zu erfolgen.

Aus ethischer Sicht sieht die Sache jedoch etwas anders aus. Denn wenn ein empfindungsfähiges Tier getötet wird (schmerzlos oder nicht), wird ihm dadurch ein Schaden zugefügt. Und die Jagd, also das Töten von Wild (empfindungsfähigen Tieren) durch Menschen nach bestimmten Regeln, kann im Prinzip als eine ethisch nicht gerechtfertigte Praxis gelten.

Die „Ultima Ratio-Jagd“ sieht die Jagd als Mittel zur Wahrung der Biodiversität und als Beitrag zum Interessenausgleich in der Kulturlandschaft. (Foto: pixabay, Peggychoucair)

Jagd und Hege

Jagd versteht sich nicht nur als das Töten von Wildtieren – aus welchen Gründen auch immer. Ein Kernbereich der Jagd ist auch die Hege. Sie hat zum Ziel, einen gesunden und artenreichen Wildstand zu erhalten und dabei aber gleichzeitig auf die Interessen der Land- und Forstwirtschaft Rücksicht zu nehmen und dazu gehört scheinbar auch die Winterfütterung.

Im Zuge der Stärkung der Volkswirtschaft nach dem zweiten Weltkrieg war man um eine Angleichung der Jagdgesetze für die Abschussplanung sowie die Fütterung von Wild bemüht. Obwohl die Jagd in Gesetzgebung und Vollziehung Landessache ist, wurde (mit Ausnahme von Salzburg) eine generelle Fütterungsverpflichtung gesetzlich verankert.

Mitte der 1970er-Jahre rückte zunehmend die Fütterung zur Vermeidung von Schäden im Wald (durch Schälschäden) als Hauptmotiv in den Vordergrund.

Gründe für die Winterfütterung

Wildtiere haben in unserer Welt nicht mehr die freie Wahl ihres Lebensraums. Die Fütterung soll verloren gegangenen (Winter-)Lebensraum ersetzen und Verluste (durch Verhungern) mindern sowie möglichst auch die Lebenserwartung älterer Hirsche verlängern.

Die Winterfütterung als Kompensation für verlorengegangenen Lebensraum? (Foto: pixabay, congerdesign)

Die fixen Futterstellen sollen Wildbewegungen kontrollieren und das Wild ans Revier binden, also vermehrt in bestimmten Arealen halten (Stichwort Sogwirkung) und somit Schäden in anderen Bereichen des Waldes minimieren.

Ziel der Winterfütterung ist also die Erhöhung der Überlebenschancen des Wilds bei gleichzeitigem Schutz des Waldbestandes. Zur Regulation des künstlich erhöhten (oder hochgehaltenen) Wildstandes dient dann die Jagd – die sogenannte „Ultima Ratio-Jagd“ oder therapeutische Jagd, die das Ziel verfolgt, das Wohl des Wildes zu verbessern oder die Integrität eines Ökosystems zu wahren. Der Kreislauf schließt sich.

Gegenargumente werden oft genug als zu emotional, theoretisch oder sonstwie eher illusorisch abgetan, jedenfalls gemessen an den vor allem jagdlich interessanten Vorteilen einer Zufütterung.

Dennoch ist die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der Winterfütterung– auch innerhalb der Jägerschaft ein umstrittenes Thema. „Die Meinungen zum Thema Füttern gehen weit auseinander. Der Tierschutz will keine verhungernden Tiere in starken Wintern, Jäger und Forstwirte streiten darum, was dem Baumbestand schadet“.

Neue Wege – Projekt Wildmanagement Gailtaler Alpen II

Doch was passiert, wenn man die Winterfütterung aussetzt? Das Forstgut Foscari startete ein Experiment und stoppte, nach dem Vorbild Italiens, 2012 die Fütterung des ansässigen Rotwilds unter der Begleitung des Wildökologen Horst Leitner. Fünf Jahre lang wurde das Wild genau beobachtet und das überraschende Ergebnis: Rückgang der Schälschäden, weniger Stress und Kämpfe für die Tiere sowie deutlich erweiterte Streifgebiete und weniger Wechsel zwischen Ruhephasen und Aktivitätsphasen. Die Anzahl des Fallwildes (ohne Gewalteinwirkung eines Jägers zu Tode gekommenes Wild) schwankte während der Projektlaufzeit sowohl mit als auch ohne Winterfütterung, woraus sich kein Rückschluss auf erhöhte Fallwildraten ableiten ließ.

Die Ergebnisse legen nahe, dass die Rotwildfütterung für die betroffene Region in Hinblick auf Vermeidung von Wildschäden am Wald nicht notwendig war. Ein abschließendes Resümee über die Folgen für den Wald wird ohne weiteres langfristiges Monitoring jedoch nicht möglich sein.

Nicht unterschätzt werden darf die notwendige Akzeptanz des Rotwildes durch die Bevölkerung – wird das Rotwild als Schädling oder die Jagd als elitäres und nicht notwendiges Freizeitvergnügen gesehen? Wie wird Rotwild und vor allem Fallwild in Siedlungsnähe wahrgenommen? Denn vor allem in besonders schneereichen Wintern kann Rotwild bis zum Siedlungsraum vordringen. Der Dialog zwischen Jägern und der Bevölkerung wird eine Schlüsselfunktion bei der Umsetzung einer langfristigen Auflösung der Wildfütterung innehaben.

In Kürze besprechen wir in einem Interview mit dem Biologen Prof. Dr. Rudolf Winkelmayer, ob die Jagd für ein natürliches Gleichgewicht überhaupt notwendig ist.

Quellen

Büro für Wildökologie – Wildökologische Grundlagenerhebung im Biosphärenpark Nockberge

H. GOSSOW – Unter welchen Rahmenbedingungen ist die Winterfütterung von Rot- und Rehwild im Ostalpenraum entbehrlich?

ORF Kärnten – Keine Wildfütterung – Ergebnis überrascht

St. Hubertus – Rotwildüberwinterung in Österreich

Auch unser Interview mit Prof. Winkelmayer über Jagd und Ethik könnte dich interessieren.

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Ein Artikel von Johanna
veröffentlicht am 31.08.2021
Berufliche Tausendsassa mit Outdoorfieber. Bei Regen gerne mal am Sofa anzutreffen, solange Buch und Hunde mit dabei sind.

2 Kommentare

  • martin prumetz sagt:

    Rotwildfütterung als Ersatz für den gestohlene Winterlebensraum

    Die ursprünglichen Rotwild-Weitwanderwechsel zu den tiefer gelegenen Winterlebensräumen wurden im letzten Jahrhundert durch unsere Bewirtschaftung sowie Straßenbau und Abzäunungen völlig unterbunden. Erzherzog Johann, der steirische Prinz, sprach schon um 1830 vom Wild, das über den Winter zu bringen sei und so gab es hier in der Gegend flächendeckend Rotwildfütterungen, wovon einige schon in der Kaiserzeit betrieben wurden.
    Die entlegenen Wälder im nördlichem Hochschwabgebiet sind zumeist im Besitz der Bundesforste und der Stadt Wien. Leider spricht alles dafür, dass hier in den nächsten Jahren auch noch die wenig vorhandenen Rotwildfütterungen verschwunden sein werden, obwohl es keine andere Möglichkeit gibt, jagdbare gesunde Rotwildbestände in dieser Bergregion zu erhalten. Da die Jagd noch vor einigen Jahrzehnten großteiles dem Adel vorbehalten war, waren diese idealen Lebensräume äußerst großflächig und vor allem mit Berufsjägern sowie zugeteilten Jungjägern besetzt. Außer während der Kriegsjahre waren die Gams-, Rot-, aber auch Rehwildbestände hier für heutige Begriffe unvorstellbar hoch.
    Rotwild wurde so bejagt, dass es ungestört den Sommer und Herbst auf den beweideten Hochalmen verbringen konnte und im Winter wurde es in den Tallagen gefüttert, was ja auch mit Fachpersonal über viele Jahrzehnte hervorragend funktionierte. Auch Wintergatter sind, wenn die Voraussetzungen passen eine ideale Lösung, dadurch sind die Wälder außerhalb der Gatter, bei optimaler Betreuung in kurzer Zeit auch in schneearmen Wintern absolut wildleer und es ergibt denselben Effekt, als sie noch zu den tiefergelegenen Wintereinständen ziehen konnte. Das Wild gewöhnt sich sehr schnell an diese Gatter und fühlt sich auch noch vor dem zunehmenden Tourismus sicher. Völlig wiedersinnig ist es nur in den Schneereichen Wintern füttern zu wollen und das angebotene Futter sollte schon besser sein als es der Winter hier hergibt. Um es Schadfrei über den Winter zu bringen muss Rotwild über Generationen hindurch immer gleich und regelmäßig betreut werden. Vor allem sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass sich Rotwild bei Tageslicht ohne Furcht am Futterplatz aufhalten kann, um den sogenannten Wartesaaleffekt in den Kulturen zu verhindern. Die Umerziehung vom Tag- zum Nachtwild durch den überhöhten unprofessionellen Jagddruck ist und war das größte Schadensproblem überhaupt.
    Das durch die Überwinterungshilfe ein Naheverhältnis zu Wild und den Betreuer entsteht ist eine logische Schlussfolgerung. Unverständlicher wird das in heutiger Zeit immer öfter kritisiert und man spricht von einer Domestizierung des Wildes. Doch wir haben dem Rotwild den Lebensraum genommen und um Schäden zu verhindern ist näheres zusammenleben unumgänglich. Nur ganz neben bei zu erwähnen, mir waren Jäger immer unvergleichlich lieber, die mit mir Zeit am Futterplatz verbrachten um dieses edle Wild zu beobachten als jene die nur bei einem Anblick an das schießen dachten.
    Viele der Wälder hier im nördlichem Hochschwab Gebiet wurden zum Betreiben der Hochöfen abgeholzt und es wurde nur mehr großflächig mit gewinnbringenden Fichtenmonokulturen aufgeforstet. Laubholz war damals nicht erwünscht und wurde noch bis Ende der Sechzigerjahre geringelt oder mit Diesel vergiftet. Unverständlicherweise ringelt man in heutiger Zeit bei den Gem. Wien Forsten in Wildalpen die Fichte um sie los zu werden. Zu dieser Zeit gab es nicht nur hohe Wildbestände, sondern auf den Almen und in den Tälern weidete auch Unmengen an Weidevieh. Erstaunlicherweise wird heute das Holz geerntet was zu dieser Zeit hochgekommen ist. In den forstlich unzugänglichen Wäldern gab es immer Rot- Reh- und Gamswild und die scheinen heute die gesündesten zu sein.
    In den Siebzigerjahren begann man wieder, die Mischwälder zu schätzen und machte für die Entmischung das Weidevieh, aber vor allem das Wild (insbesondere das Rotwild) dafür verantwortlich. Unzählige großflächige Kulturschutzzäune wurden gegen Verbiss errichtet und heute erkennt man keinen Unterschied was inner- oder außerhalb dieser Flächen war. Von forstlicher Seite wurde eine aggressive Wildfeindlichkeit immer spürbarer und die Abschüsse wurden rücksichtslos vorangetrieben. Um diese Abschüsse zu erfüllen, wurden schon in den Achtzigerjahren Treibjagten, oft auch bei hoher Schneelage, in den Wintereinständen durchgeführt, worauf sich das Wild tagelang nicht zu den Futterplätzen wagte und in den Monofichtenkulturen logischerweise verheerende Schälschäden anrichtete. Ich bin viele dieser Einstände in den letzten Jahren von aufgelassenen oder schlechtbetreuten Fütterungen abgegangen und hab unvorstellbare Schälschäden vorgefunden. Wie kann man nur dieses edle Wild, das Symbol der Jagd dermaßen schlecht behandeln das es gezwungen ist, aus Angst und Hunger solche waldverwüsteten Schäden anzurichten. Viele der alten Grabenbewohner, die in keiner Weise abhängig von diesen Großbetrieben wie Öbf oder der Gem. Wien haben meine Erfahrung über die quälerische Behandlung des Rotwildes bestätigt und sogar noch übertroffen. Dieses Wild wurde solange beschossen bis es sich nur mehr bei Finsternis aus den Fichtenkulturen wagte. Jeder Normalbürger der die Zusammenhänge nicht kennt würde bei solchem Schadbild, dem Rotwild sofort jede Daseinsberechtigung absprechen. Daher ist es absolut unverständlich, dass die Behörden, Jägerschaft, Veterinär und auch der Tierschutz dieses Treiben nie genauer hinterfragt hatten. Rückblickend haben Verbiss Schäden, trotz ehemalig hoher Wildbestände hier zu keiner Zeit gravierende Auswirkungen und das ist auch leicht beweisbar
    Durch diese radikale Reduzierung der Rotwildbestände hat man dann auch noch die Großpächter samt Berufsjäger vertrieben und diese unbedingt notwendigen großflächigen Lebensräume für Rotwild auch in den Hochlagen klein aufgeteilt. Vergeben wurden diese nun leistbaren Reviere an viel zu viele neuzeitliche Jäger, denen die Möglichkeit geboten wurde, auf Begegnung zu jagen – das heißt, alles darf geschossen werden, was ihnen begegnet.
    Ganz nebenbei möchte ich noch erwähnen das man hochwertiges Fleisch von Tieren die in freier Wildbahn leben dürfen ernten könnten und dadurch ersparen wir unendliches Tier Leid, das in unmengen auf engstem Raum gezüchtet wird. Das müsste eigentlich jeden Tierschützer hoch erfreuen. Doch leider sind aber heute diese Staatlichen großen hochflächigen und idealen Lebensräume, die auch noch vom Tourismus verschont sind völlig Wildleer.
    Die noch verbliebenen Fütterungen werden dermaßen schlecht betreut das sie äußerst ungern aufgesucht werden. Minderwertiges Futter das immer später während der Notzeit vorgelegt wird und großflächige Treibjagten mit enormen Personalaufwand und frei jagenden Hunden in diesen Fütterungsbereichen sind der Grund dafür. Wenn dann durch selbstständig überwinterndes Rotwild in den Kulturen Hungerschälschäden entstehen, werden Notzeitabschüsse beantragt und von den Behörden auch freigegeben. So müssen auch noch die letzten Stücke erschossen werden um überhaupt keine Schäden zu haben und von forstlicher Seite hört man völlig ungeniert, das Rotwild im Salzatal nichts mehr verloren hat.
    So wurde dem König unserer Berge nicht nur von uns der Winterlebensraum in den Tallagen genommen, sondern in den letzten 30 Jahren auch noch der ideale Sommerlebensraum auf den unendlichen Hochalmen hier im nördlichem Hochschwabgebiet und keinen scheint es wirklich zu interessieren.

    • Johanna sagt:

      Lieber Martin! Vielen Dank für dein interessantes Kommentar! Die Zerstückelung des Lebensraumes durch menschliche Nutzung ist sicherlich eines der größten Probleme unserer wildlebenden Arten! Da die Gesetzgebung betreffend Jagd Ländersache ist und die Kontrollorgane (Jagdbehörden sind für Wien die Magistrate und in den Bundesländern die Bezirkshauptmannschaften) möglicherweise keine ausreichende Kontrolle gewährleisten können, eröffnet sich ein weiteres, schwerwiegendes Problemfeld der Jagd. Sicherlich herrschen unterschiedliche Bedingungen in den verschiedenen Regionen/Revieren und ohne die Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten sowie wissenschaftliche Unterstützung kann eine Einschränkung oder gänzliche Auflassung der Rotwildfütterungen, wie in der FD Foscari, nicht ohne weiteres überall unbesehen empfohlen werden. In Kürze besprechen wir einige dieser Aspekte in einem Interview mit Prof. Dr. Rudolf Winkelmayer, welcher sich intensiv mit dem Themenkreis von Ethik und Jagd beschäftigt.

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