Wolle und die Qualen der Schafe

Schafe
Achtung, dieser Post ist bereits aus dem Jahr 2011. Einige Informationen könnten veraltet sein.
Das romantische Bild einer kleinen Schafherde, die gemütlich auf der Weide grast, entspricht selten der Realität. Das Material für Pullover, Wollmäntel, Röcke, Schals und Strickgarne oder Möbelstoffe wird überwiegend durch Intensivhaltung und größte Qualen für die Schafe gewonnen. Auch wird die Umweltfreundlichkeit von Wolle meist völlig falsch eingeschätzt. In der mady-by-Benchmark, die bewertet, wie ökologisch Textilfasern sind, rangiert Wolle in der schlechtesten Klasse E. (siehe den Infothek-Artikel „Kunstfaser oder Naturmaterial?“).
Wollproduktion

(Foto: Unsplash, Sam Carter)

Im Ethik.Guide, dem Einkaufsführer für fairen und nachhaltigen Konsum, findest du in der Kategorie Mode jede Menge Geschäfte und Labels, die auf Kleidung ohne Tierleid setzen.

Das Haarkleid der Schafe

Schafe wurden von der Natur nicht geschaffen, um regelmäßig geschoren zu werden. Ohne die Einmischung des Menschen bekommen Schafe nur so viel Wolle, wie sie benötigen, um sich gegen extreme Witterung zu schützen. Das Wollvlies isoliert den Körper der Tiere gegen Kälte und Hitze. Ursprünglich wurde Wolle gewonnen, indem sie während der Mauser, dem natürlichen Fellwechsel, ausgekämmt wurde. Das Züchten zum Erzielen eines ständigen Vlieswachstums begann erst nach der Erfindung der Schermesser.

Nur wenn die Tiere von Hand, von geschulten Leuten und mit der nötigen Zeit und Achtsamkeit geschoren werden, können Schnittverletzungen vermieden werden. Ansonsten ist die Schur eine schmerzhafte Prozedur für die Tiere.

Mulesing

Der größte Wollproduzent der Welt ist Australien mit mehr als 100 Millionen Schafen. Die Herden bestehen in der Regel aus tausenden von Tieren. Rund ein Viertel der gesamten weltweit verkauften und verarbeiteten Wolle kommt aus Australien. Noch höher ist der Weltmarktanteil Australiens bei der bekanntesten Wollart, der Merinowolle – die Hälfte der weltweit verkauften Merinowolle stammt aus Australien.

Die Merinoschafe wurden hochgezüchtet, um besonders viel Wolle zu liefern, sie haben deshalb besonders viele Hautfalten. Im heißen Klima Australiens bedeutet das aber, dass viele Tiere an Überhitzung sterben. In den gezüchteten Hautfalten sammeln sich Urin und Feuchtigkeit. Davon angezogen, legt eine bestimmte Fliegenart ihre Eier in den Hautfalten ab. Die geschlüpften Larven ernähren sich dann vom Fleisch der lebenden Tiere. Um das zu verhindern, praktizieren die australischen Farmer eine grauenhafte Methode an den Schafen: die Lämmer werden brutal auf den Rücken geworfen, ihre Hinterbeine werden mit Metallstange nach vorne gebogen und fixiert. Nun werden ihnen ohne Narkose der Schwanz und riesige Fleischstreifen an den Beinen und rund um den Schwanz herausgeschnitten – auf einer glatten, vernarbten Fläche legen die Fliegen keine Eier ab. Man nennt diese Methode “Mulesing”.

Obwohl viele Tiere danach etwa an Entzündungen  sterben, “rechnet es sich” laut australischem Schafzüchterverband trotzdem. Die männlichen Lämmer werden darüber hinaus auch noch ohne Narkose kastriert. Es sollte zu denken geben, dass es für die australische Woll-Industrie keinen größeren Verlust bedeutet, wenn jedes Jahr bis zu 6 Millionen Tiere an den Folgen dieser Qualen oder der katastrophalen Haltung sterben.

Der Verband der australischen Wollfarmer hatte vor einigen Jahren versprochen, ab 2011 auf Mulesing zu verzichten und tierfreundliche Methoden zur Fliegenabwehr einzusetzen. Doch dieses Versprechen wurde zurückgezogen, das Mulesing existiert also weiter. Auch die in Betracht gezogene Methode des Clip-Mulesings ist abzulehnen. Hier wird die Haut mittels Klammern abgeklemmt, bis sie abstirbt. Die Methode ist zwar nicht blutig, aber genauso schmerzhaft. Obwohl inzwischen große Bekleidungsketten wie H&M, Adidas, Timberland und Hugo Boss keine Wolle mehr von “gemulesten” Schafen verwenden, schaltet die australische Wollindustrie auf stur. Wer in Österreich einen Pullover aus Merinowolle kauft, hat eine 50%-ige  Chance, dass die Wolle von gemulesten Schafen aus Australien stammt.

Wollproduktion

Die Schafschur sollte mit der nötigen Achtsamkeit durchgeführt werden, um den Tieren Schmerzen und Stress zu ersparen. (Foto: Pixabay, Myriams-Fotos)

Pestizid-Bad

Mit dem Mulesing ist die Tortur der Schafe noch nicht vorbei. Mindestens zweimal im Jahr werden sie vorbeugend in ein Pestizidbad getaucht, um den Befall mit Parasiten zu verhindern. Die Pestizide belasten nicht nur die Schafe, sondern auch die Gewässer, die Umwelt und schließlich den Menschen – die Arbeitskräfte und die Träger von Wollkleidung. Pestizidbäder sind nicht nur in Australien, sondern auch in China, Neuseeland, Südamerika, Großbritannien, Türkei und den USA üblich, also in allen großen Wolle “produzierenden” Ländern. Einen starken Parasitenbefall gibt es übrigens nur in der Massentierhaltung.

Verschifft und geschächtet

Wenn die Schafe nicht mehr genügend Wolle geben, wartet der Schlachthof auf sie. Für die meisten australischen Schafe liegt der Schlachthof aber nicht nebenan, sondern auf einem anderen Kontinent. Das bedeutet einen wochenlangen qualvollen Transport auf riesigen Offendeck-Schiffen. Von Australien aus werden jedes Jahr Millionen “ausgediente” Schafe in den Nahen Osten und nach Nordafrika verfrachtet. Die Bedingungen auf den Schiffen sind so schrecklich, dass im Durchschnitt zehn Prozent der Tiere während der Überfahrt sterben. Und auf die Überlebenden erwartet an ihrem Bestimmungsort das Schicksal der Schächtung, also das Schlachten ohne Betäubung. Was sich etwa in ägyptischen Schlachthäusern abspielt, hat die Tierschutzorganisation PETA filmisch dokumentiert.
Übrigens gibt es nicht nur Massentiertransporte von Australien aus. Auch aus Großbritannien werden jährlich 800.000 Schafe zum Schlachten ins Ausland gebracht.

Ein lohnendes Geschäft

Ähnlich wie bei Rindfleisch und Leder bedingen einander auch Wolle und Schaffleisch. Die billige und massenhafte Produktion rechnet sich vor allem, weil die Tiere zuerst wegen ihrer Wolle ausgebeutet werden und später ihr Fleisch noch Geld abwirft. Ein grausames Geschäft, aber ein lohnendes Geschäft – weil die KonsumentInnen beides kaufen: Wolle und Fleisch.

 

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Ein Artikel von Ruth
veröffentlicht am 23.11.2011
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