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CO2 Speicher – Regenerative Landwirtschaft

Die Stimmen aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft mehren sich, dass null Netto-Emissionen nicht mehr ausreichen werden, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Die Bindung von CO2 wird folgerichtig forciert. Dabei reichen die Alternativen dafür von Science-Fiction anmutenden Techno-Visionen bis hin zur Wiederbelebung naturnaher Praktiken aus vergangener Zeit. Eine dieser Praktiken nehmen wir genauer unter die Lupe: Regenerative Landwirtschaft.
CO2-Emissionen

Gemäß der „4-Promille-Initiative“ kann eine weltweite Steigerung des Humusgehalts im Oberboden um vier Promille die weltweiten CO2-Emissionen ausgleichen (Foto: Unsplash, Markus Spiske)

Was ist regenerative Landwirtschaft?

In Österreich ist die Landwirtschaft Stand 2021 für rund elf Prozent der jährlichen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Ein Großteil dieser Emissionen sind der Nutztierhaltung zuzurechnen. Entsprechend hoch ist die Bedeutung des Agrarsektors für das Klima, von der Nahrungsmittelversorgung ganz zu schweigen. In diesem Sinne braucht es nachhaltige Alternativen für die derzeitige hochindustrielle Landwirtschaft, die mit dem ausufernden Einsatz von Herbiziden und Pestiziden Biodiversität, Artenvielfalt sowie die Grundwasserqualität gefährdet. Für viele ist die regenerative Landwirtschaft einer der natürlichsten und spannendsten Alternativen. Doch was genau versteht man darunter?

Das Konzept der regenerativen Landwirtschaft wurde bereits in den 1970er-Jahren von Robert Rodale entwickelt und konzentriert sich in erster Linie auf Bodengesundheit. Dabei wird der Boden mit nährstoffreichem Humus – einem Gemisch aus organischen Stoffen – angereichert. Ähnlich wie beim menschlichen Darm, welcher von der Gesundheit des Mikrobioms abhängig ist, benötigt auch ein gesunder Boden bestimmte Organismen. Die Entwicklung des dafür benötigten organischen Materials kann auf verschiedenem Wege gefördert werden. Eine dauerhafte Begrünung, eine geringe Bearbeitungsintensität, eine Lockerung des Bodens, Komposttee sowie Zwischen- und Untersaaten erhöhen beispielsweise die Qualität des Humus. Weitere Tipps für den optimalen Humusaufbau findest du unter anderem hier.

Hände halten humusreichen Boden.

Ein humusreicher Boden bringt zahlreiche Vorteile in Sachen Nachhaltigkeit mit sich (Foto: Unsplash, Markus Spiske)

Vorteile regenerativer Landwirtschaft

Bei der regenerativen Landwirtschaft geht es, wie bereits erwähnt, vor allem darum, die Qualität des Bodens mithilfe von Humus zu verbessern. Der entscheidende Vorteil dabei ist, dass mit Nährstoffen angereicherten Böden mehr CO2 aufnehmen und binden können. Dementsprechend wirkt diese Landwirtschaftsform einerseits präventiv in Bezug auf eine fortschreitende Erderwärmung und andererseits auch reaktiv, weil humusreiche Böden deutlich resistenter gegenüber Wetterphänomenen sind. Das heißt, diese Böden bieten einen natürlichen Erosionsschutz, eine bessere Wasserverfügbarkeit und -aufnahmefähigkeit und außerdem einen nährstoffreichen Lebensraum für zahlreiche Tiere und kleinste Organismen. Davon profitieren Biodiversität und Artenvielfalt. Auf Düngemittel mit chemischen Inhalten und Pestizide wird weitestgehend verzichtet.

Am nachhaltigsten ist es etwas nicht zu kaufen. Essen müssen wir hingegen alle. Im Ethik.Guide, dem nachhaltigen Einkaufsführer, findest du in der Kategorie Lebensmittel sämtliche Bezugsquellen für einen genussvollen und klimafreundlichen Ernährungsstil: Unverpackt-Läden, Biokisten-Zusteller und Solidarische Landwirtschaften, aber auch Adressen von Selbsterntefeldern. Es kann auch nach bioveganer Landwirtschaft gefiltert werden.

Nachteile regenerativer Landwirtschaft

Welche Risiken oder Nachteile bringt regenerative Landwirtschaft mit sich? Bis dato bezieht sich die Kritik in der Regel vor allem auf die praktische Umsetzung. Der Humusaufbau im Boden ist ein langfristiger Prozess, der von Landwirt*innen viel Engagement und Einsatz abverlangt. Es bedarf spezielles Wissen, vor allem auch in Bezug auf die lokalen Begebenheiten. Zudem gibt es auch bei humusreichen Böden eine Sättigungskurve in Bezug auf die CO2-Aufnahme. Wohlgemerkt, von einer Sättigung sind die meisten landwirtschaftlich genutzten Böden noch weit entfernt. Ferner wird teilweise kritisiert, dass es kaum aussagekräftige Studien zur Wirksamkeit von Methoden in der regenerativen Landwirtschaft gibt. Dies und ein Mangel an Förderungen auf EU-Ebene erschweren derzeit noch einen Wandel von zahlreichen Landwirtschaftsbetrieben hin zu mehr Nachhaltigkeit.

Dürre

Speziell Landwirt*innen spüren die Auswirkungen von Wetterextremen auf ihre Ernte zunehmend (Foto: Unsplash, Md. Hasanuzzaman Himel)

Vordenker und Musterbeispiele regenerativer Landwirtschaft

Wetterextreme werden immer mehr zur Normalität. Viele Landwirt*innen haben die Zeichen der Zeit erkannt und sich entschlossen, verstärkt regenerative Landwirtschaft zu forcieren. Vordenker wie Robert Rodale im amerikanischen und Dietmar Näser im deutschsprachigen Raum spielen dabei eine entscheidende Rolle. Das Rodale Institute besteht heute noch fort und trägt mit wissenschaftlicher Forschung und Bildungsangeboten für Landwirt*innen weiterhin zu einem Umstieg bei. Dietmar Näser bietet in Deutschland Praxislehrgänge an.

Ein absolutes Vorzeigeprojekt ist in Kaindorf in Hartberg zu finden. Am Projekt Humus+ sind bereits rund 400 Landwirt*innen aus ganz Österreich beteiligt. Die Mehrheit davon sind keine Biolandwirt*innen. Fünf bis sieben Jahre nach der Betriebsumstellung wird mittels Bodenproben die Humusanreicherung festgestellt. Der gewonnene Humus wird in weiterer Folge symbolisch an private Unternehmen verkauft, um deren unvermeidbare CO2-Emissionen zu kompensieren. Eine Tonne Humus kostet dabei 126 Euro. Eine weitere Initiative für regenerative Landwirtschaft ist die Humusbewegung – ein unabhängiges und bäuerliches Netzwerk – mit Sitz in Litschau im Waldviertel. Aber auch größere Unternehmen wie die US-Firma Indigo und der Knäckebrothersteller Wasa experimentieren bereits mit regenerativer Landwirtschaft und CO2-Zertifikatenhandel.

Fazit

Derzeit finden sich nur wenige Optimist*innen, die eine Begrenzung der Erderwärmung von 1,5 Grad Celsius bis 2100 gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter noch für realistisch halten. Doch sind die meisten Fachleute sich darin einig, jeder zusätzliche Anstieg hätte umso verheerendere Auswirkungen für Mensch und unsere Umwelt. Deshalb sind nachhaltige Alternativen wie die regenerative Landwirtschaft neben anderen Maßnahmen wie (Wieder-)Aufforstungen oder Wiedervernässungen von Mooren so wichtig, um CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen und zu binden. Die angeführten Nachteile sind derzeit vor allem auf systematische Probleme zurückzuführen, wobei die Politik in der Pflicht steht, mehr Anreize für einen Umstieg von Landwirt*innen zu schaffen. Denn schlussendlich können sowohl (Land-)Wirtschaft, Politik, Gesellschaft als auch Natur von der regenerativen Landwirtschaft profitieren. Wetterresistente Ernten, nährstoffreichere Nahrungsmittel, Artenvielfalt, Biodiversität und Kompensationen durch CO2-Zertifikate – die Vorteile sind nicht zu übersehen.

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Ein Artikel von Benedikt Schweigl
veröffentlicht am 20.02.2024
Student im interdisziplinären Masterstudiengang "Zeitgeschichte und Medien" mit großer Leidenschaft für Gerechtigkeits- und Nachhaltigkeitsthemen. Als angehender Journalist versuche ich durch Aufklärung und Wissensvermittlung zu einem ethischen Konsumverhalten beizutragen.
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