Immer wieder gibt es Diskussionen über den ökologischen Fußabdruck der Avocado. Gerade wenn es um das Thema vegane Ernährung geht, entsteht oft sogar ein gewisses Avocado-Bashing, als ob Konsument*innen von Avocados das Klima zerstören würden. Was sind Vorurteile, Gerüchte, Fake News und was sagen die Fakten? Wie böse ist die Avocado nun wirklich? Wir sind tief in die Diskussion und in die Menge Fakten dazu eingetaucht.

Avocados hängen vom Baum

To avocado or not to avocado? That is the question. (Foto: Unsplash, Matthias Oben)

Ja, aber

Ja, der Anbau von Avocados ist wasserintensiv und Monoplantagen sind nie eine gute Sache, weil sie Böden auslaugen und mit Pestiziden überfrachtet werden. „In den Hauptanbaugebieten spielt Nachhaltigkeit eine geringe Rolle, die Frucht wird überwiegend konventionell und in Monokulturen angebaut und auch künstlich bestäubt“, heißt es in einem Fact-Checking-Artikel der Online-Plattform für Umweltfragen, Utopia. Auch lange Transportwege von Mexiko, Peru, Chile und Südafrika werden kritisiert. Aber wenn man sich die Fakten und Zahlen anschaut, ist der ökologische Fußabdruck der Avocado weit unter dem der Fleischproduktion. So wird auf Livelca, einer Plattform, auf der man den eigenen CO2-Verbrauch errechnen lassen kann, das CO2-Äquivalent pro Kilogramm einer konventionell angebauten Avocado mit 1,11 Kilogramm angegeben, bei ökologischen Anbau mit 0,8. Rindfleisch kommt auf einen Wert von ca. 8 Kilogramm. Wie kann man hier Klarheit schaffen, ohne zu streiten?

Keine rein persönliche Frage

Bei Debatten über umweltrelevante Folgen von Lebensmittelerzeugung ist es wichtig zu vermitteln, dass es mehr als um einen einzelnen Aspekt geht. Die Entscheidungen, die wir in Bezug auf unsere Ernährung treffen, haben Auswirkungen auf verschiedene Bereiche: Umwelt, Gesundheit und Ethik. Wenn man auf die Zusammenhänge zwischen diesen Faktoren achtet, lässt sich vielleicht verstehen, dass Ernährungsentscheidungen nicht nur persönliches Wohlbefinden, sondern auch die Gesundheit des Planeten und die Behandlung von Tieren beeinflussen.

So wirkt sich der Verzehr bestimmter Lebensmittel auf Treibhausgasemissionen, Land- und Wassernutzung, Abholzung und den Verlust der biologischen Vielfalt aus. Immer wieder zeigt sich, dass diese Faktoren mit gesundheitlichen Aspekten zusammenhängen. So gibt es direkte Relationen von hohem Fleischkonsum und bestimmten chronischen Krankheiten (Studie). So ein ganzheitliches Bild könnte zu einem überlegten und informierten Umgang mit der Ernährung anregen.

Baum hängt schwer beladen mit vielen Avocados

Es ist immer eine Frage der Relation. Verglichen mit Fleisch schneiden Avocados wesentlich besser ab in der Ökobilanz. (Foto: Pexels, Antony Trivet)

Lieber regional?

Es kommt darauf an! „Viele der Lebensmittel, von denen man annimmt, dass sie mit dem Flugzeug transportiert werden, werden in Wirklichkeit mit dem Schiff transportiert – Avocados und Mandeln sind ein gutes Beispiel dafür. Der Transport eines Kilogramms Avocados von Mexiko in das Vereinigte Königreich würde 0,21 Kilogramm CO2-Äquivalente an Transportemissionen verursachen. Das sind nur etwa 8 Prozent des gesamten Fußabdrucks von Avocados. Selbst wenn sie über große Entfernungen transportiert werden, sind ihre Emissionen viel geringer als die von lokal erzeugten tierischen Produkten“, heißt es in einem Bericht des Forschungsinstituts „Our World in Data“.

Landwirtschaftliche Praktiken und die damit verbundenen CO2-Fußabdrücke können je nach Art der erzeugten Lebensmittel sehr unterschiedlich sein. Gemüse hat einen deutlich geringeren Fußabdruck als Produkte, die aus Tierkörpern gewonnen werden, wie Fleisch und Käse. Dies ist auf mehrere Faktoren im Zusammenhang mit dem Ressourcenverbrauch, der Landnutzung und den Treibhausgasemissionen zurückzuführen.

Energieverfügbarkeit

Ein wichtiger Faktor bei einer Entscheidung für ein Lebensmittel wäre der Wirkungsgrad der Energieumwandlung. Pflanzliche Lebensmittel wie Gemüse sind effizienter bei der Umwandlung von Sonnenenergie in essbare Biomasse. Pflanzen fangen das Sonnenlicht durch Photosynthese ein und nutzen es zur Produktion von Nährstoffen, was einen geringeren Energieaufwand erfordert als die Produktion von tierlichen Produkten. Wenn man Tiere für die Fleisch- und Milchproduktion züchtet, brauchen sie im Laufe ihres Lebens große Mengen an pflanzlichem Futter, was zu einem höheren Gesamtenergieaufwand für die Produktion einer bestimmten Menge an Kalorien oder Proteinen führt.

Der geringere CO2-Fußabdruck von Gemüse, selbst von solchen wie Avocados, ist auf Faktoren wie eine effizientere Energieumwandlung, einen geringeren Flächenbedarf und geringere Treibhausgasemissionen zurückzuführen. Der allgemeine Trend, dass pflanzliche Lebensmittel eine bessere CO2-Bilanz aufweisen, bleibt offensichtlich. 

Die Landnutzung ist ein weiterer kritischer Aspekt. Flächen, die man für die Aufzucht von Fleisch- und Milchtiere benötigt, sind wesentlich größer als die für den Gemüseanbau. Das liegt in erster Linie daran, dass riesige Flächen für den Anbau von Futterpflanzen verwendet werden. Ein wesentlich geringerer Faktor ist der Platz zum Weiden und für die Unterbringung, auch wenn Werbebilder gerne das glückliche Leben der Weidetiere – meist vor Bergkulisse – vorgaukeln.

Chilenische Berglandschaft

In Chile ist das Wasser privatisiert und allgemein knapp. Großfläche Avocadoplantagen sind hier zerstörerisch. (Foto: Unsplash, Paula Porto)

Aber das viele Wasser!

Oft wird der Wasserverbrauch hervorgehoben, wenn es um die ökologischen Auswirkungen von Avocado-Kulturen geht. Es stimmt zwar, dass Avocados wasserintensiv sein können, vor allem in Regionen mit Wasserknappheit. Aber der Wasserbedarf für die Produktion von Fleisch und Milchprodukten ist deutlich höher. „Eine einzige Avocado benötigt 140 bis 272 Liter Wasser. Für die gleiche Menge Rindfleisch benötigt man 2.315 Liter Wasser, für Schweinefleisch 900 Liter, für Hühnerfleisch 650 Liter und für Butter 833 Liter“, heißt es bei Viva!, einer Wohltätigkeitsorganisation im Vereinigten Königreich, die sich auf verdeckte Ermittlungen und öffentlichkeitswirksame Tierkampagnen spezialisiert hat.

Bei der Aufzucht von Tieren zur Nahrungsmittelerzeugung wird nicht nur Wasser für die Tiere selbst, sondern auch für die Bewässerung der als Futtermittel verwendeten Pflanzen benötigt. Dieser doppelte Wasserbedarf trägt zu einer größeren Umweltbelastung bei.

Ein gravierendes Problem stellt allerdings der großflächige Anbau von Avocados in Regionen dar, die ohnehin mit Wassermangel zu kämpfen haben. In Chile etwa, wo die Wasserversorgung bereits seit Ende der 90er-Jahre in privater Hand ist, gab es immer wieder Anzeigen gegen große Agrarunternehmer wegen illegaler Wasserleitungen. Zudem treiben die Großbetriebe die kleineren, die zu wenig finanzielle Ressourcen für Bewässerungssysteme haben, in den Ruin.

Im Ethik.Guide, dem nachhaltigen Einkaufsführer, findest du in der Kategorie Lebensmittel sämtliche Bezugsquellen für einen genussvollen und klimafreundlichen Ernährungsstil: Bioläden und –Lebensmittelmarken, Unverpackt-Läden, Bio-Bäcker und –Winzer, Biokisten-Zusteller und Solidarische Landwirtschaften, aber auch Adressen von Selbsterntefeldern. Es kann auch nach veganen Anbietern oder bioveganer Landwirtschaft gefiltert werden.

Kartelle und Mafia

Durch die wachsende Nachfrage nach Avocados vergrößert sich die Fläche für den Anbau ständig. Der Avocadokonsum der USA soll sich zwischen 1985 und 2021 um 500 Prozent gesteigert haben. Einige Menschen konnten sich so einen guten Lebensunterhalt sichern. Aber auch Drogenkartelle haben den Handel mit dem „grünen Gold“ für sich entdeckt. Immer wieder hört man von der Avocado-Mafia in Mexiko. Die Avocado-Industrie ist für brutale Kartelle und Gewalttätigkeit bekannt. Durch die hohen Gewinnmöglichkeiten fühlten sich die dominierenden Kartelle berechtigt, einen Teil für sich zu beanspruchen. Sie verjagten die Landbesitzer und nahmen die Felder in Besitz. Die Verhaftung einiger Drogenbosse und gut organisierte zivile Verteidigungsgruppen verringerten den Druck. Aber er verschwand nie ganz.

Miese Arbeitsbedingungen

Verständlich, dass man sich über die schlechten Arbeitsbedingungen der Arbeiter*innen, oft Migrant*innen, ihre minimalen Löhne und ihre Wohnorte aufregt. Sie leben außerdem oft nahe an den Plantagen und sind mit schlechtem Wasser und pestizidverseuchten Böden konfrontiert. Zumeist sind die Konditionen der Menschen, die in fernen Ländern exotische Produkte kultivieren, wenig bekannt – nicht nur bei Avocados. Aber auch in Europa hat vor einigen Jahren die Aufdeckung der miserablen Bedingungen für Obstpflücker*innen, Spargelstecher*innen etc. zu Empörung geführt. Es handelt sich also um ein globales Problem, dass viele Bereiche der Lebensmittelproduktion betrifft.

No more Avocado?

Heißt das also, man muss auf die Avocado künftig verzichten? Faire und biozertifizierte Produktion aus Ländern ohne Wasserknappheit bietet sich als Alternative an. Es bleibt also wieder einmal den Konsument*innen überlassen, sich über die Hintergründe der Produktion zu informieren.

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Ein Artikel von Susanne Karr
veröffentlicht am 22.08.2023
Als Philosophin und Journalistin beschäftige ich mich mit der Verbundenheit von menschlichen und nichtmenschlichen Lebewesen. Darum geht es auch in meinem Blog www.aureliapangolini.com
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