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Die Secondhand-Kontroverse

Vintage ist angesagt. Wer Anfang der 2000er Jahre in einem Secondhand-Shop einkaufte, machte dies selten freiwillig. Soziale Exklusion, bis hin zu Stigmatisierung und Ausgrenzung, waren häufige Folgen. Heute ist das anders – Secondhand ist modisch und Vintage-Kleidung steht voll im Trend. Das ist auch gut so. So die Nachfrage nach billigproduzierter Kleidung aus dem Globalen Süden gehemmt, alte Kleidung landet nicht im Müll und in der Regel wird Second-Hand unverpackt gekauft. Wer Second-Hand kauft, leistet also einen positiven Beitrag zu Klima, Nachhaltigkeit und Umwelt. Oder? Seit einigen Jahren tauchen immer wieder Artikel und Vorwürfe gegenüber Secondhand-Ketten auf. Diese würden aus Profitgründen agieren, Kleidung viel zu teuer in Entwicklungsländern weiterverkaufen oder nur vermeintlich Entwicklungshilfe betreiben. Was es mit diesen Kontroversen auf sich hat, erfahrt ihr in diesem Beitrag.

Ist Secondhand eine Gegenbewegung zu Fastfashion oder Teil dieser? (Foto: Pexels, Burst)

Was heißt Secondhand

In erster Linie bedeutet Secondhand ganz einfach gebraucht. Ob es sich nun um Designer-Kleidung oder um No-Name-Produkte handelt, ist zunächst unerheblich. Bleiben wir beim Thema Kleidung: Der Grundgedanke ist, dass aussortiertes Gewand nicht gleich schlecht sein muss. Oft kann diese Kleidung noch jahrelang weitergetragen werden und muss nicht zwangsläufig im Müll landen. Das ist nicht nur rohstoffschonend, sondern meist auch für Konsument*innen günstiger. Außerdem wirkt Secondhand der sogenannten Fast-Fashion-Industrie entgegen. An sich ist Secondhand also sehr nachhaltig und begrüßenswert.

Das Geschäft mit Altkleidern

Kaufen wir Secondhandkleidung, kommt diese mit einiger Wahrscheinlichkeit aus dem Altkleidercontainer. Verschiedene Organisationen stellen diese auf und sammeln die Kleidung für hilfsbedürftige Menschen. Auch wenn tatsächlich ein großer Teil der Kleidung gespendet wird, stecken hinter manchen vermeintlich karitativen Organisationen GmbHs und Konzerne, die von alter Kleidung profitieren wollen. In sogenannten Entwicklungsländern trifft diese Strategie teilweise auf Widerstand. Der Staat Uganda wehrt sich beispielsweise bereits gegen diese Prozesse und versucht den Verkauf von importierter Secondhand-Kleidung einzudämmen. Die lokale Textilindustrie und auch die heimischen Rohstofflieferanten seien dadurch beeinträchtigt. Es ist zu betonen, dass nicht alle Organisationen aus Profitgründen agieren. Dennoch stehen einige Unternehmen in Kritik, so auch das internationale Unternehmen Humana.

Das Beispiel Humana

Mit derzeit 19 Filialen allein in Österreich dürfte Humana den meisten zumindest ein Begriff sein. Doch die Shops sind nur ein Teil des Dachverbandes Humana People to People, der aus über 30 NGOs besteht. Die Idee hinter den Secondhandläden ist simpel: Alte Kleider werden gesammelt, gewaschen und verkauft. Die Einnahmen fließen in Entwicklungsprojekte in den sechs Ländern Indien, Angola, DR Kongo, Mosambik, Namibia und Südafrika. Laut eigenen Angaben werden mit den Geldern Bildungsprojekte, Kinderhilfe, Landwirtschaft und viele andere Entwicklungshilfen gewährleistet. Wo liegt denn da das Problem? Schon vor über 20 Jahren geriet Humana immer wieder in Kritik. Durch den Verkauf von billiger Secondhand-Kleidung in Entwicklungsländern sei der dortige Textilhandel stark zurückgedrängt worden. Die Verkaufserlöse blieben dabei nicht im Land, sondern landeten wieder bei Humana.

Vintage Kleidung steht voll im Trend – das wissen auch profitorientierte Unternehmen (Foto: Pexels, cottonbro studio)

Humana versteht sich als Social Buisness bzw. Social Enterprise. Also eine Wirtschaftsorganisation, die auf Profitmaximierung ausgelegt ist, jedoch einem sozialen Zweck dient: „[…]wir streben […] nach Gewinn und Rentabilität, allerdings mit dem Ziel, umfangreiche Mittel für unsere Projekte für Entwicklung zu generieren und in uns als Unternehmen zu investieren.“ In diesem Zitat wird die Ambivalenz schnell deutlich, denn zum einen will Humana Entwicklungshilfe leisten und sozial agieren, auf der anderen Seite strebt das Unternehmen nach Profit und arbeitet nach marktwirtschaftlichen Prinzipien.

Einnahmen decken in erster Linie Betriebskosten sowie Löhne ab und werden ins eigene Unternehmen investiert – der Reinerlös gehe dann in diverse Projekte. Ab welchen Summen dieser Reinerlös nun anfange, sei dahingestellt. Die Kleidung wird übrigens aus Kosten- und Flächengründen im Ausland sortiert. Humana arbeitet also auch hier nach neoliberalen Mustern und geht kommerziell vor.

Sollte ich auf Second Hand verzichten?

Nein. Auch wenn dieser Beitrag Humana und den Secondhand-Markt durchaus in ein schlechtes Licht rückt, ist das Konzept hinter Secondhand genial. Kleidung zu recyceln trägt dazu bei, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, kann Menschen in Notsituationen helfen und ist an sich sehr nachhaltig. Kritisch wird es dann, wenn aus diesem guten Grundgedanken ein Trend entsteht und profitorientierte Unternehmen den Markt dominieren. Lass dich davon jedoch nicht entmutigen: Geh auf Flohmärkte, mach private Tauschkreise, kauf bei kleinen Läden und spende an Organisationen, bei denen du dir sicher bist, dass die Kleidung in guten Händen ist. Eine Auswahl an solchen kleinen Geschäften findest du im Ethik.Guide in der Kategorie Mode.

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Ein Artikel von Christian Gigler
veröffentlicht am 23.02.2023
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