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Guerilla Gardening: Wie die Stadt zum Garten wird

Stell dir vor, du schlenderst an einem warmen Sommertag durch dein Grätzel. Zu deiner linken und rechten Seite säumen sich kleine Beete mit den verschiedensten Gemüsearten, Beeren und sogar einzelnen Obstbäumen. Dort, wo letztens noch graue, triste Betonflächen deine Laune in Schach hielten, strecken dir heute eine Reihe Sonnenblumen ihre Köpfe entgegen. Trotz der stechenden Sonne ist es kühl und du atmest den zarten Duft von Blumen ein. Eine Utopie, die sich die Guerilla Gardeners zum Ziel gesetzt haben.

Seedbombs: Die Waffen der Gartenrebellen bestehen aus Ton, Erde und Blumensamen (Foto: Unsplash, Jonathan Kemper)

Was ist Guerilla Gardening?

„Guerilla Gardening“ bezieht sich auf die geheime Aussaat von Pflanzen auf öffentlichen Flächen, ohne vorher eine Genehmigung einzuholen. Dazu werden Samen rund um Baumscheiben gestreut, Seedbombs, also kleine Kugeln aus Erde, Ton und Samen, auf Verkehrsinseln geworfen oder heimlich an geeignete Stellen ausgebracht. Bei Regenfall beginnen die Samen zu sprießen und verwandeln das triste Stadtbild in eine Blumenoase. Das Pflanzenrepertoire reicht von Salat über Kräutern, Beeren bis hin zu Gemüse und vor allem zieren auch eine Vielzahl an Blumen die Gartenoasen. Trotz der wohlwollenden Absicht ist Guerilla Gardening illegal und kann als Sachbeschädigung bestraft werden. Es handelt sich nämlich – per Definition – um das nicht genehmigte Bepflanzen von Flächen, die einem selbst nicht gehören. Dennoch wird die harmlose Protestaktion großteils toleriert.

Kurz zur Geschichte

Die Wurzeln des Guerilla Gardenings liegen im New York City der 1970er-Jahre. Das Stadtbild, geprägt von verwahrlosten Baulücken, wurde zur Mission der „Green Guerillas“. Die Begrünungsaktivist*innen begannen die heruntergekommenen Stadtviertel zu bepflanzen und legten mit den sogenannten Community Gardens den Samen der Pflanzenrebellion. Abgesehen davon, dass die gut gemeinte Aufwertung in New York City zu eklatant steigenden Mietpreisen führte und in Gentrifizierung mündete, fruchtete die Idee und verbreitete sich bald in Städten auf der ganzen Welt. Die anfangs wilden Gärten verwandelten sich vielfach in gemeinschaftliche Gartenprojekte, die dem Nachbarschaftsleben eine neue Bedeutung verlieh.

Guerilla Gardening goes Urban Gardening

Großteils ist das Guerilla Gardening von seinen rebellischen Kindesschuhen rausgewachsen und hat sich zum Urban Gardening oder Urban Farming weiterentwickelt. Dadurch hat es sich von der illegalen Grauzone distanziert und die einstigen Rebellierenden widmen sich stattdessen einer erlaubten und vielerorts sogar begrüßten Form des städtischen Gärtnerns, zum Beispiel in Form der genehmigten Bepflanzung von Brachflächen oder Baumscheiben.

Warum macht frau und man das?

Die Gründe für das wilde Garteln sind so vielfältig, wie die Samen, die die Guerilleras/os aussähen… Einige davon habe ich hier zusammengefasst:

  • Stadtbegrünung und -verschönerung: Die eingangs geschilderte Gedankenreise macht diesen Punkt sicher für jede*n nachvollziehbar… Ein weiteres Goodie ist das städtische Mikroklima und der geschaffenen Lebensraum für Insekten und Kleinstlebewesen
  • Urbane Selbstversorgung: Mit Rosmarin auf der Verkehrsinsel, Pilzen im Park, Heidelbeeren am Straßenrand und Paprika am verlassenen Grundstück sorgen Stadtbewohner*innen eigenverantwortlich für eine lokale Lebensmittelversorgung und streben damit nach Nahrungsmittelunabhängigkeit.
  • Politische Motive: Durch die kreative Protestform üben Menschen Kritik an der Umweltpolitik, der Agrarindustrie, der konventionellen Landwirtschaft oder an der zunehmenden Verbauung von Grünflächen und Fehlentwicklungen in der Stadtplanung.
  • Gemeinsame Nutzung von öffentlichem Raum und Gemeinschaftsbildung: Immer mehr städtische Flächen werden privatisiert, wobei ein gemeinschaftliches Leben gerade Begegnungsräume erfordert, die für jede*n nutzbar sind, Inklusion und Integration sowie gegenseitiges Lernen fördern.
  • Gesundes Leben: Nachdem wir Menschen zutiefst einfühlsame und beeinflussbare Wesen sind, ist unser Umfeld entscheidend für unser Wohlbefinden und für unsere Gesundheit. Dementsprechend nehmen die wilden Gärtner mit der Gestaltung ihrer unmittelbaren Umwelt ihre Gesundheit selbst in die Hand.

Mittlerweile entwickelte sich das Guerilla Gardening vielerorts zu Urban Gardening, die legale Form der Stadtbegrünung (Foto: pixabay, wohnblogAt)

Wo gartelt sich’s in Wien und in anderen Städten im deutschsprachigen Raum am besten?

Wie alle trendigen Dinge erreichten auch Guerilla Gardening und Community Gardens die österreichische Hauptstadt. Ihren Anfang fand die Gemeinschaftsgartenszene im Wiener Verein Gartenpolylog. Der „Yppengarten“ war 2007 der erste interkulturelle Gemeinschaftsgarten Wiens. Das Projekt lief zwar nur ein Jahr, doch der Geist des urbanen Gärtnerns starb keinesfalls, sondern suchte sich lediglich neue Bebauungsflächen. Der Verein Gartenpolylog unterstützt bis heute Wiener Gemeinschaftsgartenprojekte. Als Initiator, Begleiter, Wissensvermittler und Vernetzer zielt der Verein darauf ab, grüne Räume der Begegnung und der Vielfalt zu verbreiten.

Mittlerweile hat auch die Stadt Wien auf den Wunsch nach mehr Grün in der Stadt reagiert und unterstützt seit einigen Jahren sogar aktiv die Entstehung von Nachbarschafts- und Gemeinschaftsgärten sowohl finanziell als auch durch Service und Beratung. Viele neue Wohnanlagen wie im Bereich des Nordbahnviertels bieten ebenfalls Hochbeete oder Gärten für die Bewohner*innen. Damit floriert die Szene in unterschiedlichsten Projekten: Ob im Längenfeldgarten, den man von der U6 aus begutachten kann, im Simmeringer Elfengarten, im Garten der Salatpiraten im 7. Bezirk oder im Tigergarten im 8. Bezirk – du wirst fast in jedem Bezirk fündig, was die Möglichkeit des Auslebens deiner Garten-Leidenschaft betrifft. Außerdem kannst du die überall in Wien verteilten Baumscheiben bepflanzen, nähere Infos bei der Gebietsbetreuung Stadterneuerung.

In Deutschland prägen ganz klar die Metropolen den Trend, allen voran Berlin. Am Moritzplatz wurden 2009 die Prinzessinnengärten geboren, ein lebendiger Nutzgarten, der zudem als Treffpunkt und ökologischer Bildungsort dient. Zusätzlich bietet Berlin einen Bauerngarten in Spandau, eine Wildblumenwiese oder das himmelbeet im Wedding, ein interkultureller Gemeinschaftsgarten. Sehr aktiv ist auch die Münchner Szene, gefolgt von Köln, Hamburg, Münster und Frankfurt.

Die wilden Zeiten sind damit vorbei, aus dem Guerilla-Gardening ist ein innovatives gemeinschaftliches Vorzeige-Projekt entstanden, das in vielerlei Hinsicht wertvoll für unsere Gesellschaft ist.

Bist du Stadtgärnter*in mit höherem Platzbedarf? Im Ethik.Guide, dem nachhaltigen Einkaufsführer, findest du in der Kategorie Lebensmittel unter anderem Adressen von Selbsterntefeldern.
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Ein Artikel von Denise
veröffentlicht am 28.03.2023
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