Neuartige Erntekonzepte schießen in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden. So auch die Initiative Mundraub.org. Über die Internetplattform werden allgemein zugängliche Obstbäume und -sträucher sichtbar gemacht. Damit soll Lebensmittelverschwendung vorgebeugt werden, gemeinschaftliches Denken gefördert und die Verbindung zur Natur wieder gestärkt werden.
Kind pflückt Erdbeeren

Mundraub im Sinne einer Entwendung ist entgegen dem weitverbreiteten Volksglauben sehr wohl eine Straftat. Dies gilt jedoch nicht für Verwandte aus demselben Haushalt. (Foto: Unsplash, Kelly Sikkema)

Mundraub im eigentlichen Sinn

Der Begriff Mundraub wird nur im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet. Er umschreibt den

„Diebstahl von Nahrungsmitteln oder Genussmitteln in geringer Menge oder von unbedeutendem Wert zum alsbaldigen Verbrauch.“

Mundraub fällt dabei nach österreichischem Gesetz unter den Tatbestand der Entwendung. Wer beispielsweise Früchte und Beeren aus der Not heraus oder aus purer Lust heraus stiehlt, dem droht eine Geldstrafe von bis zu 60 Tagessätzen und im schlimmsten Fall eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Monat. Die gestohlene Menge spielt beim Strafausmaß eine entscheidende Rolle. Strafverfolgungsbehörden dürfen aber nur im Falle einer Strafanzeige durch die bestohlene Person aktiv werden. Dies hat vor allem in Zeiten wirtschaftlicher Stagnation und weit verbreiteter Armut eher Seltenheitscharakter. In den Nachkriegszeiten wurde Mundraub beispielsweise in der Regel weniger hart bis gar nicht bestraft. Der Kölner Erzbischof Joseph Kardinal Frings rechtfertigte nach dem 2. Weltkrieg Mundraub für den Eigenbedarf. Aus der Not heraus stehlen, wird deshalb heute noch als „fringsen“ bezeichnet. Im nächsten Kapitel zeigen wir euch eine Initiative, die Mundraub ohne Diebstahl möglich macht.

Obst sammeln

Mundräuber*innen sammeln für den Eigenbedarf und gehen dabei verantwortungsvoll mit der Natur und ihren Ressourcen um (Foto: Pexels, Zen Chung)

Initiative Mundraub.org

Mundraub ohne Diebstahl. Mundraub.org machts möglich. Im Grunde genommen als Initiative im Sinne der Regionalität entstanden, geht es darum, lokale Obst- und Nussbäume sowie -sträucher vor der Verrottung zu bewahren. Die Ideengeber, Kai Gildhorn und Katharina Frosch, wollten damit eine Alternative zum fragwürdigen Konsum plastikverpackter „exotischer“ Früchte bieten. Es funktioniert folgendermaßen: Über die Internet-Plattform Mundraub.org findet ihr auf einer interaktiven Karte alles von Früchten, Gemüse bis hin zu Nüssen. Dabei werden nur jene Pflanzen vermerkt, die auch legal und kostenlos zugänglich sind. Manchmal handelt es sich um Wildpflanzen, manchmal aber auch um das Eigentum von Privatpersonen. Beim Ernten sind sinngemäß folgende Regeln zu beachten:

  1. Verletzung von Eigentumsrechten sowie das Betreten von Schutzgebieten als No-Go!
  2. Respektvoller Umgang mit Natur und Tieren und nur für den Eigenbedarf pflücken.
  3. Entdeckungen teilen.
  4. Mithilfe bei der Pflege und Nachpflanzung von Obstbäumen.

Mundraub.org ist eine Community-basierte Plattform. Dementsprechend kann sich dort jeder registrieren, um neue Ernteplätze einzutragen oder bestehende zu aktualisieren.

Fahrradweg

Mundraub als Möglichkeit in die Natur rauszukommen. Mit Radtouren und anderen Outdoor-Aktivitäten hervorragend kombinierbar (Foto: Pixabay, Manfred Antranias Zimmer)

Der Selbstversuch

Wie funktioniert der Mundraub in der Praxis? Ich habe den Selbstversuch gewagt. In meiner aktuellen Heimat Sankt Pölten habe ich mich mit der interaktiven Karte von Mundraub.org auf die Suche gemacht. Bereits bei meinem ersten Ziel wurde ich mit einer unglaublichen Fülle an Obst und Nüssen überrascht. In Erwartung eine Johannisbeerstaude zu finden, fand ich mich schlussendlich im Garten des Niederösterreichischen Landesmuseums wieder. Dort erblickte ich neben der besagten Staude auch zahlreiche weitere Obstbäume und -sträucher sowie Nussbäume. Von einem Zwetschkenbaum, mehreren Hagebuttensträuchern bis hin zu einem Walnussbaum. Es besteht dementsprechend noch reichlich Potenzial, die interaktive Karte mit bereits vorhandenen Ernteangeboten zu ergänzen. Zehn Minuten mit dem Rad in südwestlicher Richtung später wurde ich ebenfalls fündig. Die eingezeichneten Haselnussbäume und -sträucher standen an der angegebenen Stelle und trugen reichlich Früchte.

Der Selbstversuch ist in diesem Sinne ein voller Erfolg gewesen. Persönlich am besten gefallen haben mir die Pflanzensteckbriefe mit Details zu den einzelnen Nuss-, Obst- und Gemüsesorten. Besonders die Angabe von Reife- und Erntezeit ist unglaublich hilfreich.

Fazit

Die community-basierte Plattform Mundraub.org zeigt, dass Mundraub nichts mit Diebstahl zu tun haben muss. Es ist eine Initiative, die hilft, unseren Zugang zur Natur und unser Konsumverhalten neu auszurichten. Anstelle von über Kontinente transportiertem und verpacktem Obst findest du mit der interaktiven Karte von Mundraub.org ganz einfach frische und regionale Früchte in deiner unmittelbaren Umgebung. Im Anschluss teilst du die eigene Entdeckung. Wie alle Mitglieder der Community. Im Sinne einer gemeinschaftlichen Obstallmende. Dabei gibt es nur Gewinner*innen und der Lebensmittelverschwendung wird Einhalt geboten. Ich habe bereits den Selbstversuch gewagt, jetzt bist du dran. Viel Spaß!

 

Artikel teilen:
Hat dir der Artikel gefallen? Dann unterstütze uns mit einer Spende ab 1€, damit wir uns weiterhin für eine gerechte, nachhaltige und tierfreundliche Welt einsetzen können. Danke!
Profilbild
Ein Artikel von Benedikt Schweigl
veröffentlicht am 10.09.2024
Student im interdisziplinären Masterstudiengang "Zeitgeschichte und Medien" mit großer Leidenschaft für Gerechtigkeits- und Nachhaltigkeitsthemen. Als angehender Journalist versuche ich durch Aufklärung und Wissensvermittlung zu einem ethischen Konsumverhalten beizutragen.
DSGVO Cookie-Einwilligung mit Real Cookie Banner