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Skandal bei Geflügelmast: Wie viel sind Gütesiegel noch wert?

Millionenfach leiden Tiere tagtäglich und dabei spielt es laut einem Report von Foodwatch keine Rolle, ob diese in Massentierhaltung oder in kleinen Bio-Betrieben leben. Der zuletzt aufgedeckte Skandal um Hühnerleichen in einem steirischen Mastbetrieb mit AMA-Gütesiegel-Auszeichnung lässt die Frage wieder aufleben, inwiefern Gütesiegel tatsächlich für artgerechte Haltung stehen.

Eine Studie aus der Schweiz kommt zum Ergebnis, dass 97 Prozent aller Legehennen Knochenbrüche aufweisen – egal ob in konventioneller oder in Bio-Haltung (Foto: Unsplash, Egor Myznik)

Im Ethik.Guide, dem nachhaltigen Einkaufsführer, findest du in der Kategorie Lebensmittel sämtliche Bezugsquellen für eine genussvollen, tier- und klimafreundlichen Ernährung: Bioläden und –Lebensmittelmarken, Unverpackt-Läden, Bio-Bäcker und –Winzer, Biokisten-Zusteller und Solidarische Landwirtschaften, aber auch Adressen von Selbsterntefeldern. Es kann auch nach rein veganen Anbietern oder bioveganer Landwirtschaft gefiltert werden.

Schockierende Verhältnisse in steirischem Geflügelmastbetrieb

Im vergangenen Dezember entdeckte der Verein gegen Tierfabriken (VGT) alarmierende Verhältnisse in einem Hühnermastbetrieb in der Steiermark. Nicht nur lebten über 60 000 Hühner in einer kahlen Halle dicht aufeinander gedrängt, sie wurden auch bei dem Transport zum Schlachthof teilweise rücksichtslos von einem Teleskoplader überfahren. Die Leichenteile wurden anschließend verwahrlost zwischen den lebenden Tieren zurückgelassen. Doch am meisten schockiert, dass der Betrieb mit einem AMA-Gütesiegel ausgezeichnet ist, welches hohe Qualität suggeriert.

Der Verein gegen Tierfabriken hat Anzeigen wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz erstattet. Auch der österreichische Chef von Rewe, Marcel Haraszti zeigt sich in einem Interview mit dem „Kurier“ bestürzt. Der Agrarmarkt Austria hat daraufhin mehrere unangekündigte Kontrollen in dessen Betrieben durchgeführt, sei aber nicht auf grobe systematische Abweichungen noch auf Beanstandungsgründe bei der Tierhaltung gestoßen. Auf die darauffolgende Kritik antwortete AMA damit, dass bei einzelnen Betrieben Verbesserungspotenzial herrsche und bei den jährlichen Kontrollen härtere Maßnahmen eingeführt werden.

Studie zeigt: Nutztiere leiden auf Bio-Höfen genauso wie in konventionellen Betrieben

Der Geflügelmastbetrieb ist kein Einzahlfall. In zwei weiteren steirischen Hühnermastberieben wurden ähnliche Zustände dokumentiert. Und vor Kurzem wurden auch schreckliche Zustände bei einem mit AMA-Gütesiegel ausgezeichneten Schweinehalter entdeckt. Eine zuletzt erschienene Studie von „Foodwatch“ zeigte, dass über 40 Prozent aller Schweine in Tierhaltungen an Krankheiten wie Lungenentzündungen leiden. Auch bei Milchkühen wurden Erkrankungen bei über 39 Prozent festgestellt.

Bei Hühnern ist es noch schlimmer: 97% aller Legehennen weisen Knochenbrüche auf können durch künstlich vorangetriebenes Wachstum am Ende der Mast nicht mehr laufen. Besonders interessant an der Studie ist, dass die Haltungsform keine großen Unterschiede in Bezug auf die Gesundheit der Tiere hat.  Sowohl in Betrieben mit Massentierhaltung als auch in kleinen Bio-Bauernhöfen gibt es kranke und verletzte Tiere. Entscheidend für das Wohlergehen ist das Stallmanagement.

Um eine artgerechte Tierhaltung zu ermöglichen, müssen somit laut Foodwatch, Gesundheitsdaten jedes einzelnen Betriebes systematisch erfasst werden. Tierfabriken, in denen mangelhafte Bedingungen herrschen, müssen zu Verbesserungen aufgefordert werden. Sollte sich nichts ändern, müsste es zu niedrigeren Agrarsubventionen kommen.

Gütesiegel im Check

Die scheinbar endlose Masse an Gütesiegeln kann einen schnell überfordern. Mehr als 200 lassen sich in österreichischen Supermärkten finden. Dabei sind Güte-, Marken und Qualitätszeichen durchaus sehr hilfreich:  Sie machen die Lebensmittelherstellung besser für Mensch, Tier und Natur und helfen dabei, einen umweltbewussten, nachhaltigen Lebensstil zu führen. Allerdings werden viele dieser Gütesiegel nur zu Marketingzwecken verwendet. So werden etwa bei Eigenmarken von Supermärkten Untersuchungen durchgeführt, bei denen das Unternehmen sich selbst kontrolliert.

Wir haben zusammengetragen, wo du dich darüber informieren kannst, was Gütesiegel eigentlich aussagen:

  • In unserem Artikel „Gütesiegel und Tierwohl“ kannst du nachlesen, was die wertvollsten Gütesiegel bezüglich Haltungsbedingungen vorscheiben.
  • Die Tierombudstelle Wien hat Gütesiegel für Michkühe, Schweine und Geflügel bewertet.
  • Greenpeace hat Gütesiegel systematisch analysiert und nach deren Vertrauenswürdigkeit kategorisiert.
  • Bei Global 2000 wurden sien nach den Kategorien Umwelt, Soziales, Tierwohl und Fundiertheit sortiert.

Fazit

Ein gutes Gütesiegel braucht neben durchdachten Kriterien auch ein strenges Kontrollsystem und strengere gesetzliche Rahmenbedingungen. Denn Tierwohl lässt sich nicht ausschließlich an Haltungsrichtlinien messen, sondern vor allem an der Gesundheit der Tiere. Es ist also klar: Wir brauchen strengere Gesetze und häufigere unabhängige Kontrollen.

 

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Ein Artikel von Viktoria Rybicki
veröffentlicht am 8.02.2023
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