Tiertransporte hautnah – ein Interview
Was waren deine Beweggründe, für Animals International zu arbeiten?
Die höchst professionelle, strategische und zielorientierte Herangehensweise von Animals International hat mich überzeugt. Ich wollte auch gerade für sogenannte Nutztiere etwas tun: hier geschieht immenses Leid, das oft nicht wahrgenommen bzw. von der Öffentlichkeit abgeschottet wird. Tiere sind uns allgemein sehr ausgeliefert, vor allem im Lebendexport ist dies besonders dramatisch. Dabei geht es nicht nur um den oft qualvollen Transport an sich. EU-Staaten senden Rinder in Länder, in denen sie keine Gesetze schützen. In Länder in denen das Ausstechen der Augen oder das Zertrennen der Sehnen von Vorder- und Hinterbeinen gängige Methoden sind, um die Tiere zu bändigen und im Anschluss mit einem Kehlenschnitt zu töten – bei vollem Bewusstsein. All dies geschieht an weitentfernten Orten, weit weg von unseren Augen.
Kannst du uns eines deiner Erlebnisse schildern?
An einem EU-Hafen dokumentierten wir das Aufladen von Rindern auf ein Schiff, unter anderem mit österreichischen Tieren! Wir konnten massive gesetzliche Verstöße feststellen:
- missbräuchliche Verwendung des Elektroschockers im Gesicht und Anus;
- aus Panik kletterten Tiere unterschiedlichen Alters und Größe über- und untereinander, die Rampen waren zu rutschig und zu steil;
- ein Tier kollabierte, lag länger als zwanzig Minuten zwischen LKW und Schiff am Boden. Kübel mit Wasser wurden auf das Tier geleert, um es zum Aufstehen und letztendlich auf das Schiff zu bewegen.
Hinzu kam die enorme Lärmbelastung durch laute Ventilatoren am Schiff, die die Qual bei 41°C kaum mildern konnten.
Besonders tragisch war es, als ein junger Bulle ausbrach und quer über den Hafen fliehen wollte. Vor lauter Panik wäre er fast ins offene Meer gesprungen, um seinem grausamen Schicksal zu entkommen. Mit Gebrüll und Tritten gelang es den Arbeitern das verängstige, erschöpfte Tiere auf das Schiff zu treiben.
Es gibt ja konkrete Regelungen in der EU, die eine möglichst gute Versorgung der Tiere während des Transports gewährleisten sollen. Wie wird das auf Schiffen umgesetzt?
Auf dem Papier muss die Einhaltung der Tierschutzbestimmungen bis zum Bestimmungsort garantiert werden. „Tierschutz endet nicht an der Unionsgrenze“, so der Europäische Gerichtshof. Das heißt, ein Gesetz ist vorhanden. Wie auch andere Organisationen aufzeigen, scheitert es aber an der Einhaltung bzw. Durchsetzung. Zudem ist zu hinterfragen, ob es überhaupt möglich ist, den Schutz der Tiere auf Schiffen zu garantieren.
Eine Reise aus der EU kann zwischen einigen Tag aber auch bis über zwei Wochen dauern. Größtenteils werden alte, umfunktionierte Schiffe verwendet, beispielsweise ehemalige Auto-Transporter. Die Gefahr eines technischen Gebrechens ist immer präsent. Das betrifft nicht nur Tiere, sondern genauso die Crew. Auch das Wetter ist ein großes Risko bzw. macht einen tierschutzkonformen Transport unmöglich: Der Wellengang muss nicht stark sein, dass die Tiere hin- und hergeworfen werden und schwerwiegende Traumata erleiden, von einem Sturm ganz zu schweigen. Abseits von Verletzungen leiden viele Tiere unter Atemwegserkrankungen, Schafe haben durch ihre Wolle einen enormen Hitzestress.
Einmal haben wir Tiere bei der Ankunft in der Türkei gesehen, die von oben bis unten mit Kot und Urin verschmiert waren. Dies birgt neben der Gefahr von Infektionen auch die Kontamination des Futters und Wassers und somit die Entwicklung von Krankheiten in sich, was auch für den Menschen gefährlich werden kann. Es ist zudem nicht vorgeschrieben, dass einE TierärztIn das Schiff begleitet – so ist nicht einmal eine Notversorgung gewährleistet. Ein großes Problem der Verschiffung ist auch, dass es keine Verpflichtung zur Berichterstattung gibt (wie viele sind verletzt, krank oder sterben), somit ist jede Evaluierung unmöglich, es gibt Null Transparenz. Tote Tiere aber auch die Ausscheidungen werden im Meer entsorgt, das wiederum ökologische Folgen hat.
Wie geht es mit den überlebenden Tieren weiter?
Eine Recherche führte mich zu einem libanesischen Schlachthaus. An einem Bein hochgezogen, brechen sämtliche Knochen der Rinder, noch bevor sie ausgeblutet sind. Der Ausdruck in den Augen der Tiere ist niederschmetternd: pure Angst und Panik, völlige Hilflosigkeit. Es wurde eine unglaubliche Anzahl an Rindern und Schafen ohne Betäubung nebeneinander unter Sichtkontakt geschlachtet, wir standen „knöcheltief“ in einem Blut-Urin-Kot-Gemisch, der Gestank war unerträglich. Katastrophale hygienische Bedingungen, ein Problem nicht nur für die Tiere, sondern auch für die Menschen!
Wir dürfen jedoch nicht mit dem Finger auf solche Zustände zeigen. Mangelnde Ausbildung, Aufklärung und schlechte Lebensbedingungen drängen Menschen zu solchem Handeln. Viele haben Angst vor den Tieren, was die grausamen Methoden erklärt, um die Tiere zu bändigen. Zudem sind es die EU und die Mitgliedstaaten, die Tiere mit dem Wissen über diese Zustände, dorthin senden. Dies ist nicht nur unmoralisch, wenn man das unfassbare Leid der Tiere bedenkt.
In Zeiten in denen die Vereinten Nationen zur Reduktion des Fleischkonsums aufrufen, setzen EU Länder alles daran, mehr und mehr Tiere zu exportieren und treiben somit den Fleischkonsum in den Drittländern in die Höhe.
Dies resultiert häufig aus dem Überschuss an männlichen Milchkälbern, die in der Milcherzeugung als unnützes Abfallprodukt keine Verwendung finden und deshalb zur oder nach der Mast exportiert werden. Österreich sendet nur wochenalte, nicht von der Muttermilch entwöhnte Kälber in andere EU Länder, wo manche von ihnen für den Export in Drittländer gemästet werden. Vor kurzem machten zwei Kälber, die von einem Transporter gefallen sind, Schlagzeilen.
Viele Tiere legen bereits in der EU tausende Kilometer zurück, bevor sie auf Schiffe verfrachtet werden. Absolut unlogisch. Es gibt keine kulturellen oder religiösen Gründe, warum die Tiere nicht in der EU geschlachtet und ihre tiefgekühlten Kadaver versendet werden können. Schaut man sich die Statistiken der Importländer an, beziehen sie bereits gefrorenes Fleisch, die Kühlsysteme stehen zur Verfügung.
Wie gehst du damit um, wenn die Bilder dich verfolgen? Was gibt dir Kraft?
Vor Ort funktioniert man durch den Adrenalinausstoß automatisch – intensiv werden die Gefühle vor allem beim Sichten und Schneiden der Videos. Kraft spendet mir der Gedanke, dass durch meine Arbeit die Geschichten der einzelnen Tiere erzählt werden und deren traurige Schicksale nicht im Verborgenen bleiben. Wie die vom mächtigen Bullen aus Deutschland, der in einem ägyptischen Schlachthaus alle Quälereien über sich ergehen ließ – ohne jegliche Gegenwehr, völlig gewaltlos. Er hätte zu jeder Zeit angreifen oder sich verteidigen können. Hat er aber nicht. Wir sollten von ihm lernen.
Es ist mein größtes Anliegen, Empathie zu wecken, denn dies ist ein mächtiger Schlüssel für Veränderung. Ich bin fest davon überzeugt, dass jeder Mensch in der Lage ist, Mitgefühl zu empfinden, man muss es nur zulassen.
In sehr intensiven Zeiten erinnere ich mich gerne daran, dass bereits ein positiver Wandel stattfindet, der nicht mehr zu verleugnen ist. Von meinen Kollegen aus der ganzen Welt erhalte ich Feedback, dass sich immer mehr Menschen mit Tierschutz und Umwelt auseinandersetzen und sich aufgrund dessen für eine gesunde vegane Ernährung entscheiden.
Danke für deine offenen Worte und für deine wichtige Arbeit!
Sowie Aufdeckungsarbeiten eine wichtige Rolle spielen, braucht es Organisationen, die über Alternativen zu Tierprodukten informieren und hilflosen Köchen wie mir verraten, wo man vegane Köstlichkeiten genießen kann.
Animals International
Animals International ist der globale Arm von Animals Australia. Ihre strategisch gestalteten Informationskampagnen genießen weltweit hohe Anerkennung. Ihre bahnbrechenden Recherchetätigkeiten umfassen inzwischen 16 Länder, in denen sie Tiermissbrauch in den Fokus gerückt, Regierungen zum Handeln bewegt und einzelne Personen wie auch Gemeinschaften ermutigt haben, sich für den Tierschutz einzusetzen.
2017 dokumentierte Animals International die unsäglich grausame Behandlung und Schlachtung von europäischen Tieren in Ägypten, Jordanien, Libanon, Marokko, den palästinensischen Gebieten und Tunesien. Beweismaterial bestätigt, den Verstoß gegen internationale Transport- und Schlachtstandards.