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Konzerne in die FAIRantwortung – warum wir ein starkes Lieferkettengesetz brauchen

Viele von uns zerbrechen sich tagtäglich den Kopf darüber, wie sie fair und umweltfreundlich einkaufen – stundenlanges Studieren des Kleingedruckten auf Verpackungen inklusive. Aber warum sind es nicht die Konzerne, die sich diese Mühe machen müssen? Warum kommen überhaupt Produkte auf den Markt, die unter unfairen Arbeitsbedingungen und Umweltzerstörung hergestellt wurden? Unsere Gastautorin Anna Leitner von GLOBAL 2000 erklärt, warum Konzerne in die Verantwortung für ihre Lieferketten genommen werden müssen und was das EU-Lieferkettengesetz damit auf sich hat.
Containerumlagerung im Hafen aus Vogelperspektive.

Die Richtlinie zur Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit ist auf EU-Ebene in der letzten Verhandlungsphase. Jetzt muss noch mal Druck für eine ambitionierte nationale Unsetzung aufgebaut werden. (Foto: Pexels, Tom Fisk)

Auf einen Blick

  • Konzerne achten bei der Herstellung und Entsorgung ihrer Produkte kaum auf Menschenrechte, Umweltschutz und Emissionen. Das EU-Lieferkettengesetz soll das ändern
  • Doch der Gegenwind aus der Wirtschaftslobby ist stark. Viele wichtige Aspekte, wie die verpflichtende Einhaltung des Pariser Klimaabkommens, drohen aus dem Gesetz gestrichen zu werden
  • Mach dich gemeinsam mit uns für ein starkes Lieferkettengesetz mit Klimaverpflichtungen stark und unterstützte jetzt unsere Petition für saubere und gerechte Lieferketten!

Was ist eine Lieferkette?

Um das zu erklären, nehmen wir ein alltägliches Beispiel – ein Smartphone. Bevor es in unseren Händen landet, geht es einmal um die Welt: Im Innenleben stecken Gold aus Lateinamerika und Kobalt aus Afrika, die Hülle besteht aus Plastik, der Zusammenbau erfolgt in China. Die Lieferkette ist nichts anderes als der Weg, den das Handy vom Rohstoffabbau bis zum Verkauf durchläuft. Jedes Unternehmen, das hier einen Beitrag leistet, ist Teil davon. Werden auch Nutzung, Verwertung und Entsorgung einbezogen, redet man von der Wertschöpfungskette.

Was ist das Problem mit der Lieferkette?

Leider geht innerhalb der globalen Wertschöpfungsketten so einiges schief. Beim Abbau von Metallen werden oft gesamte Landstriche durch giftigen Minenabfall verseucht – eine Katastrophe für die lokale Bevölkerung und Natur. Der Zusammenbau erfolgt meistens unter untragbaren Bedingungen für Arbeiter*innen, bei denen lange Arbeitszeiten, niedrige Löhne und fehlende Sicherheitsvorkehrungen die Norm sind. Die wenigsten Produkte werden fachgerecht recycelt, der Großteil achtlos entsorgt – beispielsweise landen geschätzt Dreiviertel des europäischen Elektroschrotts illegalerweise auf afrikanischen Mülldeponien. Zudem kommt es immer wieder zu gröberen Umweltkatastrophen und Arbeitsunfällen, Betroffenen wird der Zugang zu Gerechtigkeit aber meistens verwehrt.

Ein ähnliches Bild zeichnet sich bei Treibhausgasemissionen ab. Konzerne geben häufig vor, „klimaneutral“ zu sein. Dabei beziehen sie sich häufig nur auf „direkte“ Emissionen – also die, die sie selbst ausstoßen. Beim Konzern Apple sind das beispielsweise die Abgase seiner Firmenwagen. Die Emissionen, die bei der größtenteils ausgelagerten Produktion entstehen, werden nicht direkt dem Konzern zugeschrieben. Das betrifft auch Emissionen, die während der Nutzung und Verwertung der Smartphones entstehen. Viele Konzerne sehen sich nicht für diese “indirekten” Emissionen verantwortlich. Dabei ist ihr Anteil oftmals riesig. Bei Apple waren es 2021 mehr als 99 Prozent!

Wie kommen wir aus dem Schlamassel?

Um diesen Praktiken einen Riegel vorzuschieben, hat die EU-Kommission im Februar 2022 die “Richtlinie zur Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit” auf den Weg gebracht – auch “Lieferkettengesetz” genannt. Es soll Konzerne dazu verpflichten, ihre Wertschöpfungsketten auf Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung zu prüfen. Werden Risiken oder Verstöße festgestellt, müssen diese minimiert und beendet werden – und das über Ländergrenzen hinweg!

Smartphone Konzerne müssten dann beispielsweise sicherstellen, dass ihre Lieferanten von Gold und Kobalt Umweltstandards einhalten. Sonst drohen Strafen. Zudem könnten Betroffene erstmals gerichtlich vorgehen. Konzerne könnten ihre Verantwortung also nicht mehr auf ihre Zulieferer oder Kund*innen abwälzen. Ein riesengroßer Hebel vor allem für Menschen im Globalen Süden, die derzeit den höchsten Preis des Status quo zahlen.

Zu schön, um wahr zu sein?

Der Wirtschaftslobby ist das Gesetz ein Dorn im Auge – sie versucht mit aller Macht, das Gesetz zu verwässern. Die Richtlinie ist in der letzten Verhandlungsphase auf EU-Ebene (die mit Ende 2023 abgeschlossen werden soll) und viele wichtige Aspekte drohen gestrichen zu werden. Die Mitgliedsstaaten wollen zum Beispiel verhindern, dass sich Konzerne in Zukunft an das Pariser Klimaabkommen halten müssen und dementsprechend zur Reduzierung ihrer Treibhausgasemissionen verpflichtet werden. Eine nie dagewesene Chance für die Erreichung des 1,5 Grad Ziels!

Deshalb fordern wir von den Verhandler*innen, allen voran Wirtschaftsminister Kocher und Justizministerin Zadic, ein starkes EU-Lieferkettengesetz mit Klimaverpflichtungen! Erhebe auch du deine Stimme und unterstütze unsere Petition – dann übergeben wir die Unterschriften an die zwei Minister*innen. Zeigen wir ihnen, dass die Zivilgesellschaft Konzerne in die Verantwortung nehmen will!

Beschreibung der Autorin

Anna Leitner kämpft als Campaignerin für Lieferketten und Ressourcen bei GLOBAL 2000 für das Schöne. Dabei zeigt sie Lösungen und Alternativen zum derzeitigen Produktions- und Konsumsystem auf und setzt sich für eine zukunftsfähige Postwachstumswirtschaft ein. Ihr frühes Interesse an Umwelt und Gerechtigkeit wurde mit ihrem Studium des Umwelt- und Bioressourcenmanagement an der BOKU Wien weiter gefördert.

 

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Ein Artikel von der Ethik.Guide-Redaktion
veröffentlicht am 11.12.2023
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