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Was steckt wirklich hinter Bio?

Achtung, dieser Post ist bereits aus dem Jahr 2017. Einige Informationen könnten veraltet sein.
Gehört ihr auch zu denjenigen, die mehr Geld in die Hand nehmen, um Bioprodukte zu kaufen? Wenn ja, ein Lob an euch, denn ihr zeigt damit, dass ihr Verantwortung für Umwelt, Tiere und eure eigene Gesundheit übernehmen wollt und bereit seid, für bessere Qualität mehr zu bezahlen. Doch zwischen dem, was Verbraucher unter „Bio“ verstehen, und dem, was tatsächlich hinter der idyllischen Natur-Pur-Reklame und Tierwohl-Werbeversprechen steckt, liegen Welten. Die „Bio“-Idylle ist schnell keine mehr, wenn man hinter die Kulissen blickt und das „glückliche Bioschwein“ entpuppt sich als moderner Mythos. Das führt den Gedanken hinter Bioprodukten in vielen Fällen ad absurdum.
biologische Landwirtschaft

(Foto: Pixabay, marmax)

Das Problem… sind eigentlich mehrere Probleme

Mit dem wachsenden Bewusstsein rund um Herstellungsbedingungen unserer Lebensmittel steigt auch die Nachfrage nach besseren Alternativen und mit ihr das (fragwürdige) Angebot. Die Lebensmittelindustrie ist – man glaubt es kaum – mehr am Gewinn, denn am Tierwohl interessiert. Und solange wir kein schlechtes Gewissen gegenüber den Tieren auf unseren Tellern haben, kaufen wir sie weiterhin. Darum packt die Fleischindustrie ihre Produkte gerne in ein gesund und natürlich wirkendes Design, bindet ein schönes Werbe-Schleifchen darum und beruft sich auf biologische Standards und „artgerechte Tierhaltung“.

Deshalb möchten wir euch hier einen Überblick über Kennzeichnungspraktiken von „Bioprodukten“ geben, einen Blick in die EU-Ökoverordnung werfen sowie das Leben eines Bioschweines dem eines konventionell gehaltenen gegenüberstellen.

Kennzeichnung von Bioprodukten

Sieht man sich im Supermarkt um, scheint es kaum ein Produkt zu geben, das nicht:

Deutsches Bio-Siegel

  • „fair“
  • „naturrein“
  • „handverlesen“,
  • „aus der Region“
  • „aus kontrolliertem Anbau“
  • „artgerecht“
  • „ausgewogen“
  • „aus biologischem Anbau“
  • „natürlich“
  • „frei von Geschmacksverstärkern“
  • „vom Bauernhof“
  • „vom Land“
  • „traditionell“
  • „heimisch“
  • oder selbstverständlich „nachhaltig“ ist.

Formulierungen wie „aus artgerechter Tierhaltung“, „Premiumqulität“ und eine Fülle an, teilweise selbst kreierten (Güte)Siegeln, Logos und Marken mit unterschiedlichen Standards, tun ihr Übriges. Der Verbraucher weiß in der Regel nur recht wenig bis gar nichts über das Produkt, das er kauft.

Von den oben genannten Bezeichnungen ist übrigens lediglich „aus biologischem Anbau“ ein EU-weit geschützter Begriff, der an Auflagen gebunden ist. Die restlichen Aussagen fallen eher in die Kategorie „legaler Werbeschmäh“.

EU-Bio-Logo

Bio-Siegel der Europäischen Union

Bio-Siegel der Europäischen Union

Eine erste Orientierungshilfe im Bio-Wirrwarr bietet das 2010 eingeführte EU-Bio-Logo. Es garantiert, dass Produkte, die innerhalb der europäischen Union verkauft und mit den Worten „Bio“ oder „Öko“ (sowie „kontrolliert biologischer Anbau“/“kontrolliert ökologischer Anbau“) beworben werden, mindestens die Standards der EU-Ökoverordnung erfüllen. Es ist sozusagen der kleinste gemeinsame Nenner, wenn man in der Europäischen Union von „Bio“ spricht – eine Mindestvorgabe.

Kritik an EU-Ökoverordnung

Die EU-Ökoverordnung hebt sich vor allem in puncto Futtermittel von der konventionellen Landwirtschaft ab und weniger im  Tierschutzbereich. Liest man die Verordnung genau, entdeckt man viele Ausnahmeregelungen, allen voran den Tierschutz betreffend. Zudem endet jedes „Bio“-Zertifikat beim Transport zum Schlachthof.

In der EU-Ökoverordnung heißt es hierzu nur schwammig:

„Ein Leiden der Tiere, einschließlich Verstümmelung, ist während der gesamten Lebensdauer der Tiere sowie bei der Schlachtung so gering wie möglich zu halten“

Kuh

(Foto: Pixabay, Pexels)

Die Verbraucherorganisation Foodwatch oder auch Greenpeace kritisieren sie darum stark. Es gäbe zu viele schwammige Formulierungen, Grauzonen und konventionellen Spielraum für die Produzenten. So sind beispielsweise das schmerzhafte Enthornen von Rindern, die Kastration von Schweinen ohne Betäubung, die Anbindehaltung von Rindern oder das Schreddern von männlichen Küken erlaubt. Zudem ist nur eine Teilumstellung des Betriebes auf „Bio“ erforderlich. So können Gemüse und Getreide ökologisch angebaut sein, während die Tiere am selben Hof auf konventionelle Art gehalten werden.

Ein weiteres Manko der Verordnung ist, dass etliche Punkte überhaupt nicht geregelt sind, wie z.B. faire Löhne, wichtige Tierschutzfragen, der Ressourcenverbrauch oder negative Klimaeffekte. Außerdem sei die Herkunftsangabe „aus EU-Land“, „aus Nicht-EU-Land“ oder „aus EU-Land/aus Nicht-EU-Land“ wenig aussagekräftig. Foodwatch fordert unter anderem mehr Transparenz für den Konsumenten.

„Es gibt natürlich auch Richtlinien für die Eingriffe, die bei den Schweinen – auch bei BIO Schweinen – vorgenommen werden. Diese Richtlinien unterscheiden sich aber leider in keinster Weise von den konventionellen. Den Ferkeln dürfen auch hier bis zum siebten Lebenstag die Zähne abgeschliffen, die Schwänze kupiert und die Kastration ohne Betäubung vorgenommen werden!“

Verein gegen Tierfabriken

biologische Landwirtschaft

(Foto: Pixabay, sergemerle)

Bioschwein vs. konventionell gehaltenes Schwein

Um es plakativ zu erkären, stellen wir uns ein Schwein vor und schauen uns an, wie es in einem konventionellen und in einem biologischen Betrieb leben würde:

  • Das Bioschwein lebt im Schnitt 5-6 Monate. Ein Schwein aus konventioneller Landwirtschaft ebenfalls. Es könnte jedoch bis zu 21 Jahre alt werden. Ein Masthuhn wird nur etwa 5-6 Wochen alt und eine Legehenne rund 1,5 Jahre, statt 8. Egal ob „bio“ oder nicht – „Nutztiere“ erreichen nicht mal ein Sechstel ihres natürlichen Alters.
  • In konventionellen, wie in biologisch betriebenen Landwirtschaften, dürfen Ferkel innerhalb der ersten 7 Lebenstage, bei vollem Bewusstsein, kastriert werden. Ob, wie in der EU Ökoverordnung vorgeschrieben, jedes Mal ein Tierarzt oder eine andere „fachkundige Person“ bei der Ferkelkastration zugegen ist, sei einmal dahin gestellt.
  • Eine 110-Kilo-Sau hat in der konventionellen Tierhaltung etwa 0,7 Quadratmeter Platz. In einem Biobetrieb sind es mit 1,3 Quadratmetern fast doppelt so viel. Immer noch viel zu wenig, damit ein ausgewachsenes Schwein sich richtig bewegen kann. Auslauf steht beiden nicht zu, lediglich ein Zugang ins Freie muss vorhanden sein. So haben die meisten Schweine, die auf unseren Tellern landen – ob „Bio“ oder nicht – niemals eine Wiese unter ihren Füßen gespürt. Unserem Bioschwein wurde jedoch Stroh auf dem Boden ausgelegt, das arme Schwein aus der konventionellen Landwirtschaft kennt hingegen nur Beton- oder Gitterboden. Das Bioschwein sieht zudem in manchen Betrieben Sonnenlicht durch Fenster im Stall, im Vergleich zum konventionell gehaltenen Schwein, das in künstlichem Licht sein Leben fristet.
  • Bei der Fütterung sieht man einen ersten deutlichen Unterschied: Das Bioschwein muss mit Futtermitteln aus ökologischem Anbau gefüttert werden und diese dürfen nicht genmanipuliert sein. Zudem dürfen Anibiotika in Biobetrieben nicht grundlos und vorsorglich ins Futter der Tiere gemischt werden. Es sei denn, ein Tierarzt verordnet dies. Womit wir bei einer von vielen Ausnahmeregelungen wären.
  • Spätestens im Schlachthaus endet die Bio-Zertifizierung. Hat unser Schwein sein Zielgewicht von etwa 110-130 Kilo erreicht, ist es schlachtreif und wird in einen Schlachthof gebracht. Dass die Schweine nicht freiwillig in den Transporter steigen, egal ob Bioschwein oder nicht, liegt auf der Hand. Sie müssen dazu gezwungen werden. Beide Schweine erleben in ihren letzten Lebensstunden enormen Stress, den sie in Form von Stress-Hormonen ausstoßen. Ihr Fleisch ist dann voll davon.
biologische Landwirtschaft

(Foto: Pixabay, BlackRiv)

Bio oder konventionell: Es bleibt ein Geschäft mit dem Tod.

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Ein Artikel von Marina
veröffentlicht am 12.05.2017
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