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Wie fair ist Essenslieferung?

Lieferdienste boomen weltweit in den Industrienationen. Anstatt sich die Lebensmittel im Supermarkt oder am Markt zu kaufen, anstatt sich das Abendessen selbst zu kochen oder es im Lokal nebenan zu holen, lässt man es sich von schlecht bezahlten, großteils rechtlosen Fahrern und Fahrerinnen zur Tür bringen. Für die Milliardengewinne der Unternehmen werden in den meisten Fällen MigrantInnen ausgenutzt. Von Seiten der Kundinnen und Kunden ist kein Widerstand zu spüren.

Das Neueste auf der kapitalistischen Trickkiste: Plattform-Economy. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt, wenn es darum geht, Arbeitsrechte zu umgehen. (Foto: Pixabay, alefukugava)

Neue Formen der Ausbeutung

Wir alle kennen die Plattform-Economy. Auch wenn der Begriff noch nicht so bekannt ist. Wer schon mal ein Uber gerufen, bei Air BnB ein Zimmer gebucht oder sich Essen oder Lebensmittel hat liefern lassen, hat sein Geld in diese Wirtschaftsform investiert. Auch ExtraSauber und Veloce funktionieren ähnlich. Eine Firma stellt die Online-Schnittstelle zur Verfügung, auf der man sich auf Knopfdruck alles Mögliche erwerben kann. Alles passiert virtuell. Nun braucht es aber auch die Menschen, welche diese Dienstleistungen dann erbringen. Anfänglich hieß es, man muss dankbar sein, dass hierbei Jobs entstehen, welche Menschen am Rande des Arbeitsmarktes zugutekommen. Meist Menschen ohne Bildung oder mit Migrationshintergrund. Heute sehen wir hingegen, dass es immer wieder im großen Maß zu Ausbeutung kommt.

Untersuchungen in Europa und aktuell auch in Österreich kommen zum Schluss, dass gerade im Bereich Essenszustellung die vielen Milliardenumsätze von Lieferando, Mjam etc. auf dem Rücken der prekär arbeitenden „Rider“ erwirtschaftet wird. Über mehrere Jahre hatten die Fahrerinnen und Fahrer so gut wie keine Rechte, waren scheinselbstständig und verdienten einen Stundenlohn unter der Armutsgrenze.

Besserung in Sicht?

Als Corona kam, vervielfachte sich die Auftragslage und die Gewinne der Firmen. Die traurige Nachricht: An der Situation der Rider hat sich nur wenig geändert. Erst nach massivem Druck der MitarbeiterInnen in Deutschland und anderswo stiegen die Löhne etwas. Nur einer der Bringdienste, welche in Wien operieren (Lieferando), zahlt Gehälter nach einem Kollektivvertrag und bietet den MitarbeiterInnen einen Dienstvertrag an, mit dem sie sozial- und krankenversichert sind. Alle anderen haben erst nach Jahren und viel Druck von Interessensvertretungen und Streiks die Löhne auf ein menschenwürdiges Niveau gehoben. Nach wie vor werden die MitarbeiterInnen über Gebühr kontrolliert und müssen mit oft nicht straßentauglichen Rädern fahren.

Einen Betriebsrat zu gründen ist überhaupt fast unmöglich und gelingt nur unter widrigsten Umständen. So argumentierte die holländische Mutter von Lieferando, dass es sich nicht um einen Betrieb handelt, weil sich alles nur virtuell auf einer Plattform abspielt, also kann es auch keinen Betriebsrat geben. MitarbeiterInnen von Mjam haben es zwar geschafft, einen Betriebsrat zu gründen, trotzdem gibt es kaum Dienstverträge.

Die Schere geht weiter auseinander

Lieferando ist in den Medien bekannt geworden, als es den MitarbeiterInnen des Headquarters zu Weihnachten einen Skiurlaub im Wert von 15 Millionen Euro spendiert hat. Die MitarbeiterInnen auf den Straßen haben nichts bekommen. Sie durften weiterhin in eisiger Kälte für Mindestlohn durch die Stadt fahren, damit sich die Besserverdiener ihr Essen nach Hause bestellen können.

Soziale Ungerechtigkeit gibt es in vielen Bereichen, in der Pflege, bei den Supermarktangestellten und eben bei der Plattform-Economy. Manches ist eine Frage der großen Politik. Aber in vielen Bereichen können wir selbst entscheiden, ob wir prekäre Arbeitsverhältnisse und eine Zweiklassengesellschaft ausnutzen oder nicht. Gerade wenn wir zwar keine Lust zu kochen haben, aber genug Geld, um es andere machen zu lassen. Oder statt einem Taxi lieber ein Uber oder Bolt, weil es ein paar Euro billiger ist. Dann sollten wir uns im Klaren sein, wer davon profitiert und wer draufzahlt.

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Ein Artikel von Levente
veröffentlicht am 20.10.2022
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