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Wirtschaftsfaktor Antibiotika: Gesundheit versus Profit

Achtung, dieser Post ist bereits aus dem Jahr 2016. Einige Informationen könnten veraltet sein.
Antibiotikaresistenzen sind eine Folge der Massentierhaltung und haben schwerwiegende gesundheitliche Folgen für Mensch, Tier und Umwelt. ExpertInnen warnen vor einer post-antibiotischen Ära, Multiresistenzen und der neuen Gefahr bei Infektionen. Leider sind Antibiotika ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor, was die Lebensmittelproduktion anbelangt. In Österreich gibt es seit 2014 und 2015 neue tierärztliche Regelungen bezüglich der Antibiotikagabe in der Tierhaltung. Dennoch sind die Probleme damit nicht aus dem Weg geräumt. Es muss umgedacht werden!
Bild: Techniker Krankenkasse, CC-BY-NC-ND 2.0 via flickr.com

(Foto: Techniker Krankenkasse, CC-BY-NC-ND 2.0 via flickr.com)

Warum Antibiotika?

Eine Krankheit, wenn behandelbar, ist meist keine große Gefahr für ein Lebewesen, wird die richtige Medikation verschrieben und eingehalten. Vorbeugend kann mit viel Bewegung, frischer Luft und gesunder Ernährung dagegen gewirkt werden  – wie oft hört man nicht diese weisen Worte!? Trifft dies bei Menschen zu, so selbstverständlich auch bei Tieren. In der Massentierhaltung jedoch, ist keines dieser Voraussetzungen für ein gesundes Leben auch nur ansatzweise erfüllt. Ohne die (oftmals auch prophylaktische) Antibiotikagabe überleben viele Tiere die Umstände, unter denen sie ihr leidvolles Leben verbringen müssen, nicht: mit viel zu vielen Artgenossen zusammengepfercht auf engstem Raum, Stress, schlechte Luft, keine Bewegung, geschweige denn gesundes Futter – alles andere als artgerecht. Unter diesen Bedingungen ist es kein Wunder, dass Krankheiten schnell entstehen und schnell übertragen werden. Als „Gegenmittel“ gelten Antibiotika.

Profit triumphiert über Tierwohl

Zahlen aus Deutschland (vergleichbar mit Österreich) zeigen, dass Mastschweinen durchschnittlich viermal Antibiotika, Puten und Hühner sogar ein Mehrfaches dessen in ihrem kurzen Leben verabreicht werden. Ihre Haltungsbedingungen sind grundsätzlich prekärer, da die Anzahl pro Quadratmeter um einiges höher sein darf. Die Medikamente werden dann, auch wenn nicht alle Tiere infiziert sind, in das Futter oder Wasser gemischt, um sozusagen alle (prophylaktisch) zu behandeln. Antibiotika gelten außerdem als wesentliche Wachstumsförderer in der Massentierhaltung. Die Tierproduktion kann damit enorm beschleunigt und der Umsatz gesteigert werden. Die Entscheidung ist – wie so oft – zu Gunsten der Wirtschaft, und nicht zugunsten von Gesundheit und Tierwohl gefallen.

© uschi dreiucker, pixelio.de

(Foto: © uschi dreiucker, pixelio.de)

Wenn Antibiotika ihre Wirkung verlieren

Durch zu häufige oder falsche Verabreichung von Antibiotika entwickeln Keime Resistenzen, d.h. sie sind gegen Anteile des Antibiotikums immun. Durch Antibiotikagabe entsteht ein Selektionsdruck. Die meisten Keime werden damit bekämpft, aber nicht alle. Die Konkurrenz für jene, die überleben, ist damit ausgeschaltet und sie können Resistenzen aufbauen. MRSA (Methicillin-resistente Staphylococcus aureus) etwa ist ein bekanntes Bakterium, welches resistent gegenüber das Antibiotikum Methicillin geworden ist. Es „stammt“ zwar vom Menschen und ging auf Tiere über, entwickelte sich aber zu einem neuen, gefährlicheren Bakterium, welches nun als LA-MRSA (livestok-associated)  bezeichnet wird. Escherichia coli entwickelte ebenfalls einen resistenten Bakterienstamm. Beide Keime sind auch in Krankenhäusern europaweit verbreitet, was eine enorme gesundheitliche Gefahr für Menschen bedeutet.

ExpertInnen des Center of Desease Control in den USA warnen vor einer postantibiotischen Zeit, welche geprägt sein wird von Krankheitsfällen mit (multi-)resistenten Keimen. Warum geht es in diese Richtung? In allen Tierprodukten können nachweislich Restbestände von Antibiotika auftreten – und nicht nur das. Mit konventionellem Dünger bestellte Felder sind ebenfalls davon betroffen.  Es geht aber noch weiter: Resistente Keime können sich über die Luft verbreiten und theoretisch auf Fruchtfeldern landen. So können diese Keime auch in Transportern oder am Schlachthof auf Tiere aus biologischer Tierhaltung übergehen.

Neue Regelungen – ein Lösungsansatz?

Seit Anfang 2014 gilt die „Veterinär-Antibiotika-Mengenströme-Verordnung“ in Österreich. Damit soll der Weg des Antibiotikums von der Pharmafirma bis in die tierärztliche Apotheke verfolgt werden. Wie viel davon wie oft gegeben wird, müssen VeterinärInnen seit Jänner 2015 der Behörde melden. Immerhin ist dies eine Verbesserung gegenüber der zuvor geltenden Gesetzeslage. Dennoch: In den Betrieben werden Antibiotika nach wie vor zu oft und oft falsch verabreicht. Im Gespräch mit einer Veterinärmedizinerin wurde klar, dass eine vom Landwirt nicht sachgemäße Gabe von Antibiotika auch zu Resistenzen führen kann, etwa wenn die Gabe vorzeitig abgebrochen wird. Ähnlich ist das ja auch beim Menschen der Fall. In Tiermastbetrieben, wo Antibiotika ja in einem größeren Umfang verabreicht werden, führt dies zu fatalen, gesundheitsgefährlichen Folgen. Immerhin sieht die neue Verordnung auch vor, dass in einem bestimmten Zeitraum vor dem Schlachtermin keine Antibiotika mehr verabreicht werden dürfen. Und in Schlachthöfen werden nun diesbezüglich auch regelmäßig Fleischproben genommen.

Bild: campact, CC-BY-NC via flickr.com

(Foto: campact, CC-BY-NC via flickr.com)

In diesem Sinne sind die neuen veterinären Regelungen auf jeden Fall sinnvoll und wichtig. Ausreichend ist dies aber noch lange nicht! Eine nachhaltige Entschärfung der Situation wird es nur dann geben, wenn es keine Massentierhaltung mehr gibt, die Tiere ein einigermaßen artgerechtes Leben führen können und damit der Einsatz von Antibiotika weitgehend überflüssig ist.

Abschließend wollen wir noch auf die zusätzliche Gefahr hinweisen, wenn es um importierte Lebensmittel geht, vor allem aus Ländern, in denen es andere oder gar keine Regelungen diesbezüglich gibt.  Eine Problematik, die durch Freihandelsabkommen, insbesondere TTIP und CETA, verstärkt wird. Strenge Regelungen in der EU drohen aufgeweicht beziehungsweise umgangen zu werden – Kontrollen werden wesentlich schwieriger durchführbar.

Quellen

  • Schrot&Korn – Antibiotika, Gefahr aus dem Stall
  • biorama – Resistenzen: Antibiotika werden langsam gefährlich
  • WHO – Report: Antibiotikaresistenz ist eine globale Gesundheitsgefahr
  • wired.com – CDC Threat Report: ‘We Will Soon Be in a Post-Antibiotic Era’
  • peta.de – PETA zeigt auf, warum viele Antibiotika schon heute unwirksam sind
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Ein Artikel von Judith
veröffentlicht am 27.04.2016
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