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Die Wahrheit über den Wasserverbrauch von veganer Ernährung

Vegane Ernährung hat den Ruf, im Vergleich zu einer omnivoren Ernährung Wasser einzusparen. Besonders häufig wird die Statistik benannt, dass 1 kg Rindfleisch über 15.000 Liter verbrauchen soll. Dafür soll man ein halbes Jahr lang duschen können. Doch kommen diese Zahlen her? Spart man als Veganer wirklich so viel Wasser? Unser Gastautor Markus Maibaum berichtet über den Wasserverbrauch von unserer Ernährung.

(Foto: Unsplash, Nathan Dumlao)

Im Ethik.Guide, dem nachhaltigen Einkaufsführer, findest du in der Kategorie Lebensmittel sämtliche Bezugsquellen für einen genussvollen und klimafreundlichen Ernährungsstil: Bioläden und –Lebensmittelmarken, Unverpackt-Läden, Bio-Bäcker und –Winzer, Biokisten-Zusteller und Solidarische Landwirtschaften, aber auch Adressen von Selbsterntefeldern. Es kann auch nach veganen Anbietern oder bioveganer Landwirtschaft gefiltert werden.

Das Wichtigste in Kürze:

  1. Der Wasserfußabdruck darf nur kontextbezogen verwendet werden. 1000 Liter aus einer Region mit Wassermangel, wie Spanien oder Chile, sind schlimmer als 10.000 Liter aus einer Region mit ausreichend Wasser.
  2. Importiertes Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte und Nüsse sind für ca. 96 % der von uns verursachten Wasserknappheit in anderen Regionen verantwortlich. Das liegt an der niedrigen Selbstversorgungsrate dieser Lebensmittel in Deutschland. Die größten Übeltäter sind Zitrusfrüchte, Mandeln, Pfirsiche und Reis.
  3. Über den Wasserfußabdruck hinaus: Die Ökobilanz von tierischen Lebensmitteln ist fast immer schlechter als die von pflanzlichen Lebensmitteln, wenn man sich Treibhausgasemissionen, Landnutzung, Artensterben … anschaut.

Virtuelles Wasser erklärt

Schauen wir uns die 15.000 Liter Wasser für ein Kilogramm Rindfleisch mal genauer an.

Eine Beispielrechnung:

Eine Kuh wiegt ca. 600 kg, davon werden ca. 60 % zu Fleisch verarbeitet, also 360 kg Fleisch.

360 x 15.000 Liter = 5.400.000 Liter

Ein olympisches Schwimmbecken fasst ca. 2,5 Millionen Liter Wasser. Also verbraucht die Kuh über 2 gesamte Schwimmbecken. Das kann die Kuh doch nicht alles trinken!? Tut sie auch nicht. Zur Erklärung müssen wir uns das Konzept des virtuellen Wassers anschauen.

Laut Umweltbundesamt rechnet man beim Wasserfußabdruck einer Ware nämlich auch das indirekt genutzte Wasser ein. Das in der Produktion versteckte Wasser wird oft virtuelles Wasser genannt.

Im Fall unserer Kuh ist hiermit Wasser gemeint, welches die Kuh nicht direkt trinkt, sondern z. B. für das Futtermittel der Kuh genutzt wird.

Virtuelles Wasser setzt sich zusammen aus:

  • Grünem Wasser: Die Menge natürlich vorkommendes Boden- und Regenwasser, was von Pflanzen aufgenommen oder verdunstet wird.
  • Blauem Wasser: Das Grund- oder Oberflächenwasser, das zur Herstellung der Produkte genutzt wird (z. B. Leitungswasser).
  • Grauem Wasser: Die Wassermenge, die man bräuchte, um Wasserverschmutzung wieder zu beseitigen, die durch das Produkt entstehen.

Wasserfußabdruck verschiedener Lebensmittel im Vergleich

Der Wasserfußabdruck von Rindfleisch besteht zu 94 % aus grünem Wasser und jeweils 3 % blauem und grauem Wasser zusammen. Die 15.415 Liter Wasserfußabdruck für Rindfleisch bestehen also zum Großteil aus Regenwasser. Dieses Regenwasser fällt ohnehin auf die Felder, unabhängig davon, wie man sie nutzt. Behauptung von Organisationen wie PETA, dass man davon ein Jahr lang duschen könnte, sind also schon auf den ersten Blick nicht haltbar.

Der häufig verwendete Begriff „Wasserverbrauch“ ist auch irreführend. Das Wasser wird nicht „verbraucht“, es verschwindet nicht einfach. Alles Wasser befindet sich in einem Wasserkreislauf. Daher ist grünes Wasser auch deutlich unproblematischer als blaues und graues Wasser, weil es zum Großteil schnell wieder in den Boden gelangt (direkt von den Pflanzen, die Kuh pinkelt …). Und auch blaues Wasser wird nicht „verbraucht“. Wasser, welches wir zum Duschen benutzen, kann wieder aufgearbeitet werden.

Wie du siehst, ist diese ganze Thematik komplizierter, als sie meistens dargestellt wird. Schauen wir uns einmal den Wasserfußabdruck verschiedener Lebensmittel an.

Auch hier entsteht kein klares Bild, was die Aussage stützen würde, dass vegane Ernährung viel Wasser „einspart“.

Tierische Lebensmittel haben im Schnitt einen höheren Wasserfußabdruck als pflanzliche Lebensmittel, aber auch dort gibt es sehr durstige Fälle.

Schokolade und Kaffee haben einen sehr hohen Gesamtwasserfußabdruck. Nüsse und Avocados „verbrauchen“ viel blaues und graues Wasser.

Kritik am Konzept virtuelles Wasser

Zusätzlich hat das Konzept des virtuellen Wassers einige Probleme.

Die größten Kritikpunkte an virtuellem Wasser:

  • Virtuelles Wasser ist ohne Kontext in der Praxis nutzlos, da man nicht weiß, wo das Wasser genau herkommt und ob dort Wassermangel herrscht.
  • Die Datenlage zu virtuellem Wasser ist schlecht und man müsste noch präzisere Daten ermitteln.
  • Die Diskussion um virtuelles Wasser lenkt von echten Umweltproblemen ab.

Diese Kritikpunkte führen dazu, dass virtuelles Wasser kaum in der politischen Entscheidungsfindung angewendet wird.

Besonders der erste Kritikpunkt ist wichtig. Virtuelles Wasser gibt zwar an, ob das Wasser Regen oder Leitungswasser ist, aber wie wertvoll diese Ressourcen sind, unterscheidet sich stark nach geografischer Lage.

1.000 Liter Wasser in Chile, einem Land mit akutem Wassermangel, sind wertvoller als 10.000 Liter in Deutschland. Egal, ob es sich um Regenwasser oder Leitungswasser handelt.

Um den Einfluss unseres Wasserfußabdrucks zu verstehen, müssen wir ihn noch mit der Wasserknappheit ergänzen.

Vegan vs. Omnivor: Wasserknappheits-Fußabdruck in Deutschland

In Deutschland nutzen wir 2,4 Kubikkilometer für künstliche Bewässerung in der Landwirtschaft pro Jahr. Das ist ungefähr die Wassermenge des Chiemsees oder des Traunsees. Davon werden 82 % für pflanzliche Lebensmittel genutzt.

Der Großteil des Wasserfußabdrucks der deutschen Ernährung ist aber im Ausland. 86 % unseres Wasserfußabdrucks sind „outsourced“ durch den Import von Lebensmitteln.

In Deutschland gibt es einen geringen Selbstversorgungsgrad bei Obst (20 %), Gemüse (37 %) und Hülsenfrüchten (20 %). Der Selbstversorgung bei Tomaten lag 2019/2020 gerade mal 4 %.

Viel Obst und Gemüse wird aus Regionen mit Wasserknappheit wie Spanien, Kalifornien und Chile importiert. Deshalb machen 96 % des deutschen Wasserknappheitsfußabdrucks pflanzliche Lebensmittel aus.

Schauen wir uns einmal die schlimmsten Übeltäter an.

Die Zitrusfrüchte, Mandeln, Pfirsiche, Trauben, Tomaten und Oliven kommen häufig aus Spanien. Die Mandeln und Walnüsse aus Kalifornien und der Reis aus Indien oder Thailand.

Wo weltweit der größte Wassermangel herrscht, kannst du im Wasserrisikofilter des WWF sehen.

Der Wasserfußabdruck ist für den Verbraucher intransparent und sagt oft wenig über die eigentlichen Umweltschäden aus. Worauf man als Verbraucher gut achten kann, beschreibe ich in den nächsten Parts.

Quelle für viele Statistiken in diesem Part: WWF 2021

Schadet vegane Ernährung der Umwelt?

Der Wasserknappheitsfußabdruck einer veganen Ernährung kann in Deutschland schlechter sein als der einer omnivoren Ernährung.

Das liegt wie besprochen aber daran, dass der Selbstversorgungsgrad von Obst, Gemüse und Hülsenfrüchten hierzulande sehr gering ist.

Wir nutzen in Deutschland, wo genug Wasser vorhanden ist, den Großteil der Flächen für tierische Lebensmittel und beziehen unsere pflanzlichen Lebensmittel aus Regionen, wo Wassermangel herrscht.

Das Wasserproblem der veganen Ernährung ist damit zu großen Teilen unseres Landwirtschaftssystems verschuldet. Es ließe sich durch eine Umstellung auf die Produktion von mehr pflanzlichen Lebensmitteln hierzulande zum Teil lösen (nur zum Teil, da manche pflanzlichen Lebensmittel schwer hier anzubauen sind oder deutlich mehr Ressourcen als in Regionen mit anderen klimatischen Bedingungen verbrauchen würden).

Besonders wichtig: Zu Umweltschäden gehört nicht nur Wasser. Wenn wir uns das Modell der planetaren Belastungsgrenzen anschauen, ist Wassernutzung unwichtiger als andere Umweltprobleme.

Die größten Umweltprobleme unserer Zeit sind Klimawandel, Landnutzung, Artensterben und der Stickstoff- und Phosphorkreislauf. 

Schauen wir uns einmal an, wie dort tierische Lebensmittel abschneiden.

Man sieht, wie Wassernutzung eins der wenigen großen Umweltprobleme ist, wo pflanzliche Lebensmittel „schlechter abschneiden“ als tierische Lebensmittel.

Tierische Lebensmittel sind für den Großteil der Umweltschäden durch unsere Ernährung verantwortlich und tragen weltweit nur einen kleinen Teil zu unserer Ernährung bei.

Für den Wasserfußabdruck ist die Regionalität entscheidend. Für die gesamte Umweltbilanz ist es fast immer entscheidender, welche Lebensmittel man kauft, als wo sie herkommen.

Die Transportemissionen sind meistens ein Bruchteil der CO₂-Emissionen, die auf dem landwirtschaftlichen Betrieb direkt oder durch Landnutzungsänderungen entstehen.

Dadurch schneidet in der gesamten Ökobilanz das regionale Rindfleisch oft schlechter ab als weit importiertes Obst oder Gemüse.

Zusammenfassung: Was lernen wir daraus?

Wir lernen daraus, dass wir keinen reißerischen Schlagzeilen sofort glauben sollten. Einerseits behaupten vegane Organisationen, man würde ein halbes Jahr duschen können, wenn man auf einen Burger verzichtet. Andererseits behaupten Zeitschriften und andere Publikationen, vegane Ernährung würde die Umwelt zerstören, wegen der bösen Avocados. Das Schwarz-Weiß-Denken hilft nicht. Wir müssen uns differenziert mit den Originalquellen auseinandersetzen und daraus unsere Schlüsse ziehen.

Wenn du keine wissenschaftlichen Studien durchforsten willst, findest du schnell gute Informationen beim Umweltbundesamt oder im Fall Wasserverbrauch eine Studie vom WWF.

Wenn du deinen Wasserfußabdruck reduzieren möchtest, solltest du deinen Konsum von pflanzlichen Lebensmitteln aus dem Graph oben reduzieren oder zumindest auf die Herkunft achten (keine Avocados aus Zentral-Chile).

Insgesamt schneiden pflanzliche Lebensmittel bei den ökologischen Faktoren Klimawandel (Treibhausgasemissionen), Landnutzung, Biodiversität (Artensterben) und Stickstoff- & Phosphorkreislauf besser ab. All diese Umweltprobleme sind derzeit für das planetare Gleichgewicht relevanter als der Wasserverbrauch.

Wenn du etwas Gutes für die Umwelt tun möchtest, solltest du dich daher zum Großteil pflanzlich ernähren. Zum Großteil heißt nach den Planetary Health Studien nur maximal ein kleines Steak alle 2 Wochen und eine mittlere Hühnerbrust jede Woche.

Ich als Veganer würde davon aus ethischen Gründen absehen. Aber auch wenn man sich nur die Studienlage anschaut, ist zumindest eine drastische Reduktion des Konsums von tierischen Lebensmitteln essenziell als persönliches Mittel für Umweltschutz.

Zum Gastautor

Markus Maibaum ist ehemaliger Ingenieur für nachhaltige Technologien und schon immer viel an Umweltschutz interessiert. Dadurch ist Markus auf eine vegane Lebensweise gestoßen, die er seit 5+ Jahren auch ethisch vertritt. 2021 hat er Veganivore ins Leben gerufen und teilt dort evidenzbasierte Artikel über Veganismus & Nachhaltigkeit.

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Ein Artikel von der Ethik.Guide-Redaktion
veröffentlicht am 27.09.2022
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