Kälber würden Muttermilch trinken
So wird Milch „gewonnen“
Um Milch zu geben, muss eine Kuh, genau wie wir Menschen, erst einmal schwanger werden und gebären. Eine Kuh wird künstlich geschwängert. Das Kalb wird ihr sofort nach der Geburt, spätestens aber nach vier Tagen weggenommen, auch in Biobetrieben. Während die Mutter nach ihrem Kalb ruft und in der Box von einem Fuß auf den anderen tritt, wird das Kalb weggebracht. Kommt es in eine so genannte Einzelbucht, muss es nach Gesetz in den ersten zwei Lebenswochen mindestens 1,20 Meter in der Länge und 0,8 Meter in der Breite Platz haben. Ab der zweiten bis achten Woche müssen es 1,40 und 0,9 sein. Wer sich veranschaulichen möchte, wie wenig ein denkendes, fühlendes Lebewesen mit so wenig Platz anfangen kann, kann sich die Fläche einmal aufmalen. In den Einzelbuchten ist Sicht- und Berührungskontakt mit Artgenossen vorgeschrieben.
Ab der achten Woche sollten Kälber in Gruppen gehalten werden. Jedoch gibt es davon Ausnahmen, wie jene für Betriebe, die weniger als sechs Kälber halten. In der Gruppenhaltung für Kälber über acht Wochen stehen einem Kalb von bis zu 150 Kilogramm Körpergewicht nur 1,60 Quadratmeter Buchtenfläche zu. Bei bis zu 220 Kilo sind es 1,80qm und bei über 220 Kilo 2,00qm. Neben der beengten Haltung ist das so genannte Veröden von Hörnern bei Kälbern bis zum Alter von zwei Wochen erlaubt. Teilweise sogar ohne jede Betäubung.
Obwohl für es von seiner Mutter produziert, erhält das Kalb nur wenig der eigentlich für es bestimmten Muttermilch, der Rest ist Milchaustauscher. Ähnlich wie bei den Hühnern, wird beim Kalb nach Geschlecht sortiert. Einige weibliche Kälber müssen ebenfalls so genannte Milchkühe werden. Die männlichen Kälber werden, sofern sie Zweinutzungsrassen angehören und ihre Mast sich lohnt, gemästet und geschlachtet, viele werden auch nach Spanien und Italien transportiert, weil dort mehr Kalbfleisch gegessen wird.
Bisweilen lohnt sich jedoch die Mast von kleinen Stieren nicht. Eine Dokumentation des deutschen TV-Senders ZDF hat sich des Dilemmas um so genannte „Wegwerfkälber“ gewidmet und zeigt auf, warum sich die Aufzucht nicht lohnt und was mit den Tieren passiert
Die Mutterkuh wird ca. drei Monate nach der Geburt erneut künstlich geschwängert, damit der sonst aussetzende Milchfluss ohne Unterbrechung weitergeht – ein Kuhleben lang. Dieses dauert allerdings nur 4-5 Jahre: Durch die Dauerschwangerschaft, die widernatürlich hohe Milchleistung sowie das permanente Akkordmelken mit Melkmaschinen, die oft chronische Mastitis (Euterentzündung) verursacht, bis die Milchkuh gesundheitlich so geschwächt ist, dass sie geschlachtet wird. Die Nachfolge bilden ihre weiblichen Kälber, auf die das gleiche Schicksal wartet.
Ein paar Zahlen & Fakten
Laut Statistik Austria wurden in Österreich 2019 (aktuellste Zählung) rund 526.700 Milchkühe gehalten. Die Anzahl der gehaltenen Milchkühe ist in den letzten Jahren gesunken. Jede Kuh muss im Durchschnitt pro Jahr knapp 7.200 Kilogramm Milch geben. Das ist eine Steigerung von etwa 100 Kilo pro Kuh in den letzten zehn Jahren, sodass trotz gesunkener Tierzahlen die Produktion von Tiermilch nicht eingebrochen, sondern noch angestiegen ist. Insgesamt gaben die Kühe 3.781.000 Tonnen Muttermilch (Rohmilch). Fast 89,3 Prozent der Milch wurde an Molkereien zur Erzeugung von Milchprodukten verwendet.
2019 wurden in Österreich insgesamt 625.000 Rinder geschlachtet. 55.100 von ihnen Kälber, 201.000 Kühe und 127.000 Kalbinnen (Kühe vor der ersten Geburt).
Eigentlich könnten Rinder 20 Jahre alt werden, geschlachtet werden sie jedoch im Alter von wenigen Monaten bis Jahren, beziehungsweise sind die auf Leistung gezüchteten Körper von „Milchkühen“ bereits früher, nach etwa vier bis fünf Laktationen, ausgelaugt.
Nutzungsart | Schlachtalter |
Milchkälber | 4-6 Monate |
Jungrinder | 10-12 Monate |
Kalbinnen | 14-20 Monate |
Ochsen | 22-30 Monate |
Milchkühe | 4-5 Jahre |
Unser Konsum
Dass wir nicht überall auf Altersheime für unwirtschaftliche Milchkühe und überzählige Kälber treffen, zeigt die enge Verknüpfung der Milch- mit der Fleischindustrie auf. Ohne die Fleischindustrie gibt es auch keine Milchindustrie, wie wir sie kennen.
Viele von uns werden sich allerdings fragen, wie wir auf den hohen Pro Kopf Konsum von 74,4 Kilogramm Tiermilch pro Jahr kommen. Ähnlich wie bei Eiern nehmen wir versteckt Milchprodukte zu uns, wenn wir Fertigprodukte kaufen, in denen wir zum Beispiel Milchpulver, Butterreinfett oder Molkepulver nicht erwarten. Oder indem wir Produkte in Bäckereien, Restaurants oder Kantinen konsumieren, in denen uns Käse, Topfen oder Obers kaum auffallen.