Von „kiffenden“ Delfinen und Meer – Robert Hofrichter im Gespräch

Achtung, dieser Post ist bereits aus dem Jahr 2018. Einige Informationen könnten veraltet sein.
In seinem neuen Buch Der Bann des Ozeans lädt der österreichische Meeresbiologe Robert Hofrichter seine LeserInnen ein, gemeinsam die Weltmeere zu erkunden. Seine spannende Darstellung dieses Lebensraums und seiner Bedrohungen haben wir uns zum Anlass genommen, um ein Interview mit dem Begründer der Meeresschutzorganisation Mare Mundi zu führen. Taucht ein in eine spannende Welt…

Robert Hofrichter, Im Bann des Ozeans (Foto: © Robert Hofrichter)

Warum finden Menschen das Mittelmeer so faszinierend?

Das Mittelmeer ist für seine Liebhaber das non plus ultra – eine wahrlich spannende mediterrane Geschichte, die sich im spanischen Staatswappen als plus ultra wiederspiegelt. Das Meer ist das Allergrößte, was zugleich die übertragene Bedeutung des latinisierten Spruches ist. Der Legende nach hat der griechische Held Herakles dieses „bis hierher und nicht weiter“ oder „nicht darüber hinaus“ als Schriftzug am Dschebel Musa (an der afrikanischen Küste) und in Europa auf dem Felsen von Gibraltar angebracht, um das Ende der damaligen mediterranen Welt zu markieren, hinter dem der bedrohliche und grenzenlose okeanos lauerte. Das waren die zwei Säulen des Herakles. Die Spanier haben das non weggelassen, um der Welt zu signalisieren, dass sie die Welt erobern und es für sie keine Grenzen gibt.

Es ist seltsam, dass eine Region, die nur noch begrenzt ein Naturraum ist, so faszinieren kann. Im Mittelmeerraum ist heute, gute 10.000 Jahre nach der Neolithischen Revolution, kaum noch ein Fleckchen ursprünglicher Natur zu finden, das nicht von Menschen und seinen Haus- und Nutztieren umgestaltet worden wäre. Diese Kombination aus Natur- und Kulturraum ist es wohl, die uns nach wie vor so in ihren Bann zieht.

Delfine sind den Menschen sehr ähnlich (Foto: © Robert Hofrichter)

Was finden Sie besonders überraschend am Meer und seinen Lebewesen und Lebensformen?

Als Biologe lernt man so viel Verblüffendes kennen über ausgefallene Lebensentwürfe und -strategien, dass man aus dem Staunen nicht mehr hinauskommt. Es gibt Millionen „verrückte“ Lebensweisen, ob als Parasiten mit komplizierten Lebenszyklen und mehreren Zwischenwirten, als Tiefseetiere, bei denen die Männchen am Weibchen festgewachsen und winzig sind, so genannte Zwergmännchen, ob als überkluge Oktopusse, die kognitive Leistungen durch Lernen vollbringen, die alles übertreffen, was man einer „Schnecke“ zutrauen würde, oder als „kiffende Delfine“, die sich durch einen Kugelfisch, mit dem sie spielen, gerade so viel TTX (Tetrodotoxin) holen, dass sie berauscht sind und sie nicht daran zugrunde gehen.

Was ist ein großes Missverständnis in Bezug auf das Meer, das Ihnen immer wieder begegnet?

Das ist in der heutigen Zeit die schrumpfende Größe der Meere; die schiere Endlosigkeit ist keine mehr. Die globalisierte Welt der Menschen vermag alles zu ändern, das Klima und den Säuregrad der Ozeane. Wir leiten so viel Gift in die Meere (auch die Reste unserer durch den Urin ausgeschiedenen Medikamente, Antibaby-Pillen, Antibiotika etc.), was diese scheinbare Endlosigkeit nicht schadlos aufnehmen kann. Die Existenz aller Menschen auf dem Planeten ist von den Meeren abhängig, das globale Klima, die Stoffkreisläufe.

Mit einem kaputten Weltmeer wird auch der Rest nicht mehr funktionieren. Die Situation ist viel schlimmer, als es sich die meisten Menschen vorstellen können oder wollen.

Robert Hofrichter

Korallenriffe sind komplexe, faszinierende und bunte Lebensräume (Foto: © Robert Hofrichter)

Wo liegt Ihrer Meinung nach die größte Bedrohung für Meere? 

Das Meer ist leider mittlerweile ein Sammelbecken für unseren Abfall. Ein Endlager sozusagen, nur scheinbar unendlich groß. Nehmen wir zum Beispiel Plastik: Dieses wird bekanntlich nicht biologisch abgebaut, sondern „zerbröselt“ zu immer kleineren Teilchen, zum Mikroplastik. Dieses findet sich von Jahr zu Jahr häufiger und überall, bis in die Tiefsee. Planktonorganismen nehmen es ebenfalls auf und so es gelangt in die Nahrungskette. Doch vorher ladet es sich mit den ärgsten Umwelttoxinen auf, die wir in die Welt setzen, so dass die Mikroplastik-Partikel wahre Giftbomben sind.

Wie kann man in Österreich, einem Binnenland, zum Schutz der Meere beitragen?

Egal wo wir auf unserem Planeten leben, wir alle haben mit dem Meer zu tun. Wir sind Teil globaler Ab- und Kreisläufe. Unsere Abfälle gehen in die Flüsse (etwa Mikroplastik aus Kosmetika) und die Flüsse fließen in die Meere. Österreicher und Schweizer können also genauso zum Meeresschutz beitragen wie Küstenbewohner. In unserer globalisierten Welt muss das Bewusstsein für die Dringlichkeit der Problematik steigen, egal wo wir leben und wo wir uns befinden. Schon das Lesen dieses Artikels ist ein kleiner Schritt.

Denn Bewusstseinsbildung und Bildung sind essentiell, damit die Menschen verstehen, dass wir bei uns selbst beginnen müssen, bei unserem Konsumverhalten. Jeder/r Einzelne kann zum Beispiel Plastik beträchtlich reduzieren – also tun Sie es!

Robert Hofrichter

Robert Hofrichter schafft Bewusstsein bei Schulklassen mit dem Verein Mare Mundi (Foto: © Robert Hofrichter)

Welchen Gedanken möchten Sie gerne zum Abschluss mitgeben?

Dass es trotz der sich hoffnungslos verschlimmernden Umweltsituation sehr viel Sinn macht, sich mit diesen Fragen zu beschäftigen. Es ist eine Überlebensnotwendigkeit der Menschheit. Man sollte sich nicht davon abschrecken lassen, dass der Kampf hoffnungslos erscheint. Das Leben geht immer weiter, immer „nach vorne“, deswegen haben wir keine andere Möglichkeit als nach Verbesserungen der Situation durch Bewusstseinsbildung, Änderungen unserer Konsumgewohnheiten, Innovationen und viel intensiverem Meeres- und Naturschutz generell zu trachten.

Vielen Dank für das inspirierende Interview!

Jede/r kann zum Schutz der Meere beitragen (Foto: © Robert Hofrichter)

Mare Mundi

Ergänzend hier noch ein Hinweis auf die Organisation Mare Mundi, die vom Autor Robert Hofrichter gegründet wurde und folgende Ziele verfolgt:

  • den Schutz ökologisch wertvoller Lebensräume
  • allgemein zugängliche Bildung in Fragen Ökologie und Nachhaltigkeit und
  • Forschung (Problemanalysen und Lösungsansätze)
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Ein Artikel von Yvonne
veröffentlicht am 27.06.2018
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