,

Wälder opfern für die Energiewende?

Im Bezirk Waidhofen an der Thaya im Waldviertel sollen, so der Plan der niederösterreichischen Landesregierung, neue Windparks entstehen. Der Preis dafür ist hoch: Wälder sollen gerodet werden, der Lebensraum von etlichen Tierarten und ganze Naturlandschaften sind ernsthaft bedroht. Es regt sich heftiger Widerstand in der Bevölkerung gegen Naturzerstörung und ignorante Politik. Wir brauchen erneuerbare Energie, aber die Frage bleibt: Wie gewinnen wir diese?

Getreidefeld geht in einen Wald über in dem zwei Windräder stehen

Um die Klimakrise zu bekämpfen müssen wir den Verbrauch fossiler Energien einschränken. Stattdessen muss erneuerbare Energie her. Ist allerdings die Zerstörung von Wäldern und Schutzgebieten damit gerechtfertigt? Wir brauchen naturschonende Lösungen! (Foto: Pixabay, andreas160578)

Windkraft im Waldviertel

Die niederösterreichische Landesregierung plant, rund 40 Stück der bis zu 285 Meter hohen Windräder (die größten der Welt bisher) in den Wäldern am Sieghartsberg, dem Predigtstuhl oder in der Wild zu genehmigen. Das Gebiet ist schlechter angebunden, dünner besiedelt und die Witterung ist rauer als in den warmen Tälern des Kamp und der Donau in der Wachau, denn wie heißt es so schön: “Acht Monate Winter, und das restliche Jahr ist es kalt”. Das klingt ja nach einem idealen Ort, die unbeliebten Windräder unterzubringen.

Das obere Waldviertel, dessen sanfte Hügel zwischen Gmünd, Raabs und von Zwettl bis Eggenburg reichen, ist zwar nicht reich an Naturschönheiten, aber in vielen Teilen naturschutzfachlich geschützt. Die Wälder und Wiesen in diesem Gebiet bieten etwa geschützten Tierarten wie Schwarzstorch und Seeadler eine Heimat. Zusätzliches finden sich dort für Bevölkerung und Tourismus relevante mystische Kraftplätze. Für den Bau des Windparks sollen für jedes Windrad hektargroße Waldflächen gerodet, der Boden mit vielen Meter dicken Betonsockeln versiegelt, Zufahrtswege für LKWs gebaut und Sperrgebiete errichtet werden. Dies alles im Namen der grünen Energiewende.

Viele Bewohner sehen das mehr als skeptisch und engagieren sich. Das Projekt sei weder ausreichend durchdacht, noch technisch effizient. Aus ihrer Sicht ist eine nachhaltige Energiewende nur dann möglich, wenn die Natur nicht darunter leidet.

Landkarte des Bezirks Waidhofen an der Thaya mit eingezeichneten projektierten Windrädern in den Waldgebieten

Fast alle Waldgebiete des Bezirks Waidhofen an der Thaya sind von den Plänen der Landesregierung betroffen. Eine Kette von bis zu 285m hohen Windrädern soll sich von Norden nach Süden ziehen. (Foto: IG Waldviertel)

Das Waldviertel als Spielball der Politik

Warum dort, in den Wäldern des Hochplateaus? Die Heerscharen internationaler Touristen zieht es eher nicht in die kalten Höhen des Waldviertels. Diese lieben die Marillen und den Wein der Wachau. Das ist vielleicht ein Grund, warum sich die Politik in Niederösterreich gedacht hat: Da oben, im Bezirk Waidhofen an der Thaya, da wird es wenig Widerstand geben seitens der spärlichen, oft von der Landwirtschaft lebenden Bevölkerung. Ausgesucht wurden ausschließlich Waldgebiete im Bezirk Waidhofen an der Thaya. Diese sind Wildtierkorridore, in denen streng geschützte Vogelarten brüten sowie seltene Pflanzen zuhause sind.

Es ist kein besonders windiger Ort, außerdem gibt es in Niederösterreich bereits viele Windkraftanlagen, welche oft nicht mehr am neuesten Stand der Technik sind. Diese aufzurüsten wäre laut Expert*innen völlig ausreichend, um die nötige Energiemenge zu liefern. Zudem wurde hierzulande schon sehr viel in Solaranlagen investiert. Und der Stromverbrauch ist seit Jahren rückläufig. Dies wird 2020 mit der Coronakirse in Zusammenhang gebracht und im vergangenen Jahr mit den hohen Energiekosten.

Es gäbe sogar noch weitere Verbesserungsmöglichkeiten, welche neue Windparks unnötig machen: Eine Studie aus Wuppertal zeigt, dass die korrekte Dämmung von Häusern, effiziente Heizanlagen und vernünftiger Stromverbrauch die Stromnachfrage um den Faktor 14 verringern kann. Die Niederösterreichische Landesregierung könnte also alternativ in die verstärkte Förderung solcher Maßnahmen investieren.

Große Windräder in einem Waldgebiet - so könnten die Wildparks im Waldviertel ausschauen

Die Energiewende ist notwendig, um die Klimakrise zu entschärfen. Doch ist das wahllose Aufstellen von Windrädern, ohne deren Sinnhaftigkeit zu prüfen, eine Gefahr für die Natur. (Foto: Pixabay)

Entscheidung über die Köpfe der Menschen hinweg

Zurück in den Bezirk Waidhofen an der Thaya: Die Bevölkerung wurde nicht zu den Windparks gefragt. Zumindest bis jetzt nicht. Bereits vor 10 Jahren hat die Landesregierung, welche Mehrheitseignerin des Energieversorgers EVN ist, versucht, Windparks in der Gegend aufzustellen. Damals war die Bevölkerung dagegen. Jetzt wurde ein neuer Versuch gestartet, ohne Befragung der Bewohner der umliegenden Ortschaften. Für die Gemeinden ist ein Windpark eine lukrative Sache. Die Betreiber bieten zum Beispiel der Gemeinde Göpfritz 76.000 Euro pro Windrad und Jahr. Da ist es sehr verlockend, den Naturschutz hintanzustellen und die Ortskasse aufzubessern. Ebenso tritt die Windkraft-Betreiberfirma direkt an die Grundeigentümer heran und lockt sie mit jährlichen Geldbeträgen. Für manche, die ein Leben lang für wenig Einkommen hart auf ihren Feldern gearbeitet haben, große Summen. Und nicht selten sind die Grundbesitzer die Bürgermeister selbst, was ein gewisses persönliches Interesse an der Umsetzung des Projektes nahelegt. 

Trotz der Lockmittel ist der Widerstand der Bevölkerung stark. In diesen Tagen versucht die IG Waldviertel sowie die Plattform lebenswertes Waldviertel, die Petition mit 46.000 abgegebenen Stimmen gegen das Projekt an die Landeshauptfrau Mikl-Leitner in St. Pölten zu übergeben. Diese weigert sich, das Ergebnis anzunehmen, an der Politik der Landesregierung scheint sich trotz der Ablehnung in der Bevölkerung vorerst nichts zu ändern. Die Gegner des Projektes sind weiterhin bemüht, den Protest aufrecht zu erhalten. Wir können etwas tun, indem wir den Entwicklungen in den Medien folgen und uns an Petitionen beteiligen. Es hilft auch zu sehen, dass wir global gesehen nicht alleine sind: Gerade erst haben in Oslo Proteste gegen Windparks stattgefunden. Die Energiewende ist wichtig. Doch liegt es an uns zu überlegen: Handelt es sich bei solchen Projekten immer tatsächlich umweltschonendste Möglichkeit, an erneuerbare Energie zu kommen? Oder sind sie getrieben von politischem Interesse und finanziellen Profiten für die handelnden Akteure?

Artikel teilen:
Hat dir der Artikel gefallen? Dann unterstütze uns mit einer Spende ab 1€, damit wir uns weiterhin für eine gerechte, nachhaltige und tierfreundliche Welt einsetzen können. Danke!
Profilbild
Ein Artikel von Levente
veröffentlicht am 17.10.2023
DSGVO Cookie-Einwilligung mit Real Cookie Banner