Zum Tode verurteilt: Kälber als Abfall der Milchindustrie
Der (Leidens-)Weg der Milchkühe
Damit Kühe Milch geben, müssen sie gebären.
In der intensiven Milchwirtschaft werden Kälber am ersten Tag nach der Geburt von ihren Müttern getrennt und mit Milchersatzprodukten – oft unter Beimengung von Palmöl – gefüttert. Damit wird sichergestellt, dass die Milch der Mutterkuh vom ersten Tag an für die Milchindustrie genutzt werden kann. Endet die Laktationsperiode (die Kuh gibt keine Milch mehr) beginnt der Kreislauf von Neuem: Die nächste Besamung, Schwangerschaft und Geburt eines Kalbes. Meist wiederholt sich dies fünf oder sechs Mal, bis die Kühe schlussendlich aussortiert und geschlachtet werden, weil ihre Milchleistung sinkt.
Männliche Kälber haben in diesem System die schlechtesten Katen. Aufgrund ihrer schlechten ökonomischen Verwertbarkeit (!) werden sie oft mehrere Tage und Wochen unter katastrophalen Bedingungen zu ihren Schlachtstätten transportiert. Zahlreiche Tiere erleiden nicht nur schwere Verletzungen, viele überleben die Transporte nicht und sterben einen qualvollen Tod.
Österreichische Kälber am Weltmarkt
Manche Länder in Europa haben sich auf die Mast von Kälbern spezialisiert. Die lockeren gesetzlichen Bestimmungen im EU-Ausland ermöglichen es, Kälber extrem billig aufzuziehen und kostengünstig zu exportieren. Heimischen Betriebe können mit diesen Preisen nicht mithalten, wodurch sich die Aufzucht der Kälber nicht rechnet. Diese „günstigen“ Bedingungen für die Mast gehen oftmals mit sehr niedrigen Tierschutzstandards einher.
Doch damit ist der Weg der Kälber noch nicht zu Ende. Die bereits gemästeten Tiere werden wiederum in Länder transportiert, die sich auf die Schlachtung und Verarbeitung spezialisiert haben. In weiterer Folge wird das so gewonnene Fleisch in Europa verteilt und geht als Importfleisch auch wieder zurück nach Österreich.
Zum Beispiel kann ein in Österreich geborenes Kalb in Italien oder Spanien gemästet werden. Danach wird es in die Niederlande zur Schlachtung transportiert. Von diesem europäischen Hauptexporteur von Kalbfleisch geht das Fleisch dann zurück nach Österreich, wo es vor allem in der Gastronomie Verwendung findet.
Ein Teil der gemästeten Tiere geht auch an sogenannte Hochrisikoländer wie Ägypten, Algerien oder Armenien. Dorthin transportierte Tiere laufen Gefahr, in noch tierquälerischer Weise behandelt und geschlachtet zu werden als in der EU.
Kälber als Abfall – die „Herodesprämie“
Als makabren Lösungsvorschlag und um der Überflutung des Rindfleischmarkts sowie dem daraus resultierenden Preissturz entgegenzuwirken, vergab die EU zwischen 1994 und 2000 für einige Staaten eine Prämie für Betriebe, die ihre Kälber bis zu einem Alter von 20 Tagen töteten. Damals lag diese Prämie zwischen 1600 und 2000 Schilling, umgerechnet also etwa 120 bis 150 Euro.
Die sogenannte Verarbeitungsprämie für Kälber – in der Öffentlichkeit bald als Herodesprämie bekannt – gab Landwirten einen Anreiz, weiter am Markt vorbei zu produzieren, anstatt sie zum Ausstieg aus einem unrentablen Landwirtschaftszweig zu ermutigen.
Laut einem offenen Brief des Tierhilfswerk Austria (THWA) (Juli 1997) war es üblich, wenige Tage alte Kälber in Ländern, die sich gegen die Verarbeitungsprämie entschieden hatten, aufzukaufen. Danach wurden sie in langen Transporten in die Länder verfrachtet, in denen sie dann für die Tötung der Jungtiere aus der EU-Kasse belohnt wurde. Die fragwürdige Agrarprämie erfüllte also in keiner Hinsicht ihren Zweck und wurde somit auch wieder eingestellt.
Einzelhaltung und Kälberiglus bald Vergangenheit?
Das österreichische Tierschutzgesetz erlaubt derzeit die Einzelhaltung von Kälbern, die weniger als acht Wochen alt sind. In den meisten Fällen werden die Kälber direkt nach der Geburt von ihren Müttern getrennt und danach oft in Einzelbuchten untergebracht, mit den oft zu sehenden Plastik-Iglus als Witterungsschutz. Obwohl die Seitenwände der Einzelboxen Blick- und Berührungskontakt erlauben sollen, sind auf den derzeit ca. 0,96-1,6 Quadratmeter pro Kalb keine art- und altersspezifische Verhaltensweisen möglich.
Trübe Aussichten, doch das 2023 veröffentlichte Gutachten der EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) macht Hoffnung. Laut dem Bericht ist von der Einzelhaltung in der EU abzuraten: Kälber sollen direkt nach der Trennung von der Mutter mit 2-7 Tieren ähnlichen Alters in Gruppen gehalten werden. Auch das Platzangebot pro Tier soll auf mindestens 3 Quadratmeter erhöht werden, wobei 20 Quadratmeter empfohlen werden, damit Kälber entspannt liegen können.
Initiativen wie „End the Cage Age“ oder die Petition „Stopp den brutalen Kälbertransporten“ haben es sich zum Ziel gesetzt, dass solch wichtige Tierschutzangelegenheiten keine reinen Handlungsempfehlungen bleiben, sondern tatsächlich in die europäische Gesetzgebung eingehen!
Quellen
Tierschützer orten Ende der Kälber-Iglus in der EU
Hintergründe zu Kälbertransporten