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Covid-19 wirbelt die Fleischindustrie auf

Schwin im Tiertransport
Achtung, dieser Post ist bereits aus dem Jahr 2020. Einige Informationen könnten veraltet sein.
Im Normalfall bemerken wir die Existenz von Schlachthöfen nicht. Sie finden sich kaum noch in Stadtzentren, sondern sind uns in den letzten Jahrzehnten aus den Augen gerückt. Auch ihre Zahl hat sich verringert, wobei Kapazitäten ausgebaut wurden. Gerät ein Schlachthof nun in die Schlagzeilen, liegt es normalerweise an den Recherchen von Tierrechtsorganisationen zu Tierschutzverstößen. Die Corona-Pandemie hat das verändert. Die Ausbeutung von Mensch und Tier im Schlachthof sowie die Frage, woher das Fleisch im Supermarkt kommt, beschäftigen plötzlich alle Medien.
Covid-19 Schlachthof

Was im Schlachthof von Tieren übrig bleibt… (Foto: Pixabay, Jai79)

Nicht nur Tiere leiden im Schlachtbetrieb

Über 60 Kilogramm Tierfleisch werden in Österreich jährlich pro Kopf verzehrt. Und obwohl Werbung und Gewissen dieses Fleisch gern von glücklichen Tieren sähen, die vom nahen Vorzeigehof stammen und irgendwie zu Wurst und Co. werden, zeigt Covid-19 ein anderes Bild auf. Eines, bei dem die Geschehen in Schlachthöfen plötzlich täglich die Medien und Konsumierenden bewegen. Den Anstoß gaben die positiven Tests auf das Coronavirus zahlreicher Schlachthof-MitarbeiterInnen bei unter anderem Westfleisch und Tönnies in Deutschland. Dabei wurde aufgezeigt, dass die Klimaanlagen in Schlachthöfen das Virus verbreiteten. Allerdings wurden nicht nur die Bedingungen in den Schlachthäusern betrachtet, sondern auch die Bedingungen unter denen die Menschen untergebracht und transportiert wurden. Obwohl Berichte über die „Fleischmafia“ schon vor Jahren gezeigt haben, wie Menschen ausgepresst und Fleisch zum Billigprodukt wird, zeigten sich Politik und KonsumentInnen überrascht als aufgezeigt wurde, dass Menschen aus Osteuropa nach Deutschland verfrachtet, elendig und massiv beengt untergebracht, um Lohn betrogen und nicht vor Ansteckung mit dem Virus in den Behausungen, bei Bustransporten und am Arbeitsplatz geschützt werden.

Woher kommt Österreichs Fleisch?

Da Österreich hunderttausende Kilo Fleisch jedes Jahr importiert, gelang es nicht, das Ganze als deutsches Problem abzutun, das den Konsum in Österreich nicht betrifft. Immerhin landen zahlreiche in Deutschland getötete Tiere auf Österreichs Tellern. Rasch wurde erklärt, aus der Situation in Deutschland gelernt zu haben und Maßnahmen im Schlachthof zum Schutz vor dem aktuellen Corona-Virus zu setzen. Trotzdem muss man zugeben, dass die Situation der ArbeiterInnen in der österreichischen Fleischbranche zwar nicht so schlimm wie in Deutschland sei, dass man aber auch auf Personen aus Osteuropa setzt, die weite Strecken nach Österreich pendeln und bei denen Entlohnung und Unterbringung ebenfalls zu wünschen übrig lassen. Daneben fällt auf, dass die Schlachtbranche sich auch in Österreich konzentriert hat. Wenige Schlachthöfe übernehmen heute, was vor einigen Jahrzehnten noch wesentlich stärker aufgeteilt war. Dass diese Konzentration auch Auswirkungen auf die zu tötenden Tiere hat, fällt auf. Lange Tiertransporte, grobe Behandlung, Fehlbetäubung sind die Folgen.

Covid-19 Schlachthof

Ein denkendes, fühlendes Lebewesen, allem beraubt. (Foto: © go vegan! Dirk Gießelmann, soylent-network.com)

Verändert Corona die Fleischindustrie?

Bleibt zu hoffen, dass der kritische Blick auf die Fleischbranche in Zukunft bestehen bleibt und nicht beim nächsten Lockangebot mit niedrigpreisigen Tierfleischprodukten im Supermarkt, neben denen das vegane Schnitzel sich bisweilen wie ein Luxusprodukt ausmacht, vergessen wird. Covid-19 hat einige Menschen am Konsum von Fleisch und anderen Tierprodukten zweifeln lassen. Dies zum einen, weil die Pandemie vermutlich durch den menschlichen Konsum von Fleisch ausgelöst wurde und zum anderen, weil die Machenschaften der Fleischindustrie abschreckend wirken.

Da es sich bei Covid-19, wie auch bei der Schweine- und Vogelgrippe und vielen weiteren, um Zoonosen handelt, haben einige Privatpersonen, aber auch Restaurants entschieden, Fleisch oder gar alle Tierprodukte vom Speiseplan zu streichen, um durch weniger Produktion die weitere Gefahr von neuen Seuchen zu reduzieren. Andere sind aber geschockt über die Arbeitsbedingungen in der Schlachtbranche und möchten diese nicht mehr mit unterstützen. Wieder andere werfen zum ersten mal einen Blick auf das „Produkt Fleisch“ und was es für die Tiere, die Umwelt und unseren Gesundheitsschutz bedeutet.

Und während die Tierindustrie uns regelmäßig Gefahren für neue Zoonosen, Antibiotikaresistenzen und Umweltskandale wie Regenwaldabholzungen für so genanntes Viehfutter und Viehweiden oder Gülle, die in Gewässer gelangt und dort unter anderem Fischsterben auslöst, beschert, schärft sich auch der Blick für diejenigen, die ein kurzes Leben in Gefangenschaft fristen und in Schlachthöfen brutal getötet werden.

Covid-19 Schlachthof

Rinder in der Gefangenschaft (Foto: ©go vegan! Dirk Gießelmann, soylent-network.com)

Bei den 99 Millionen Tieren, die allein in Österreich geschlachtet werden (da sind die Fleischimporte aus dem Ausland noch nicht mitgezählt), handelt es sich unter anderem um 83,4 Millionen Hühner, 5,2 Millionen Schweine und über 600 Pferde. Alles denkende, fühlende Lebewesen, die nicht nur frei von Leid und Entbehrungen leben wollen, sondern jedes ein Charakter für sich, den man, würde man sich die Mühe machen ihn kennenzulernen, nicht für eine Fleischmahlzeit oder ein anderes Produkt würde töten wollen. Während also kräftig betont wird, dass man sich nicht nach aktuellem Kenntnisstand nicht mit Covid-19 über Fleisch anstecken könne, bleibt zu hoffen, dass der coronabedingte Blick hinter die Schlachthof-Kulissen möglichst viele Menschen mit Empathie für all jene infiziert hat, die unter der Fleischindustrie leiden.

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Ein Artikel von Hella
veröffentlicht am 7.07.2020
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