Kuhgebundene Kälberaufzucht statt Trennung nach der Geburt

Manchen Tieren wie Hunden und Katzen begegnen wir beinahe täglich. Aber Kühen? Diese leben in Ställen und mit ein wenig mehr Glück auch auf Weiden und wo wir sie nur im Vorbeigehen sehen. Am nächsten sind sie uns, wenn wir uns ihre verarbeitete Muttermilch in den Kaffee gießen oder auf die Pizza legen. Dass das so bleibt, ist ganz im Sinne der Milchproduktion. Kühe und Kälber sollen möglichst nicht unsere Sympathie gewinnen. Sonst könnten uns die Praktiken der Milchindustrie Appetit auf Hafermilch und Sojajoghurt machen. Üblicherweise wird das Kalb der Mutter direkt nach der Geburt oder nach wenigen Tagen weggenommen und seinem weiteren Zweck fern der Mutter zugeführt. Bei der kuhgebundenen Kälberaufzucht bleiben Kälber bei ihren Müttern oder anderen laktierenden Kühen, um Stress zu reduzieren und sie ein artgemäßeres Sozialverhalten lernen zu lassen.

Mutter und Kind gemeinsam auf der Weide – ein äußerst seltener Anblick für sogenannte Milchkühe (Foto: Unsplash, Natalia Slastnikova)

Dass Kühe nicht von Geburt an Milch haben und erfreut sind, wenn sie davon befreit werden, ist manchen Menschen nicht klar. Um Milch zu haben, müssen Kühe jedoch, genau wie andere Säugetiere, zum Beispiel Hunde oder Menschen, erst einmal gebären. Da der Milchfluss sich mit der Zeit verringert oder gar versiegt, muss auch regelmäßig neuer Nachwuchs kommen. Ein Fakt, der Internet sei Dank immer bekannter wird. Und damit natürlich auch die Frage, was mit den Kälbern geschieht. Etwa 750.000 Kälber kommen jedes Jahr in Österreich auf die Welt. Diese sind Kinder von Mastrindern oder Milchkühen. Etwa 40.000 von ihnen werden ins Ausland transportiert. Der Rest, über 90 Prozent der Kälber, bleibt in Österreich. Bei den Mastrindern werden die Kälber entweder rasch nach der Geburt von ihren Müttern getrennt und bald für sogenanntes Kalbfleisch geschlachtet oder gemästet. Manche Kälber wachsen jedoch in der Mutterkuhhaltung auf. Dabei bleiben sie sechs bis elf Monate bei der Mutter und werden erst dann getötet, zur Zucht weiter behalten oder in einen anderen Betrieb verkauft.

Trennung von Kuh und Kalb bald nach der Geburt üblich

Kälber von Milchkühen werden zumeist direkt oder nur wenige Tage nach der Geburt von ihren Müttern getrennt. Die Milchindustrie begründet diesen Schritt damit, dass es dem Schutz des Kalbes vor einer Übertragung von Krankheitskeimen durch die Mutter diene und den Trennungsstress reduziere. Auch solle die Milchaufnahme besser zu beobachten sein und es keine Gefahr des Totliegens, bei der die Mutter das Kalb erdrückt, geben.

Ein weiterer und für die Betriebe wohl ziemlich wichtiger Punkt ist die Wirtschaftlichkeit. So soll die Milch möglichst in den Verkauf und nicht ins Kalb fließen.

Wird das Kalb binnen Stunden oder wenigen Tagen von der Mutter getrennt, kann es kein Verhalten seiner Mutter, zum Beispiel zum Umgang mit anderen in einer Herde lernen. Zudem entfallen Zeichen der Zuwendung, wie das Ablecken des Kalbes durch seine Mutter.

Gewöhnlich werden Mutter und Kind direkt nach der Geburt getrennt (Foto: Unsplash, Freestocks)

Frühe Trennung von Kuh und Kalb wird von Konsument*innen kritisch hinterfragt

Da Verbraucher*innen, eine Befragung in Deutschland ergab 83 Prozent, die frühe Trennung von Mutter und Kind kritisch sehen, rückt die kuhgebundene Kälberhaltung stärker in den Fokus. Es gibt verschiedene Formen dieser Haltung, welche teils jeder Hof abgewandelt praktiziert. Unterschieden wird in die muttergebundene Kälberaufzucht und in die ammengebundene Aufzucht. Bei beiden soll laut Aussagen der Erzeugung den Kälbern Sozialkontakt, sowie Körperpflege und Saugen können guttun.

Muttergebundene Kälberaufzucht

Bei der muttergebundenen Kälberaufzucht hat das Kalb Kontakt zu seiner eigenen Mutter. Die Mutter ernährt neben ihrem Kind kein weiteres. Dabei gibt es ganz unterschiedliche Modelle. In einem Modell haben Mutter und Kind dauerhaft Kontakt, in einem anderen nur über Nacht und stundenweise am Tag oder nur jeweils eine Stunde zweimal am Tag. Für die Milchbetriebe am profitabelsten scheinen die stundenweise Kontakte zum Kalb zu sein, da sie eine länger anhaltende recht hohe Milchmenge versprechen. Bei der Wegnahme des Kalbes rasch nach der Geburt, sinkt die hohe Milchmenge schneller ab. Bei einem dauerhaften Kontakt von Kuh und Kalb ist die ermolkene Milchmenge dagegen am geringsten. Dies liegt nicht nur daran, dass das Kalb mehrfach am Tag trinkt. Auch kann Milch im Euter zurückgehalten werden. Für die Betriebe nicht nur ein direkter Verlust an ermolkener Milch, denn es drohen auch Euterprobleme. Zudem ist strittig, ob Verbraucher*innen bereit sind, höhere Preise für den Mehraufwand an Zeit bei dieser Haltungsform zu zahlen.

Wird das Kalb binnen Stunden oder wenigen Tagen von der Mutter getrennt, kann es kein (soziales) Verhalten seiner Mutter lernen (Foto: Unsplash, Holly Landkammer)

Ammengebundene Kälberaufzucht

Bei der ammengebundenen Kälberaufzucht säugt eine oftmals nicht mehr gemolkene Kuh zwei bis drei fremde Kälber. So sollen die Kälber auch von Körperkontakt und Vorbild profitieren können. Auch hier gibt es Mischformen, bei denen die von der Amme versorgten Kälber zum Beispiel bisweilen zu ihren Müttern dürfen, um den Trennungsschmerz zu reduzieren. Ob das weitere Säugen fremder Kälber der Eutergesundheit der Ammenkühe zuträglich ist, scheint noch nicht belegt.

Gütesiegel

2019 haben Demeter und Provieh in Zusammenarbeit ein Gütesiegel für kuhgebundene Kälberaufzucht herausgebracht. Laut Richtlinien bleiben die Kälber mindestens vier Wochen bei der Mutterkuh oder Amme, somit weit über die übliche Zeit hinaus.

Das kurze Leben der Milchkühe

Euterprobleme sind ein Grund, warum Milchkühe nicht alt werden. Im Alter von 14 bis 16 Monaten werden sie erstmals besamt. Und nach knapp vier Laktationen kommen sie bereits schon zur Schlachtung. Neben der Eutergesundheit werden auch Unfruchtbarkeit und Klauenprobleme als Gründe für den frühen Tod von Milchkühen genannt. Wenig verwunderlich, wird den Kühen doch mehr und mehr abverlangt. Auch in Österreich steigt die Milchleistung auf mittlerweile über 7.000 Liter pro Jahr an. Eine Leistung, die ihre Körper einfach nicht lange erbringen können.

Hinzu kommt, dass Tiere, die einen wirtschaftlichen Nutzen erbringen sollen, auf Leistung gezüchtet werden, nicht so sehr auf Robustheit und langes Leben.

So sollen Milchkühe möglichst viel Geld in Form von Milch bei möglichst geringem Einsatz von Ressourcen wie zum Beispiel der Arbeitszeit, der Ernährung, Stallenrichment oder den Stallbauten an sich einbringen. Darum ist in Österreich die Anbindehaltung von Rindern auch in Ausnahmefällen noch bis ins Jahr 2030 erlaubt. Auch Personal, das Frust, Ungeduld und jede weitere Form von Druck an den Tieren auslässt, decken Tierschutzorganisationen immer wieder auf.

Fazit

Selbst wenn eine kuhgebundene Kälberaufzucht den in der Industrie gefangenen Tieren ein wenig mehr an Sozialkontakt und artgemäßem Verhalten bringt, löst sie nicht das generelle Problem der Milchindustrie. Kühe werden nicht als denkende, fühlende Wesen mit eigenem Charakter gesehen, sondern als Produktionseinheiten, deren früher Tod für den Profit gern in Kauf genommen wird. Eine echte Alternative bietet da der Umstieg auf pflanzliche Alternativen, die glücklicherweise in Supermärkten und Restaurants bereits weit verbreitet sind.

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Ein Artikel von Hella
veröffentlicht am 25.03.2025
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