Wieso ist Bio so wichtig?

Achtung, dieser Post ist bereits aus dem Jahr 2021. Einige Informationen könnten veraltet sein.
Bio ist gut für uns – eh klar, oder? Es ist mittlerweile ein Gemeinplatz, dass nach biologischen Maßstäben hergestellte Lebensmittel zu bevorzugen sind gegenüber konventioneller Ware. Egal ob bei Obst und Gemüse, bei Kosmetika oder bei Tierprodukten. Aber wissen wir wirklich Bescheid, worauf wir achten müssen? In diesem Artikel schauen wir uns an, nach welchen Kriterien Bio wirklich besser ist – für uns und vor allem für die Umwelt.

Alle wissen was Bio-Landbau bedeuten. Oder? Entsprechen unsere Annahmen wirklich der Realität? (Foto: Pixabay: Isabel Perello)

Im Ethik.Guide, dem nachhaltigen Einkaufsführer, findest du in der Kategorie Lebensmittel sämtliche Bezugsquellen für einen genussvollen und klimafreundlichen Ernährungsstil: Bioläden und –Lebensmittelmarken, Unverpackt-Läden, Bio-Bäcker und –Winzer, Biokisten-Zusteller und Solidarische Landwirtschaften, aber auch Adressen von Selbsterntefeldern. Es kann auch nach veganen Anbietern oder bioveganer Landwirtschaft gefiltert werden.

Wieso sollte man Bio-Lebensmittel kaufen? Hört man sich in der Bevölkerung um, so kommt in vielen Fällen als Antwort, dass man sich ja gesund ernähren, regionale Produkte kaufen und, so manche Stimmen, der industriellen Landwirtschaft ein Schnippchen schlagen will. Sind diese Schlagworte für Bio korrekt und entsprechen sie der Realität in der Öko-Landwirtschaft? Wie so oft ist die Antwort ein klares Jein. „Bio“ kann diese Faktoren durchaus beinhalten, muss aber nicht.

Bei Bio geht es um mehr als nur „gesund und regional“ als romantisches Aushängeschild einer aufgeklärten und von Industrieprodukten gesättigten Gesellschaft. In all seiner Bandbreite ist es eine Kulturrevolution hin zu einer respektvollen, nachhaltigen Landwirtschaft, welche die Natur als Ganzes einbezieht. Es geht um gute Böden und kurze Lieferwege, Klimaneutralität und fair bezahlte LandwirtInnen. Wir wollen Artenvielfalt rund um den Acker und wollen es nicht Großkonzernen überlassen, zu entscheiden, was wir täglich als Nahrung zu uns nehmen. Und richtig, all dies können wir als KonsumentInnen durch unsere persönlichen Kaufentscheidungen bewirken! Im Folgenden gehen wir die wichtigsten Punkte durch. Denn wenn wir gut informiert sind, können wir die richtige Wahl an den Regalen treffen.

„Bio ist gut für unsere Gesundheit.“

In einer älteren AMA-Studie haben 90 Prozent der Befragten angegeben, Bio zur Förderung der eigenen Gesundheit zu konsumieren. Aber die gesundheitliche Auswirkung auf uns ist eher gering, denn Bio-Lebensmittel enthalten nicht unbedingt mehr an Vitaminen und anderen wichtigen Substanzen. Sie werden jedoch ohne Pestizide und Kunstdünger hergestellt, was eine wichtige Rolle für die Bodengesundheit und die Artenvielfalt ist. Denn es gibt bei uns auch für die konventionelle Landwirtschaft gesetzliche Höchstwerte für chemische Rückstände in Lebensmitteln.

„Bio ist immer auch regional.“

Ein häufiges Argument für Bio ist die sogenannte Regionalität, wobei Region ein nicht definierter Begriff ist. Tatsache ist, dass Bio nur auf den Herstellungsprozess schließen lässt, nicht darauf, woher das Produkt kommt. Regionalität ist aber aus Umweltgründen wichtig. Wir wollen auch Gemüse und Obst genießen, welche bei uns aus klimatischen Gründen nicht gedeiht und wir wollen im Winter essen, was bei uns eigentlich nur im Sommer wächst. Das geht natürlich auch Bio. Aber was sind die Kosten? Zum Beispiel verkaufen sich Bio-Tomaten auch im Winter gut. Speziell gezüchtete, besonders robuste Sorten werden in Spanien unter einem Meer an Plastikplanen (Mare Plastico) in riesigem Ausmaß hergestellt, um dann noch grün geerntet bei uns nach einem dreitägigen Trip im LKW in den Regalen zu landen. Die Herstellung entspricht den EU-Bio-Richtlinien, es werden also keine Pestizide oder Kunstdünger verwendet. Unter welchen Voraussetzungen dort die Menschen arbeiten, erfahren wir dahingegen nicht, dafür leiden Regionen wie Almeria in Spanien oder das Jordantal in Israel wegen der massenhaften Herstellung von Sommergemüse und Obst für Mitteleuropa unter alarmierender Wasserknappheit.

Brauchen wir wirklich Erdbeeren und Paradeiser im Winter? (Foto: Pexels, Pixabay)

Doch sollen wir jetzt gänzlich auf Produkte verzichten, welche es bei uns nicht oder nicht immer gibt? Es gäbe ja die Möglichkeit, außerhalb der Saison auch regionales Gemüse zu beziehen, welches in Österreich im Glashaus hergestellt wird. Jedoch bedarf es dabei sehr viel Heizenergie und damit ist die Klimabilanz von heimischen Glashaustomaten leider gleich wieder schlechter als für die aus dem wärmeren Spanien. Es stellt sich daher die große Frage, ob man ein Produkt tatsächlich braucht oder nicht. Bio-Produkte legen enorme Wege zurück und haben vor Ort oft Auswirkungen auf die Umwelt, die uns aus dieser Entfernung gar nicht bewusst sind. Sie können aus Weltgegenden kommen, in der die Kontrolle sehr schwach bis gar nicht vorhanden ist und Bio-Richtlinien nicht konsequent eingehalten werden.

Es soll niemand auf Kaffee, Bananen oder Zitrusfrüchte verzichten müssen. Wenn schon Import, dann bitte Bio! Aber man sollte überlegen, ob man wirklich die gesamte Bandbreite des Angebotes zu jeder Jahreszeit zur Verfügung haben möchte, denn auch Bio macht es nicht immer besser für die Umwelt. Saisonal und regional ist daher die beste Wahl! Das schmeckt auch besser, weil es erntereif auf den Tisch kommt. Und ist es gut und sinnvoll, auch mal auf ein Bio-Siegel zu verzichten und beim Bauernhof deines Vertrauens die Produkte direkt zu beziehen.

„Bio-Gemüse kommt von kleinen Bauernhöfen.“

Viele KonsumentInnen wollen durch Kauf von Bio-Ware kleinen Landwirten helfen. Tatsächlich gibt es in Österreich viele kleinere Höfe, die durch ökologische Landwirtschaft neuen Aufschwung erleben, solange sie von den Einnahmen leben können. Sie wenden alte, traditionelle Anbaumethoden an und arbeiten kleinteilig. Das Bild vom Solo-Bauern, der in idyllischer Landschaft mit seinen zwei glücklichen Schweinderln ein kleines Beet mit Salat bewirtschaftet, hat sich in vielen Köpfen festgesetzt. Öko-Landwirtschaft soll bitte immer so ausschauen! Jedoch bleibt dabei die Frage unbeantwortet, wie man nicht nur acht Millionen ÖsterreicherInnen, sonder acht Milliarden Menschen so versorgen soll.

Außerdem muss man noch die Herstellung von Tierfutter für die Bio-Tierhaltung mit einberechnen, welches enorme Ausmaße hat. Das alles wird ohne industrielle Landwirtschaft schlicht nicht gehen und viele Bio-Produkte werden heute schon so hergestellt, nämlich massenhaft. Wir wollen ja schließlich auch leistbare Preise für unsere Lebensmittel, und das geht nur über effiziente, wirtschaftliche Herstellungsmethoden. Bio ist da der richtige Weg, nur muss auch hier beachtet werden, dass Bio nicht gleich Bio ist: Günstige Bio-Produkte beim Discounter entsprechen oft nur den EU-Mindeststandards, wogegen andere Zertifikate hohe Anforderungen an die Landwirte stellen. Und dafür muss an der Kassa auch entsprechend bezahlt werden.

„Bio ist gut für die Umwelt.“

Richtig! Vor allem, wie eben gezeigt, wenn es regional und saisonal und damit möglichst klimafreundlich hergestellt und transportiert wurde. Der Verzicht auf Pestizide und mineralische Düngemittel hat mehr Auswirkungen als nur auf unsere Gesundheit. Die Herstellung dieser Mittel benötigt sehr viele Ressourcen und belastet Umwelt und Klima. Außerdem greifen Bio-LandwirtInnen wieder auf altbewährte Anbaumethoden zurück, welche an die regionalen Bedingungen angepasst sind. Sie reaktivieren damit alte Kulturtechniken und auch alte Gemüsesorten, die besser zum jeweiligen Boden passen. Das kommt auch uns Konsumenten mit einer größeren Auswahl zugute. Doch die Artenvielfalt nimmt nicht nur auf dem Acker zu, denn das Fehlen der chemischen Stoffe lockt wieder mehr Insekten, Vögel und andere Pflanzenarten an, die sich auf und in der Nähe um die Felder ansiedeln.

Fazit: Wie so oft liegt der Weisheit letzter Schluss in unserem Konsumverhalten. Bio ist gesund, gut für Natur, Umwelt und Klima, fördert Artenvielfalt, traditionelle, nachhaltige Anbaumethoden und sorgt für faire Arbeitsbedingungen. Aber nur, wenn wir der Realität ins Auge sehen und nicht vergessen, dass nicht alles, was Bio zertifiziert ist, auch automatisch alle positiven Eigenschaften besitzt. Das ist vor allem dann nicht der Fall, wenn wir auch noch günstige Preise zahlen wollen. Aber jede und jeder von uns kann ein wenig zur Veränderung beitragen. Welche Faktoren sind mir wichtig, für welche Konsequenzen will ich auf keinen Fall durch meinen Konsum verantwortlich sein? Diese Frage müssen wir uns längst schon täglich stellen, nicht nur bei Lebensmitteln. Wir sollten daher achtsam auswählen, genau hinschauen, uns informieren und eben auch mal auf ein geliebtes Produkt verzichten. Es gibt in jeder Jahreszeit leckere Sachen und der nächste Sommer kommt bestimmt.

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Ein Artikel von Levente
veröffentlicht am 25.03.2021
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