Es stinkt zum Himmel: Gülle & Co

Die Veränderung der Landwirtschaft hin zur intensiven Massentierhaltung in den letzten Jahrzehnten stinkt nicht nur aufgrund des fehlenden Tierwohls zum Himmel. Die Nebenprodukte Jauche, Gülle und Mist nehmen überhand und müssen entsprechend gelagert oder „entsorgt“ werden. Die Entsorgung, das heißt das übermäßige Düngen von Feldern, führt zu einer großen Belastung der Umwelt und des Grundwassers. In diesem Artikel bringen wir frischen Wind in dieses Thema und fassen zusammen, wie die Situation und Österreich und Deutschland aussieht.

In Österreich gibt es knapp 2 Millionen Rinder für die Fleisch- und Milchproduktion. (Foto: Unsplash, Jo-Anne McArthur)

Für viele stinkt es zum Himmel, wenn auf dem Land Jauche oder Mist ausgefahren wird. Als jemand, die auf dem Land aufgewachsen ist, mit Großeltern auf beiden Seiten, die eine Landwirtschaft betrieben, bin ich daran gewöhnt und es ist für mich nicht unbedingt ein unangenehmer Geruch. Es ist der Geruch meiner Kindheit. Doch in den letzten 30 Jahren hat sich die Situation stark verändert. Früher wurde vielleicht zweimal pro Jahr Jauche, Gülle und/oder Mist ausgefahren und eine Wiese grundsätzlich nur zweimal pro Jahr gemäht. Heute wird so oft wie möglich gemäht und als nächster Schritt gedüngt, um das Wachstum der Pflanzen zu beschleunigen. Das Resultat: einerseits Verlust an Biodiversität, da sich viele Pflanzen innerhalb dieser kurzen (Mäh)Zyklen nicht so schnell fortpflanzen können.

Andererseits hat sich auch die Landwirtschaft an sich stark verändert. Es gibt viel mehr größere Betriebe anstatt kleinerer Bauernhöfe. Das bedeutet, dass sich die Nutzung der Landschaft und entstehende Nebenprodukte ebenfalls verändert haben. Auch die Anzahl der gehaltenen Tiere ist durch die Entwicklung der intensiven Massentierhaltung dramatisch angestiegen. Als Resultat gibt es viel mehr Mist und Jauche, die verwendet werden muss, da diese Stoffe nicht „einfach“ weggeschüttet oder entsorgt werden können. Auch das Futter, vor allem Soja, wird nicht mehr vor Ort, sondern in Soja-Monokulturen in Nord- und Südamerika angebaut. Deswegen gibt es weniger Möglichkeiten, diese Mineraldünger zumindest in den lokalen Kreislauf einzubauen.

Was sind eigentlich Jauche und Gülle?

Um das „Gülle“-Problem zu verstehen, ist es notwendig, zuerst einmal die Frage zu beantworten, was eigentlich „Jauche“ und „Gülle“ sind. Die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) beschreibt die zwei Substanzen folgendermaßen:

Gülle: „ist ein Gemisch aus Kot und Harn mit geringen Anteilen aus Einstreu und Wasser sowie deren Umwandlungsprodukte.“

Jauche: „besteht vorwiegend aus Harn, Stallmist-Sickersaft, Stallreinigungswasser (ev. Niederschlagswasser) und geringen Mengen an Kot- und Streubestandteilen sowie deren Umwandlungsprodukte. Mit einem Ammonium (NH4)-Anteil von ca. 90 % entspricht Jauche der Wirkung von Mineraldünger.“

Laut AGES überwiegt mittlerweile die Gülle, da bei der Tierhaltung immer seltener Streu verwendet wird (das heißt es gibt auch weniger Stallmist). Folglich ist Gülle wirtschaftlich und arbeitstechnisch günstiger und und einfacher herzustellen. Gülle aus Tierhaltung weist einen relativ hohen Nährstoffgehalt zum Beispiel an Stickstoff, Phosphor und Kalium auf. Ein Zuviel davon führt jedoch zur Belastung des Grundwassers, was folglich auch andere Wasserkörper wie Seen, Flüsse und Küsten belastet. In Deutschland wird zum Beispiel der Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter in mehr als einem Viertel des Grundwassers bereits überschritten.

Die Düngung mit Gülle ist ein großes Problem für die Umwelt. (Foto: Pixabay, planet_fox)

Rechtliche Lage zur Düngung

In Österreich gibt es, besonders im Vergleich zu Deutschland, relativ strenge und genaue Vorgaben, wann, wie oft und wo gedüngt werden darf. Nur sind diese Bestimmungen oft Landsache beziehungsweise hängen sie von örtlichen Gegebenheiten ab. So ist es in Grundwasserschongebieten grundsätzlich verboten, mit vielen Substanzen zu düngen beziehungsweise muss dies explizit bewilligt werden. In manchen Bundesländern mit Bodenschutzgesetzen ist die Ausbringung stark reguliert.

Um österreichweit das Grundwasser vor zu viel Nitrat zu schützen, gibt es limitierte Ausbringungszeiträume:

30.11. bis 28.2. Verbot des Ausbringens von stickstoffhaltigem Handelsdünger, Gülle, Biogasgülle, Gärrückständen, Jauche und nicht entwässertem Klärschlamm auf Dauergrünland und Wechselwiesen.

15.10. bis 15.2. Verbot des Ausbringens von stickstoffhaltigem Handelsdünger, ­Gülle, Biogasgülle, Gärrückständen, Jauche und nicht entwässertem Schlamm auf allen übrigen landwirtschaftlichen Nutzflächen […]

30.11. bis 15.2. Verbot des Ausbringens von Stallmist, Kompost, entwässertem Klärschlamm und Klärschlammkompost auf landwirtschaftlichen Nutzflächen.“

Die lange Zeit fehlenden Gesetze in Deutschland waren ein großes Problem, und so wurde die Bundesregierung 2016 von der EU-Kommission verklagt. Seit 2017 gibt es eine Gülleverordnung.

Das Geschäft mit der Gülle

In Deutschland und anderen europäischen Ländern ist mittlerweile ein richtiges Geschäft mit der Gülle entstanden. Und das, obwohl gerade in Deutschland das Grundwasser häufig mit Nitrat belastet ist. Trotzdem wird hier teilweise noch Dünger aus anderen Ländern, wie etwa den Niederlanden eingekauft, eingeführt und gedüngt. Ein Grund dafür lag (und liegt teilweise noch immer) bei den weniger strengen Gesetzen und kürzeren Sperrfristen in Bezug auf die Düngung in Deutschland. Oft wird so viel wie möglich ausgefahren, um die Bestände zu verringern, da ansonsten für eine teure Lagerung (oder Entsorgung) bezahlt werden muss.

Außerdem sind die Gülletransporte zwischen Ländern oder im Fall von Deutschland auch zwischen Bundesländern schlecht dokumentiert und folglich nicht immer nachvollziehbar. Es fehlen Kontrollinstanzen und klare Vorgaben, was und wie Mengen, Transport, etc. gemeldet werden sollen. Auch deswegen führt es immer häufiger zu den bereits erwähnten Problemen. Die Entwicklung sogenannter „Güllebörsen„, das heißt Unternehmen, die sich auf die Entsorgung der Gülle spezialisieren und den Transport von und zu Betrieben organisieren, tun ihr Übriges zur Verschlechterung dieser Situation.

Die Güllebörsen vermitteln zum Beispiel den Transport von Gülle aus einem Massentierhaltungsbetrieb zu einem Ackerbetrieb, der sich so das Dazukaufen von Mineraldünger spart und dabei hilft, die großen Güllemengen zu verbrauchen. Es muss so auch weniger Gülle gelagert werden. Das Gülleproblem ist jedoch noch nicht gelöst, da auch der Transport die Umwelt belastet und es immer wieder zu Unfällen kommt, die zusätzlich Böden, Wasser und Ökosysteme belasten.

Allem voran bedarf es einer starken Reduktion der Anzahl von Tieren in der Landwirtschaft, um der gigantischen Gülleproduktion entgegenzuwirken. (Foto: Commons Wikimedia, File Upload Bot)

Auswege

Um der Gülleflut und den damit einhergehenden Folgen in Zukunft zu entkommen, bedarf es einer anderen Art von Landwirtschaft und auf jeden Fall einer starken Reduktion der Tierzahlen. Beim Öko-Landbau muss bereits jetzt garantiert werden, dass die Anzahl der gehaltenen Tiere und die zum Betrieb gehörigen Wiesen und Äcker einander entsprechen. Diese „Flächenbindung“ schreibt vor, dass nicht mehr Gülle entstehen darf als auf eigenen Feldern ausgefahren werden kann. Bioland, Naturland und Demeter verlangen zusätzlich größere Flächen als die EU-Öko-Verordnung. Ein wichtiger Schritt ist auch die allgemeine Verminderung des Konsums von Fleisch, Milchprodukten und Eiern. Auch die biovegane Landwirtschaft ist eine wertvolle und notwendige Alternative.
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Ein Artikel von Yvonne
veröffentlicht am 26.08.2021
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