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Gustl – eine Leverkäs Erfolgsgeschichte

Immer mehr Menschen möchten keine Tiere mehr essen. Wegen des Klimaschutzes, wegen der Tierhaltung und auch wegen der persönlichen Gesundheit. Im Interview erzählt Nadina Ruedl, Gründerin & CEO der veganen Metzgerei Die Pflanzerei über den Markt von veganen Lebensmitteln.

Der Marktbereich für pflanzliche Lebensmittel wächst, und das rasant. Das vegane Wirtschaftsmagazin vegconomist erwartet, dass der Umsatz mit Fleisch- und Milchersatzprodukten bis 2025 auf 7,5 Milliarden EUR steigen – allein in Europa. (Foto: @DiePflanzerei)

Im Ethik.Guide, dem nachhaltigen Einkaufsführer, findest du in der Kategorie Lebensmittel sämtliche Bezugsquellen für einen genussvollen, klimafreundlichen, veganen Ernährungsstil: Bioläden und –Lebensmittelmarken, Unverpackt-Läden, Bio-Bäcker und –Winzer, Biokisten-Zusteller und Solidarische Landwirtschaften. Es kann auch nach rein veganen Anbietern oder bioveganer Landwirtschaft gefiltert werden.

Ein frisches Produkt am Markt kommt aus Österreich und heißt Gustl – der vegane Leverkäs aus Die Pflanzerei, der veganen Metzgerei. Als erster veganer Leverkäs ist der Gustl seit Februar 2022 auch an der Supermarkt-Theke vertreten. Gründerin Nadina Ruedl hat mit uns über ihre Erfahrungen in Produktion und Marketing von veganen Lebensmitteln gesprochen – vielen Dank, dass Du Dir Zeit für ein Interview mit uns nimmst!

Nadina, Du kommst aus dem Bereich Marketing und hast einen Blog über nachhaltigen und veganen Lifestyle: Liebe Grüße, ich. Seit Herbst 2021 bist Du mit dem veganen Leverkäs Gustl am Markt, damit wurdest Du auch unter die Top 10 der innovativen Geschäftsideen bei greenstart gewählt. Wir möchten also gerne mehr von Dir wissen. Wie bist Du auf die Idee gekommen, in den stark wachsenden Markt für pflanzliche Lebensmittel einzusteigen und dann gerade einen veganen Leverkäs zu machen?

Da sind mehrere Zufälle zusammengekommen. Einerseits arbeite ich schon lange in der Bewusstseinsbildung und hab mich immer mehr mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt. Vegan wurde ich dann durch mein Privatleben, ich hatte einen veganen Mann kennengelernt. Das war anfangs sehr befremdlich für mich. Ich hatte die gleichen Erwartungen an vegane Produkte wie früher an tierische Lebensmittel. Das heißt, ich bin in den Supermarkt gegangen und hab geschaut, wo kommt es her, wie ist es verarbeitet, wie kann ich es zubereiten. Ein Schlüsselerlebnis war für mich das Zubereiten von Wurstfleckerln mit veganer Wurst. Es wurde ein Klumpen. Da merkte ich: Es gibt Produkte, aber nicht die Art von Produkten, die ich mir vorstelle. Der Gustl, unser veganer Leverkäs, war dann dieser Wunsch an österreichische Esskultur. Leberkäse ist für mich das typisch österreichische Essen.

Vor einem Jahr hab ich angefangen die Rezeptur zu entwickeln, gemeinsam mit Lebensmitteltechnologen und Gewürzmittelherstellern. Dann kam ein Metzger dazu, unser erster Metzger. Wir werden ein Netzwerk von Metzgern aufbauen, einfach weil die Nachfrage da ist. Wichtig ist uns: Wir wollen in Österreich produzieren, hier Wertschöpfung schaffen und die Lebensmittel auch in Österreich sourcen.

Klingt nach einem tollen Gesamtpaket. Gibt es ein Geheimnis, warum der Gustl so gut schmeckt? Leberkäse ist wie Du sagst ein urösterreichischer Geschmack, der sicher schwierig hinzukriegen ist. Warum schafft das der Gustl?

Für uns war von Anfang an wichtig: Es muss ein Produkt sein, das allen Menschen schmeckt. Der Gustl ist nach kurzer Zeit bei vegan, vegetarisch und flexitarisch lebenden Menschen sehr gut angekommen. Aber der Fleischliebhaber ist noch mal eine andere Stufe, eine andere Erwartung ans Produkt. Um das zu schaffen, braucht es jemanden, der weiß, wie das Produkt funktioniert. Der erste Schritt war ein Lebensmitteltechnologe für die Konsistenz und den Geschmack. Das haben wir nach ein paar Monaten geschafft. Dann kam der Schritt, dass ein Metzger das mit den klassischen Maschinen macht. So gleicht der Herstellungsprozess vom veganen Leverkäse dem vom tierischen Leberkäse.

Wichtig ist uns auch, dass man die Rohstoffe regional kauft. Wir haben Rote Rübe, Karfiol, Zwiebel und Erdäpfel drinnen. Die kommen saisonal, wenn es geht aus Österreich. Wir sourcen aus dem Marchfeld, wenn möglich. Bis auf die Erbse: Die ist ein Verfügbarkeitsthema, weil wir in Österreich zu wenig Erbsen haben. Das Erbsenprotein muss ich aus Frankreich sourcen.

Meine Mama sagt immer: Wenn man mit Liebe kocht, schmeckt es umso besser. Und Liebe steckt beim Gustl in allen Details. Mittlerweile höre ich meinen Metzger in der Woche sieben bis achtmal. Gemeinsam haben wir immer neue Ideen. Wir sind jetzt im Feintunen, weil wir ja ein richtig gutes Produkt machen wollen. Das treibt einen voran. Es geht einfach immer um die Weiterentwicklung. Und wir haben sehr viele Testesser, knapp 200.

Das bringt uns zur nächsten Frage: Dem Feedback. Das bekommt Ihr einerseits direkt eben von den Testessern. Und Ihr seid ja auch auf Messen und Veranstaltungen präsent – gibts da von Fleischessern anderes Feedback als von vegan lebenden Menschen?

Unsere ersten Messen waren ja die veganmania und Vegan Planet, feschmarkt und Edelstoff, das sind alles Messen, wo KonsumentInnen sind, die auf Nachhaltigkeit Wert legen. Das waren unsere ersten KundInnen. Bei der veganmania war der Andrang riesig, wir mussten in Nachtschichten nachproduzieren. Auch bei der Vegan Planet war die Resonanz extrem gut. Das liegt auch daran, dass du dein Leverkässemmerl bei uns wie gewohnt bekommen hast: mit Gurkerl, mit Senf. Die gewohnte Esskultur wurde auf unser Produkt übertragen.

Es waren auch sehr viele Fleischesser dabei, die dann wieder gekommen sind und meinten, sie waren total überrascht, wie nahe es an einen gewohnten tierischen Leberkäse herankommt. Das liegt einfach auch an den frischen Semmerln, österreichischen Senf – es kommt drauf an, wie man es gewohnt ist. Wir schauen, dass das Gesamtkonzept passt. Dass es so ist, wie es auch ein Fleischesser haben möchte, das war von Anfang an mitgedacht.

Bei veganen Produkten ist oft das Problem: Wenn man das Wort Soja hört, denkt man an den Regenwald in Brasilien, wenn man Tofu hört, denkt man an Asien. Diese Produkte sind zum Teil extrem entfremdet. Dazu hab ich selber keinen Bezug. Darum lag der Fokus beim Gustl von Anfang an darauf, mit Zutaten zu arbeiten, wo ich sage: Das gehört zu mir. Das kommt aus unserer Esskultur.

Wenn die Wertschöpfung in Österreich erzeugt wird und es gut schmeckt, was spricht da groß dagegen? Wenn ich dadurch bis zu 90 % des CO2-Fußabdrucks reduzieren kann, dann machen wir’s, oder?

Für den wirtschaftlichen Erfolg ist wahrscheinlich nicht nur wichtig, dass es gut schmeckt, sondern auch das Marketing trägt viel dazu bei. Du kannst da auf viel Hintergrundwissen und Erfahrung zurückgreifen. Was kannst Du JungunternehmerInnen davon mitgeben?

Da hab ich, glaub ich, einen Riesenvorteil gehabt, weil ich seit Jahren Kommunikation unterrichte und im Vertrieb gearbeitet habe. Für mich war klar: Wenn Du etwas machst, geht es immer um die KundInnenbrille. Darum, wie es jemand anderer wahrnimmt.

Im veganen Bereich geht es auch stark darum, Vertrauen zu schaffen. Ganz wichtig sind authentische Marken. Zum Beispiel lebe ich selbst schon länger vegan, weiß, was es heißt, sich vegan zu kleiden, vegane Kosmetik zu haben. Der wichtigste Schritt war für mich, mit einem Metzger zusammenzuarbeiten. Ich bin heute so froh um den Josef, denn es ist eine sehr befruchtende Zusammenarbeit. Klar, es prallen Welten aufeinander. Aber es ist eine unglaubliche konstruktive und kreative Arbeit.

Es geht auch darum, Veganismus nicht nur dogmatisch zu positionieren, das ist ganz wichtig. Sondern auch zu verbinden. Der Gustl verbindet – ein Produkt, wo FleischesserInnen, VeganerInnen und FlexitarierInnen an einem Tisch sitzen können und das gleiche essen. Das ist das Ziel.

Zu Weihnachten saß ich mit meiner Familie um den Tisch und wir essen alle das gleiche. Wir alle reden über die Dinge, die relevant sind, nämlich dass wir beisammen sind. Und reden nicht darüber, was wir essen, weil das war komplett klar: den Gustl.

Das ist das Relevante: Eine Vision haben und wissen, wohin ich sie kommunizieren möchte. Begeisterung, Genuss, Regionalität, Geschichten die, ich über die Produzenten erzählen kann, über unseren Lebensraum, den wir alle lieben. Das sind Dinge, die uns verbinden. In diese Richtung sollten wir gehen.

Wir alle gehören zusammen. Das Essen trennt uns nicht, sondern die Begeisterung für gutes Essen verbindet uns.

Wenn man sich die österreichische Esskultur anschaut mit Krautfleckerln und Erdäpfelgulasch, das sind vegane Gerichte. Warum sollte es der Leverkäs nicht auch sein. Das sehe ich ganz pragmatisch.

Gerade in der heutigen Zeit ist das Verbindende so wichtig. Eine gewisse Lockerheit tut diesem Thema sicher auch gut. Zum Abschluss noch die Frage: Wo kriegen wir den Gustl?

Im Oktober 2021 habe ich das Unternehmen gegründet. Ich bin ein sehr ungeduldiger Mensch, mir geht immer alles zu langsam. Im Februar 2021 haben wir es geschafft, bei ausgewählten Filialen im Lebensmitteleinzelhandel wie bei Billa oder Maran Vegan am Tresen zu sein. Aber auch im Online-Handel zum Beispiel bei gurkerl.at und BioVeganversand. Auf der anderen Seite haben wir die Gastronomie, wir sind im harvest, in der erbsenzählerei, also bitte den Newsletter abonnieren – es kommen fast wöchentlich Partner dazu.

Und die Frage des Lebensmitteleinzelhandels mit einem Tresenkonzept. Ich versuche, möglichst alle abzuholen und das Produkt unterschiedlich anzubieten. Mit dem Gustl kannst Du alles machen, genauso wie mit Fleisch.

Gibts Pläne für das junge Jahr 2022?

Wir sind jetzt in den letzten Schritten, um den Gustl zu finalisieren. Bei der letzten Verkostung haben wir 80 % Zustimmung bei fleischessenden Menschen geschafft. Das war unser Ziel. Mit diesem Gustl fangen wir an, unterschiedliche Varianten zu machen. Als nächsten Schritt wird es die scharfe Traudi mit Chili geben, und dann kommt ein Käsleverkäs.

Vielen Dank liebe Nadina Ruedl für das interessante Gespräch!

Das vollständige Interview kannst du dir auf unserem Youtube Kanal ansehen

Über Nadina Ruedl

Die Salzburgerin hat in Vorarlberg und Salzburg Marketing studiert. Und im letzten Jahr ihre Ausbildung zur Nachhaltigkeitsmanagerin abgeschlossen. Vor der Gründung von Die Pflanzerei war sie Kommunikationsleiterin bei Donau Soja und Landschafftleben – gemeinnützige Vereine, die sich für eine regionale und nachhaltige Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion einsetzen. Außerdem war sie als Dozentin und Lehrgangsleiterin an der Donau Universität Krems und der Fachhochschule Wiener Neustadt. Derzeit schreibt sie an ihrer Dissertation über Greenwashing, Soziale Medien, Dissonanztheorie. All ihr Wissen und ihre Begeisterung für einen veganen und nachhaltigen Lebensstil teilt sie seit Jahren auf ihrem Nachhaltigkeits-(V)Blog „Liebe Grüße ich“ – wenn ihr der Gustl Zeit lässt.

(Foto: Nadina Ruedl)

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Ein Artikel von Sandra
veröffentlicht am 17.02.2022
Freie Journalistin und vegane Mama von zwei Schulkindern. Beim Ethik.Guide und animal.fair als Blogautorin und Social Media/facebook-Managerin aktiv. Findet Glück in der Natur, beim Backen und Kaffeetrinken.
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