Ohne Milch kein Kalzium?

Milch und Erdbeere
Ein hartnäckiges Vorurteil gegenüber veganer Ernährung lautet, ohne Kuhmilch könne man nicht genug Kalzium aufnehmen. Und das würde in weiterer Folge zwangsläufig zu Knochenbrüchen und Osteoporose führen. Aber stimmt das?
Erdbeere und Milch

Milch ist für viele Menschen nach wie vor DER Kalziumlieferant schlechthin (Foto: pexels, Adonyi Gábor)

Im Ethik.Guide, dem nachhaltigen Einkaufsführer, findest du in der Kategorie Lebensmittel eine Reihe von Pflanzenmilchprodukte-Herstellern.

Kalzium für die Knochen

Kalzium ist der mengenmäßig wichtigste Mineralstoff im menschlichen Körper. Er wird zu 99 Prozent in Zähnen und Knochen gespeichert. Neben der großen Bedeutung für die Knochengesundheit hat eine gute Kalziumversorgung auch positiven Einfluss auf die Muskulatur, die Reizübertragung im Nervensystem, die Blutgerinnung und weiterer wichtiger Vorgänge im Körper.

Vor allem während des Wachstums ist eine ausreichende Kalziumzufuhr für eine normale Knochenentwicklung wichtig. Wird während Kindheit, Jugend und frühem Erwachsenenalter keine angemessene Knochenmineraldichte erreicht, erhöht sich im Alter das Risiko für Osteoporose. Osteoporose wird im Volksmund auch als „Knochenschwund“ bezeichnet.

INTERESSANT: Die maximale Knochenmineraldichte (Peak Bone Mass) wird etwa mit dem 30. Lebensjahr erreicht. Ab etwa dem 40. Lebensjahr reduziert sich die Knochenmineraldichte kontinuierlich um etwa 1 Prozent pro Jahr.

Neben Kalzium gibt es natürlich noch andere Faktoren und Nährstoffe, die wichtig sind für die Knochengesundheit. Eine zusätzlich gute Vitamin-D Versorgung von Kindesbeinen an in Verbindung mit regelmäßiger körperlicher Bewegung sind die Hauptsäulen der Knochengesundheit. Aber auch Nährstoffe wie Magnesium, Zink, Eisen, Folsäure, Vitamin K, Omega-3-Fettsäuren, Ballaststoffe und noch einige mehr spielen eine Rolle.

Milch und Kalzium

Kuhmilch ist für die meisten Menschen der Inbegriff des optimalen Kalziumlieferanten und steht somit zeitgleich auch für gesunde und starke Knochen. Daher wird ein Verzicht auf Kuhmilch im Rahmen einer rein pflanzlichen Ernährung von vielen mit einem Kalziummangel und schlechten Knochengesundheit assoziiert. Dabei gibt es zahlreiche pflanzliche Lebensmittel, die sogar mehr Kalzium enthalten als Milch.

Grünes Gemüse

Grünes Gemüse wie beispielsweise Grünkohl, Spinat und Brokkoli aber auch Sesamkörner sind reich an Kalzium (Bilder: Pexels/unsplash)

Man darf nicht vergessen, dass Milch in der Geschichte der Menschheit nicht immer ein derart weit verbreitetes Lebensmittel war wie heutzutage. Weltweit können etwa 70 Prozent der erwachsenen Personen den Milchzucker (=Laktose) in Milch nicht beschwerdefrei verdauen, weil das dafür benötigte Enzym Laktase nicht mehr vom Körper produziert wird. Man spricht dann von einer Laktoseintoleranz.

INTERESSANT: Laktose kommt abseits der Muttermilch in keinem anderen gängigen Lebensmittel in der Ernährung des Menschen vor.

Die Fähigkeit, auch im Erwachsenenalter Laktase zu produzieren (=Laktasepersistenz), ist kein Zufall, sondern häufig eine genetische Anpassung aufgrund der Ausweitung des Milchkonsums über die Stillzeit hinaus.

Wie gesund oder nicht gesund der Milchkonsum für die Knochengesundheit tatsächlich ist, ist strittig. Es gibt Studien, die zeigen, dass Osteoporose-bedingte Knochenbrüche in Ländern mit hohem Milchkonsum häufig auftreten. Die genauen Gründe sind allerdings unklar und andere Studien zeigen andere Ergebnisse. Einigkeit herrscht zumindest darüber, dass Milchkonsum nicht vor Osteoporose schützt. Wichtig ist hingegen eine ausreichende Aufnahme von Kalzium und anderen wichtigen Nährstoffen, die problemlos über Gemüse und andere vegane Lebensmittel erreicht werden kann.

Weiterlesen: Milch – ein gesundes Lebensmittel? Am Ende dieses Artikels findest du auch eine Sammlung von weiterführenden Link- und Lesetipps zu diesem Thema.

Versorgung bei pflanzlicher Ernährung

Für Erwachsene ab 19 Jahren wird laut DACH-Referenzwerden eine Zufuhr von 1.000 Milligramm Kalzium pro Tag empfohlen. Für Jugendliche von 13 bis 19 Jahren sowie für Personen ab 65 Jahren erhöht sich diese Empfehlung auf 1.200 Milligramm Kalzium pro Tag.

Die Absorptionsrate von Kalzium ist von verschiedenen Faktoren abhängig und schwankt zwischen 15 und 60 Prozent. Bei erhöhtem Bedarf nimmt sie zu – beispielsweise während der Schwangerschaft. Im Säuglingsalter und in der Pubertät wird Kalzium am effektivsten absorbiert, im Erwachsenenalter sinkt sie auf 15-20 Prozent ab.

Manche Substanzen in pflanzlichen Lebensmitteln hemmen die Absorption von Kalzium. Der wichtigste Hemmstoff ist die Oxalsäure, die besonders in Spinat, Mangold und Rhabarber vorkommt. Auch Kaffee, schwarzer Tee, Ballaststoffe, eine erhöhte Zufuhr von Protein, Alkohol oder Phosphat können sich negativ auswirken. Andererseits gibt es Faktoren, die die Aufnahme von Kalzium fördern: Hierzu zählen Vitamin D, Aminosäuren, Zitronensäure und die Verteilung der Kalziumaufnahme auf mehrere Einzeldosen am Tag.

Grafik: Kalziumgehalt in pflanzlichen Lebensmitteln

Kalziumgehalt in pflanzlichen Lebensmitteln (in Milligramm pro 100 Gramm)

Fazit

Die D-A-CH Referenzwerte für die Kalziumzufuhr können mit pflanzlichen Lebensmitteln erreicht werden, wenn ein Fokus auf die Zufuhr einiger besonders kalziumreicher Lebensmittel und gleichzeitig aufnahmefördernder Faktoren gelegt wird. VeganerInnen mit einer ausreichenden Kalziumzufuhr weisen zudem kein höheres Risiko für Osteoporose auf und können die benötigen Zufuhrmengen – im Rahmen einer ausgewogenen pflanzlichen Ernährung – auch gänzlich ohne Nahrungsergänzungsmittel erreichen.

Und wir dürfen nicht vergessen: Muttermilch ist ein speziell auf den Säugling zugeschnittenes Nahrungsmittel, das gilt sowohl für den Menschen als auch für andere Säugetiere. Da Laktose abseits der Muttermilch in keinem anderen gängigen Lebensmittel vorkommt, ist es nachvollziehbar, dass die Laktaseproduktion im Körper nach dem Abstillen ursprünglich eingestellt wurde, weil sie nicht mehr benötigt wurde.

Zudem finden sich in der Milch neben Kalzium noch andere Nährstoffe, die sich nachteilig auf unsere Gesundheit auswirken können, wie zum Beispiel ein hoher Anteil an gesättigten Fettsäuren, aber auch Hormone und mögliche Antibiotikarückstände aus Futtermitteln.

Der Verzicht auf Milch mag anfangs vielleicht schwierig sein. Es macht aber aus so vielen Gründen – ethischen, ökologischen und gesundheitlichen – Sinn, auf pflanzliche Milchalternativen, die zum Beispiel mit Kalzium angereichert sind, zurückzugreifen. Und dabei muss man keinesfalls auf Geschmack verzichten! Du findest bei uns auch eine Vorstellung der verschiedenen Pflanzendrinks: So viel „Milch“!

Im Ethik.Guide, dem nachhaltigen Einkaufsführer, findest du in der Kategorie Lebensmittel sämtliche Bezugsquellen für einen genussvollen und klimafreundlichen Ernährungsstil: Bioläden und –Lebensmittelmarken, Unverpackt-Läden, Bio-Bäcker und –Winzer, Biokisten-Zusteller und Solidarische Landwirtschaften, aber auch Adressen von Selbsterntefeldern. Es kann auch nach veganen Anbietern oder bioveganer Landwirtschaft gefiltert werden.
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Ein Artikel von Judith Kapfer
veröffentlicht am 9.11.2021
Vegane Ernährungstrainerin in Ausbildung. Verbringt ihre Freizeit mit Wandern in den Bergen, bei Schlechtwetter aber auch gerne auf der Couch. Immer mit dabei: Hunde Thino und Mimi.

2 Kommentare

  • Nur_Vegan sagt:

    Vielen Dank für den Beitrag. Bei einer ausgewogenen veganen Ernährung sollten dennoch die meisten empfohlenen Werte für Kalzium etc. erreichbar sein. Durch regelmäßige Blutuntersuchungen können MPA Stellen oder Arzt Stellen etwaige Mängel feststellen und bei Bedarf beheben. Sollte ein Mangel eigens festgestellt werden, sollte man natürlich ebenfalls den Hausarzt aufsuchen.

    • Judith sagt:

      Hallo Nur_Vegan, danke für deinen Kommentar!
      Sehen wir genau so und ist im Artikel auch so beschrieben – im Rahmen einer ausgewogenen pflanzlichen Ernährung kann die empfohlene Kalziumzufuhr erreicht werden, ohne Nahrungsergänzungsmittel. Und eine regelmäßige Blutuntersuchung ist ohnehin empfehlenswert, egal bei welcher Ernährungsform :) Liebe Grüße, Judith

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